Année politique Suisse 2007 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
An ihrer Delegiertenversammlung in Sursee am 20. Januar beschloss die CVP ihre Wahlplattform. Wichtige Postulate im kurz gehaltenen „Wahlvertrag“ der CVP waren die steuerliche Entlastung der Familien, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Recht auf ausserfamiliäre Kinderbetreuung. Gefordert wurden in der Wahlplattform zudem ein „Jugendförderungs- und Jugendschutzgesetz“ sowie ein obligatorischer Menschenrechtsunterricht an den Schulen. Im Bereich Integration waren wichtige Punkte in der Wahlplattform die Förderung des Spracherwerbs von Kindern ausländischer Herkunft und der obligatorische Besuch von Klassenlagern sowie des Turn- und Schwimmunterrichts. Die CVP gab sich zudem ein
stärkeres ökologisches Profil. So waren im Wahlvertrag unter anderem folgende umweltpolitische Forderungen enthalten: Verbot von Dieselfahrzeugen ohne Partikelfilter, Importzölle für „Benzinfresser“, Verschärfung der technischen Vorschriften für Haushaltsgeräte, höhere Abgaben für den Transitschwerverkehr, Verbindlicherklärung des Minergiestandards für Neubauten und Totalsanierungen bis 2012, Förderung von Alternativenergien und Ausbau der Wasserkraft. Die Option neuer Kernkraftwerke hielt sich die Partei ausdrücklich offen. Der Wahlvertrag war wenig umstritten und wurde mit 218:1 Stimmen verabschiedet. Zudem befassten sich die CVP-Delegierten auch mit der Initiative für eine Einheitskrankenkasse, zu der sie mit 262 zu 5 Stimmen die Nein-Parole beschlossen
[29].
An ihrer Delegiertenversammlung Anfang März in Zürich entschied sich die CVP mit 159:13 Stimmen bei 7 Enthaltungen, einem Antrag der Jungen CVP zu folgen und ein
Verbot von Gaskraftwerken anzustreben. Die Bundeshausfraktion der CVP hatte ein Verbot von Gaskraftwerken zuvor abgelehnt, da sie diese als mögliche Übergangslösung betrachtete. Eine Diskussion über den Bau neuer Atomkraftwerke fand nicht statt. Die CVP-Delegierten befassten sich im Weiteren mit Massnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Sie beschlossen, dass Energieetiketten für Haushalts- und Elektronikgeräte obligatorisch werden sollen. Der Parteivorstand strebte auch ein Verbot von Glühbirnen an, drang aber damit bei der Basis nicht durch. Die Vorlage ging zurück an die Parteileitung zur Überarbeitung. Ein weiteres Thema der Delegiertenversammlung war die Jugendgewalt. Die CVP beschloss eine
Offensive im Bereich Jugendschutz und -förderung. Sie forderte ein Bundesgesetz, das auf den vier Säulen Repression, Prävention, Ausstiegshilfe für Täter sowie Hilfestellung für Opfer beruhen solle. Die Jugendschutz-Offensive wurde mit 134 zu 6 Stimmen beschlossen. Die Delegierten fassten zudem die Ja-Parole zur IV-Revision mit 204 zu 11 Stimmen bei 11 Enthaltungen
[30].
An ihrer Delegiertenversammlung in Lausanne am 23. Juni verabschiedete die CVP ein Wachstumspaket „Wirtschaftspolitik für mehr Beschäftigung und Lebensqualität“. Dieses enthielt wenig Neues und war nicht umstritten. Die CVP forderte darin vor allem einen besseren Transfer von Wissen in die Wirtschaft. Zudem richtete sie sich
gegen die Hochpreisinsel Schweiz und verlangte eine konsequentere Anwendung des Kartellgesetzes. Die CVP stellte sich hinter die bilateralen Beziehungen zur EU und befürwortete die Weiterführung der Personenfreizügigkeit und deren Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien. Gleichzeitig betonte sie die Wichtigkeit von guten wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA und zu den Schwellenländern. Zudem hiess die CVP die Unternehmenssteuerreform II mit 86 zu einer Stimme bei 3 Enthaltungen gut
[31].
Im August stellte die CVP ein
Positionspapier zur Bildungspolitik vor. Sie befürwortete darin eine frühere Einschulung mit dem 4. Altersjahr. Damit könnten Defizite von Kindern rascher erkannt werden und die Förderung von Hochbegabten früher beginnen. Die Sekundarschule solle in Zukunft bereits mit 14, eine Lehre mit 17 bis 18 und ein Studium mit 22 bis 23 Jahren abgeschlossen werden. Die CVP verlangte auch eine modernere Berufsbildung. Die Anzahl Berufsausbildungen solle reduziert und die Spezialisierung und Durchlässigkeit innerhalb der Berufsgruppen gefördert werden. Ausländische Studentinnen und Studenten, die einen Abschluss in einem für die schweizerische Wirtschaft wichtigen Bereich erlangen, sollen nach dem Willen der CVP automatisch eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung erhalten
[32].
An ihrer Delegiertenversammlung auf dem Säntis Mitte September beschloss die CVP eine
Resolution für den Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Sie forderte die einseitige Einführung des „Cassis-de-Dijon“-Prinzips mit einem möglichst kleinen Ausnahmenkatalog, den Abbau von Missbräuchen im Patentrecht und die Beseitigung von „Preis-Ausreissern“ bei Originalmedikamenten, eine Harmonisierung der kantonalen Baunormen sowie die Eliminierung von Lücken im Kartellrecht. Zudem verlangte die CVP die Beseitigung der Besteuerung von Kinder- und Ausbildungszulagen. Die Delegierten hiessen auch einen Gegenvorschlag zu der von der Linken lancierten Klimainitiative gut, der vorsieht, den CO2-Ausstoss bis 2020 um mindestens 20% zu senken
[33].
Die CVP begann, die
Rückeroberung ihres zweiten Bundesratssitzes in Betracht zu ziehen, als Wahlprognosen sie nur noch knapp hinter der FDP sahen. Sie argumentierte, ihre Bundesrätin könne sich bei der jetzigen Zusammensetzung der Regierung zu selten durchsetzen. Die CVP müsse deshalb in der Regierung wieder stärker vertreten sein. Parteipräsident Darbellay hielt fest, er werde zwar Bundesrat Blocher nicht wählen. Den zweiten Sitz für die CVP wolle er aber nicht auf Kosten der SVP, sondern auf Kosten der FDP holen, falls diese bei den Parlamentswahlen schwächer abschneiden sollte als die CVP. Bei den Nationalratswahlen vermochte die CVP die FDP fast einzuholen (+3 Sitze im Nationalrat, 14,5% Wähleranteil) und sie konnte zusammen mit den Grünliberalen und der EVP eine grössere Fraktion als diejenige von FDP und Liberalen bilden. Darbellay brachte sich mit der Aussage, er habe noch nie eine Wahl abgelehnt, selbst als Kandidat für den Bundesrat ins Gespräch. Ein weiterer diskutierter Kandidat war Fraktionspräsident Urs Schwaller. Der rechte Flügel der Partei wehrte sich jedoch gegen eine Kampfkandidatur. Schliesslich beschloss die CVP, nicht anzutreten. Die CVP-Fraktion
unterstützte aber mehrheitlich die Ersetzung von Christoph Blocher durch die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Als Folge davon kam es zu verärgerten Reaktionen im rechten Flügel der Partei und es wurde spekuliert, ob der CVP ihr Verhalten bei den nächsten Wahlen in den konservativen Kantonen schaden würde
[34].
Die Kandidatin der CVP für das Bundeskanzleramt, Corina Casanova, konnte sich gegen die Konkurrenz aus FDP und SVP durchsetzen und wurde am 12. Dezember gewählt
[35].
[29]
NZZ, 12.1. und 22.1.07;
AZ,
LT und
TA, 22.1.07.
[30]
NLZ,
NZZ und
TA, 5.3.07.
[31]
Bund und
NZZ, 25.6.07.
[33]
NZZ und
SGT, 17.9.07.
[34]
TA, 17.9. und 10.12.07;
SGT, 11.12.07;
BZ und
NZZ, 15.12.07.
[35] Presse vom 13.12.07.
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