Année politique Suisse 2006 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Frauen
Der internationale Schutz der Rechte der Frauen soll verbessert werden. Der Bundesrat beschloss im November nach positiver Vernehmlassung den Beitritt der Schweiz zu einem
UNO-Fakultativprotokoll. Dieses ergänzt das von 180 Staaten ratifizierte Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Ihm sind bereits 71 Staaten, darunter alle EU-Staaten, beigetreten. Die Schweiz hat an der Entstehung des Protokolls aktiv mitgearbeitet. Der Beitritt der Schweiz entspreche ihrer aktiven Menschenrechtspolitik, schrieb das EDA dazu. Von den 56 Vernehmlassungsteilnehmern hatten alle - mit Ausnahme der SVP und des Arbeitgeberverbandes – den Beitritt begrüsst. Das Protokoll sieht ein individuelles Mitteilungsverfahren und ein Untersuchungsverfahren vor. Liegt eine Verletzung der im CEDAW verbrieften Rechte vor, müssen zunächst die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft werden. Danach können Frauen die Diskriminierung dem zuständigen UNO-Ausschuss kundtun. Das Untersuchungsverfahren gibt dem Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau die Befugnis, Untersuchungen durchzuführen, wenn zuverlässige Angaben vorliegen, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im CEDAW niedergelegten Rechte durch einen Vertragsstaat hinweisen
[25].
Ende 2006 belegten die
Frauen 20,5% (32 von 156) der kantonalen Regierungssitze (2005: 22,8%). Gemessen am Gesamttotal ihrer Regierungssitze (31) stellte die SP mit 12 Regierungsrätinnen den höchsten Frauenanteil (38,7%), gefolgt von der LP mit 25% (1 von 4 Regierungsmitgliedern), der FDP mit 23,8% (10 von 42), der SVP mit 16,7% (3 von 18) und der CVP mit 9,5% (4 von 42). Die Grünen hatten Ende 2006 keine Frau in einer kantonalen Exekutive. In sechs Kantonen (AG, AI, GE, SZ, TG, VS) setzten sich die Regierungen nur aus Männern zusammen. In den
Kantonsparlamenten betrug der
Frauenanteil Ende 2006 26% (2005: 25,1%). Anteilsmässig am stärksten waren die Frauen im Kanton Aargau mit 36,2% vertreten, am schwächsten mit 11,1% im Tessin
[26].
Im Februar veröffentlichte das Bundesamt für Statistik eine Studie, die sich auch der
Vertretung der
Frauen in Parlamenten und Regierungen der 121 grössten Städte widmet. Die Untersuchungen zeigten, dass Frauen mittlerweile einen Viertel der Sitze der städtischen Exekutiven besetzen, dies ist viermal mehr als 1983 (5,8%). Allerdings waren nur 12% der Stadtpräsidenten weiblich – und dies ausschliesslich in Städten mit unter 50 000 Einwohnern. Dabei waren die Frauen bei den rot-grünen Parteien mit rund 40% mehr als doppelt so stark vertreten wie bei den bürgerlichen Parteien. In den Stadtparlamenten wuchs der Frauenanteil zwischen 1983 und 2004 von 16,2 auf 31%. In den Legislativen sind bei den rot-grünen Parteien seit 1996 über 40% der Abgeordneten Frauen, die bürgerlichen Parteien erreichten 2004 einen Anteil von 23,5%
[27].
Zur Wahl von Doris Leuthard in den Bundesrat siehe oben, Teil I, 1c (Regierung).
Im Februar wurde die Untersuchung einer externen Arbeitsgruppe über die
Wirkung des Gleichstellungsgesetzes veröffentlicht. Der Synthesebericht legt dar, dass Frauen in der Privatwirtschaft rund 25% weniger verdienen als Männer. Obschon der Arbeitgeber beweisen muss, dass keine Diskriminierung vorliegt, verzichten die meisten Frauen aus Angst vor einer Kündigung oder aus Angst vor einer Exponierung auf eine Klage. Besonders bei sexueller Belästigung bedeutet der Gang vor Gericht in der Regel den Verlust der Arbeit. Der Kündigungsschutz beträgt laut dem Gesetz in diesen Fällen lediglich 6 Monate. Die Untersuchung zeigt, dass die meisten Arbeitsverhältnisse zu Beginn des Prozesses beendet waren. Als weitere Gründe für die geringe Zahl von Klagen werden die mangelnde Lohntransparenz und der schwierige Zugang zu Daten angeführt. Zur Verbesserung der Wirksamkeit des Gesetzes empfiehlt die Arbeitsgruppe unter anderem den Ausbau des Verbandsklagerechts, damit sich die Betroffenen weniger exponieren müssen. Eine Verlängerung des Kündigungsschutzes erachten die Experten nur unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll. In einer Stellungnahme zum Synthesebericht hielt der Bundesrat eine Reform des Gesetzes nicht für notwendig
[28].
Anlässlich des
25. Jahrestages des Gleichstellungsartikels der Bundesverfassung, der gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit postuliert, übergaben die Gewerkschaften dem Arbeitgeberverband einen symbolischen Protest- und Schuldbrief. An über 40 Orten führten sie zudem Manifestationen durch, an denen sie forderten, die bestehende Lohndiskriminierung der Frauen zu beseitigen. Gleichzeitig verlangte die SP Lohngleichheits-Inspektoren einzusetzen, die die Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes und des Diskriminierungsverbots in den Kantonen überprüfen sollen
[29].
Bei der Beratung des Voranschlags 2007 stellte Nationalrat Ruey (lp, VD) mit Unterstützung der Ratslinken den Antrag, den Kredit für das
Gleichstellungsbüro für Frau und Mann um rund 660 000 Fr. auf insgesamt 5 Mio Fr. zu erhöhen, gerade auch, um die Diskriminierungen im Arbeitsbereich aktiv anzugehen. Die Sprecherin der SP erinnerte daran, dass die Botschaft zum Gleichstellungsgesetz 1994 eine Zielgrösse von 5 Mio Fr. jährlich für die Finanzhilfen als konkretes Instrument zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann vorgesehen habe. Die externe Evaluation habe nun nachgewiesen, dass die Finanzhilfen Wirkung zeigten. Da sich neben der ohnehin gleichstellungskritischen SVP auch die CVP und die FDP ablehnend verhielten, wurde der Antrag mit 85 zu 61 Stimmen verworfen
[30].
Im Dezember reichte Nationalrat Wehrli (cvp, SZ) eine Motion ein, die forderte, dass sich die
Gleichstellungsbüros künftig schwerpunktmässig der besseren
Integration ausländischer Frauen widmen sollen, weil die Gleichstellung für die Schweizer Frauen weitgehend erfüllt sei. Dies löste Protest von linken und grüne Parlamentarierinnen aus. Sie erachteten die Integrationsförderung zwar als wichtig, wehrten sich aber dagegen, diese auf Kosten der übrigen Gleichstellungsarbeit auszubauen. Für sie ist die Schweiz von einer Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern noch weit entfernt
[31].
2004 hatte Nationalrätin Leutenegger (sp, BL) eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche die börsenkotierten Unternehmen mit einer Gesetzesänderung verpflichten wollte, einen periodischen
Gender-Report über den Stand der Umsetzung des verfassungsmässigen Gleichstellungsauftrages in ihrer Unternehmung zu erstellen. Der Bericht sollte insbesondere zu den Fragen Lohngleichheit, Anteil von Frauen und Männern im Kader und Stand der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Stellung nehmen. Auf Antrag der Kommission wurde der Vorstoss mit 99 Stimmen zu 68 abgelehnt. Die Mehrheit war zwar durchaus der Meinung, dass in Sachen Gleichstellung in den letzten Jahren keine grossen Fortschritte verzeichnet werden konnten und es somit wichtig sei, dass die Frage der Gleichstellung der Geschlechter ein politisches Thema bleibt. Sie bezweifelte jedoch, dass der in der Initiative geforderte Unternehmensbericht das richtige Instrument dazu sei, um damit durchschlagende Erfolge zu erzielten. Die börsenkotierten Unternehmen stelle für das Ziel des Gender-Reports nicht die richtige Zielgruppe dar, da sie mehrheitlich grosse, fortschrittlichen Unternehmen und im Bereich Gleichstellung wahrscheinlich schon am aktivsten seien. Andere Unternehmungen, die für die Erreichung der Gleichstellung nicht viel tun, würden von der Initiative nicht erfasst
[32].
[25] Presse vom 30.11.07.
[26] Zu den Details siehe oben, Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Regierungen resp. Parlamente) sowie die entsprechenden Tabellen im Anhang.
[27] Lit.
BFS;
AZ, 10.2.06.
[28]
LT und
TA, 17.2.06;
Bund, 22.6.06.
[29]
NZZ, 13.6.06; Bund und
SGT, 14.6.06 (Gewerkschaften)
; NZZ und
TG, 17.8.06 (SP).
[30]
AB NR, 2006, S. 1659 ff.
[31] Mo. Wehrli: 06.3706;
NLZ, 20.10.06.
[32]
AB NR, 2006, S. 475 ff. Im Einvernehmen mit dem BR nahm der NR zwei Postulate aus der SP an, welche eine Förderung der Lohnstrukturerhebungen auf Bundes- und Gemeindeebene anregten (
AB NR, 2006, S. 115 und 1117). Ein weiteres SP-Postulat, welches die Erstellung eines Berichts über die Möglichkeiten der Zertifizierung gleichstellungsfreundlicher Unternehmen verlangte, wurde aus dem Rechtsfreisinn bekämpft und deshalb der Beratung entzogen (
a.a.O, 1115).
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