Année politique Suisse 2007 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
Grüne Partei (GP)
An ihrer Delegiertenversammlung Ende Januar in Luzern diskutierte und verabschiedete die Grüne Partei ihre Wahlplattform. Im Bereich Umweltpolitik waren zentrale Forderungen der Grünen der Ausstieg aus der Atomenergie, eine reduzierte Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und eine starke Reduktion des CO2-Ausstosses. Um diese Ziele zu erreichen, brauche es Lenkungsabgaben und eine Verbesserung der Energieeffizienz. Die Grünen verlangten auch eine weitere Förderung des öffentlichen Verkehrs, eine Erhöhung der Schwerverkehrsabgabe und die Einführung einer Filterpflicht für Dieselfahrzeuge. Die Wahlplattform enthielt zudem einen
neuen wirtschaftspolitischen Abschnitt. Dieser war von Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, verfasst worden. Gefordert wurde im wirtschaftspolitischen Kapitel vor allem eine Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch, wozu es eine ökologische Steuerreform brauche. Im steuerpolitischen Bereich verlangten die Grünen eine nationale Erbschaftssteuer sowie eine Besteuerung von Kapitalgewinnen und Devisentransaktionen. Was die Sozialpolitik betrifft, setzte sich die Grüne Partei für mehr Lehrstellen, verbesserte Arbeitsbedingungen für Zuwanderer, einen Mindestlohn von 3500 Fr. und für einkommensabhängige Prämien in der Krankenversicherung ein. Unter dem Titel „weltweite Gerechtigkeit“ forderten die Grünen die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit von der EU auf alle Länder weltweit. In der Europapolitik lautete die Position der Grünen „Ja zu einem EU-Beitritt, aber nicht zu jedem Preis“. Mit ihrer Wahlplattform positionierte sich die Grüne Partei klar links. Die Delegiertenversammlung fasste zudem den Entscheid, die
Initiative „Für menschenfreundlichere Fahrzeuge“ (Stopp-Offroader-Initiative) der Jungen Grünen zu unterstützen. Zur Initiative für eine Einheitskrankenkasse, welche die Grünen mitlanciert hatten, wurde mit 107 zu 10 Stimmen bei 9 Enthaltungen die Ja-Parole beschlossen. Die Zuger Alternativen erhielten von den Delegierten den Beobachterstatus bei der Grünen Partei Schweiz zugesprochen
[59].
An der Delegiertenversammlung in Basel Anfang Mai stellten sich die Delegierten hinter die Lancierung der
Volksinitiative „Für ein gesundes Klima“, welche die Grünen gemeinsam mit der SP und verschiedenen Umweltverbänden planten. Die Initiative verlangt eine Reduktion des CO2-Ausstosses der Schweiz um 30% gegenüber 1990 bis 2020. Die Delegierten fassten zudem die Nein-Parole zur 5. IV-Revision. Im Vorfeld der Versammlung hatte der Berner Regierungsrat Bernhard Pulver eine liberalere, weniger linke Positionierung der Grünen Partei gefordert. Zu einer grossen Richtungsdebatte kam es aber nicht. Die Parteileitung betonte, die Grünen böten Platz für verschiedene Strömungen und konnte damit die Reihen schliessen
[60].
In den Kantonen Schwyz und Graubünden wurden 2007 neue grüne Kantonalparteien gegründet. Nur noch die Kantone Obwalden und Appenzell Innerrhoden bleiben damit ohne Grüne Partei. An der Delegiertenversammlung der Grünen im August in Neuenburg erhielten die neuen kantonalen Sektionen den Beobachterstatus. Die Delegierten befassten sich zudem mit einer Resolution für einen
ökologischen Umbau der Wirtschaft. Sie setzten dabei sechs Prioritäten: eine ökologische Steuerreform, höhere Umweltstandards, Förderung technischer Innovation, Anreize für Unternehmen, Einbezug der Konsumenten und internationales ökologisches Engagement der Schweiz. Der Entscheid über die Unterstützung eines Referendums gegen die Agrarpolitik 2010 wurde an den Parteivorstand delegiert (der ein Referendum später ablehnte)
[61].
Nach den für die Grünen sehr erfolgreich verlaufenen Wahlen (7 Sitzgewinne im Nationalrat und 2,2 Prozentpunkte mehr Wähleranteil als 2003) trat
Parteipräsidentin Ruth Genner
(ZH) aufgrund der Amtszeitbeschränkung zurück. Genner war seit 2001 in der Parteileitung gewesen, zunächst als Co-Präsidentin, dann als alleinige Präsidentin. Der Vizepräsident der Grünen, Ueli Leuenberger (GE), zeigte Interesse an Genners Nachfolge. Als weitere mögliche Kandidatinnen galten Franziska Teuscher (BE) und Maya Graf (BL). Genner sprach sich für ein Co-Präsidium mit einem Mann und einer Frau aus, während Leuenberger ein System mit Präsidium und Vizepräsidium favorisierte
[62].
Die Grünen machten nach den Wahlen ihren Anspruch geltend, bei der Besetzung des
Nationalratspräsidiums berücksichtigt zu werden. Die Bundesratsparteien wechselten sich bisher bei diesem Amt einem Turnus folgend ab. Um im Jahr 2010 an die Reihe zu kommen, stellten die Grünen mit Maya Graf (BL) eine Kandidatin für das zweite Vizepräsidium des Nationalrates auf. Die SP hätte, um den Anspruch der Grünen zu erfüllen, auf das Präsidium im Jahr 2010 verzichten müssen. Die Grünen konnten sich schliesslich mit ihrer Kampfkandidatur für das zweite Vizepräsidium nicht durchsetzen. Auch bei den Kommissionspräsidien wurden die Grünen kaum berücksichtigt
[63].
An ihrer Delegiertenversammlung Anfang Dezember sprachen sich die Grünen mit 132 zu 14 Stimmen bei 4 Enthaltungen dafür aus,
einen Sitz im Bundesrat anzustreben. Zu reden gab, ob die Grünen bei den anstehenden Bundesratswahlen gegen Bundesrat Blocher kandidieren sollten. Dies wurde mit 115 zu 34 Stimmen bei 4 Enthaltungen bejaht. Eine Minderheit argumentierte, die Grünen sollten sich an die arithmetische Konkordanz halten und auf das Freiwerden eines freisinnigen Sitzes warten. Als Kandidat der Grünen für den Bundesrat wurde der
Waadtländer Ständerat Luc Recordon aufgestellt. Dieser erklärte, er wolle mit seiner Kandidatur eine Alternative zu Blochers Politik anbieten. Er sei bereit, sich zurückzuziehen, wenn ein gemässigter bürgerlicher Kandidat zur Wahl antrete. Weitere Themen der Delegiertenversammlung waren die Unternehmenssteuerreform II, zu der die Nein-Parole beschlossen wurde und die Initiative gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten, welche die Delegierten befürworteten
[64].
[59]
NZZ, 20.1.07;
TA, 27.1.07; Presse vom 29.1.07.
[60]
NZZ, 28.2.07;
Bund, 5.5.07;
BaZ und
Bund, 7.5.07.
[61] Parteigründungen in GR und SZ:
TA, 23.6.07. Delegiertenversammlung:
BaZ und
NZZ, 27.8.07. Entscheid gegen Referendum zur Agrarpolitik 2010:
TA, 11.9.07.
[62]
NZZ und
TA, 30.10. und 31.10.07.
[63] Nationalratspräsidium:
AZ, 31.10.07;
NZZ, 17.11. und 24.11.07. Kommissionspräsidien:
NZZ, 3.12.07.
[64]
NZZ, 24.11. und 3.12.07. Bei der Bundesratswahl vom 12. Dez. zog Recordon seine Kandidatur zugunsten von Widmer-Schlumpf (svp) zurück.
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