Année politique Suisse 2006 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
Berufliche Vorsorge
Ende November verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zu der bereits 2005 von ihm beschlossenen Änderung des BVG zur
Senkung des Umwandlungssatzes. Aufgrund der Renditeerwartungen auf den Finanzmärkten soll der Umwandlungssatz rascher und stärker gesenkt werden als im Rahmen der 1. BVG-Revision vorgesehen. Diese hatte nur der längeren Lebenserwartung Rechnung getragen und die Senkung auf 6,8% im Jahr 2014 vorgesehen. Nach dem Willen des Bundesrates soll der Umwandlungssatz hingegen bereits ab 1. Januar 2008
bis 2011 schrittweise auf 6,4% gesenkt werden. Seiner Ansicht nach wird das vorgegebene Leistungsziel – BVG-Rente deckt zusammen mit der AHV bei voller Versicherungsdauer rund 60% des letzten Bruttolohnes – auch mit dem etwas tieferen Umwandlungssatz erreicht werden, weshalb er auf flankierende Massnahmen verzichten will. Es bleibt den Vorsorgeeinrichtungen freigestellt, kassenspezifische und ihrer Finanzlage angemessene Lösungen zur Sicherstellung einer bestimmten Rentenhöhe zu ergreifen. Genügende Reserven vorausgesetzt, ist auch die Beibehaltung des bisherigen Umwandlungssatzes möglich. Ein Bericht des Bundesrates an das Parlament im 5-Jahres-Rhythmus soll es diesem ermöglichen, über die Höhe des Mindestumwandlungssatzes periodisch zu entscheiden
[18].
Mitte September beschloss der Bundesrat, den
Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge auch für 2007 auf dem aktuellen Niveau von 2,5% zu belassen. Dieser Entscheid berücksichtigte die negativen Anlageerträge im ersten Halbjahr 2006, welche das gute Ergebnis von 2005 relativierten; der Mindestzinssatz muss von allen Vorsorgeeinrichtungen im Durchschnitt mehrerer Jahre erreicht werden. Die Eidg. Kommission für die berufliche Vorsorge, in welcher neben Versicherungsexperten auch die Sozialpartner vertreten sind, hatte mit klarer Mehrheit ebenfalls die Beibehaltung des seit 2005 geltenden Mindestzinssatzes empfohlen
[19].
Mitte März nahm der Bundesrat zwei Berichte über eine Einführung der
freien Pensionskassenwahl zur Kenntnis. Er kam dabei zum Schluss, dass die freie Wahl zurzeit kein wünschbares Modell für die Weiterentwicklung der zweiten Säule darstellt, und zwar weder im obligatorischen noch im überobligatorischen Bereich. Eine verstärkte Individualisierung würde seiner Ansicht nach das System und das Kosten-Leistungsverhältnis schwächen. Die Eidg. BVG-Kommission hatte sich bereits 2005 einstimmig gegen eine freie Wahl der Pensionskasse ausgesprochen und angeregt, die Problematik nicht weiter zu verfolgen
[20].
Der Bundesrat will am System tieferer Altersgutschriften für jüngere und höherer Altersgutschriften für ältere Arbeitnehmer festhalten. Mitte September hiess er einen Bericht über alternative Modelle zur
Staffelung der Altersgutschriften gut, der zum Schluss gekommen war, die Stellung älterer Personen auf dem Arbeitsmarkt werde durch eine andere Staffelung kaum verbessert. Eine Änderung würde lange Übergangsfristen erfordern, die mit hohen Kosten verbunden wären. Der Bundesrat war aber bereit, ein Postulat der CVP-Fraktion für die Überprüfung der Berechnung der Altersgutschriften anzunehmen, worauf dieses diskussionslos überwiesen wurde. Eine Standesinitiative des Kantons Jura, die detaillierte Vorgaben für eine abgeflachte Staffelung machte, lehnten hingegen beide Kammern ab
[21].
Ausgehend von einem Expertenbericht zur
Verstärkung der Aufsicht in der beruflichen Vorsorge gab der Bundesrat im Sommer ein Modell zur Kantonalisierung bzw. Regionalisierung der bisher vom Bund und den Kantonen ausgeübten Direktaufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen in die Vernehmlassung. Das Modell sieht vor, die Aufsicht auf Stufe der Kantone nach dem Unternehmenssitzprinzip zu organisieren und gleichzeitig die Anforderungen an die Aufsicht zu erhöhen. Die Oberaufsicht, die künftig nicht mehr vom Bund, sondern von einer eigens dafür eingesetzten Kommission wahrgenommen werden soll, erhält den Auftrag, die Koordination und Vereinheitlichung der Aufsichtsprinzipien durch die Erarbeitung von Standards und Weisungen zu garantieren
[22].
Im Rahmen der 1. BVG-Revision hatte das Parlament verschiedene Aspekte der
Auflösung von Verträgen auf Gesetzesstufe geregelt, doch hatten nicht alle offenen Fragen abschliessend beantwortet werden können, und es hatte sich in der Folge gezeigt, dass insbesondere in zwei Bereichen (Leistungspflicht bei Auflösung des Anschlussvertrages und Verankerung des Kündigungsschutzes für alle Parteien) zusätzliche Regelungen notwendig sind. Dies hatte die SGK-N veranlasst, eine parlamentarische Initiative zur Behebung dieser Mängel einzureichen. Im Vorjahr hatte ihr das Plenum in einer ersten Phase Folge gegeben. Im Berichtsjahr nun verabschiedeten beide Kammern die konkreten Gesetzesänderungen. Das mehrmalige Hin und Her zwischen National- und Ständerat war nicht auf grundsätzliche Differenzen zurück zu führen, sondern betraf lediglich Fragen der einzuhaltenden Fristen
[23].
Die SGK-N reichte eine parlamentarische Initiative ein mit dem Ziel, das Schlussalter für die Vorsorge in der
Säule 3a auf 70 Jahre anzuheben, sofern die Person erwerbstätig ist. Momentan beträgt die Alterslimite 65 Jahre für Männer und 64 Jahre für Frauen. Zu diesem Zeitpunkt muss das Kapital bezogen werden und ist keine weitere Äufnung mehr möglich. Mit der Gesetzesänderung soll der Verbleib älterer Personen im Erwerbsleben gefördert werden. Die Schwesterkommission des Ständerates signalisierte Zustimmung zur Ausarbeitung eines Entwurfs
[24].
[18]
BBl, 2006, S. 9477 ff.; Presse vom 26.1., 29.6. (Vernehmlassung) und 23.11.06. Zur Pensionskasse des Bundes und der bundesnahen Betriebe siehe oben, Teil I, 1 c (Verwaltung).
[19] Presse vom 18.3. und 14.9.06.
[20] Presse vom 18.3.06. Ausführlichere Zusammenfassung in
CHSS, 2006, S. 68 f.
[21] Presse vom 14.9.06;
AB NR, 2006, S. 490. Standesinitiative:
AB SR, 2005, S. 286;
AB NR, 2006, S. 762.
[22]
Lit. Kottmann; Presse vom 18.3. und 6.7.06. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf zwei identische Ip. aus den Reihen der FDP (
AB SR, 2006, S. 938 f.;
AB NR, 2006, S. 2031).
[23]
AB NR, 2006, S. 1183 f., 1847 f. und 2047;
AB SR, 2006, S. 467 f., 937 f., 1196 und 1266. Siehe
SPJ 2005, S. 196.
[24] Geschäft 06.456;
NZZ, 15.11.06.
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