Année politique Suisse 2007 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Das Parlament verabschiedete in der Herbstsession die Vorlage über die
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts. Als Zweitrat hatte sich der Nationalrat in der Sommersession mit dieser neuen Strafprozessordnung auseinandergesetzt. Zuerst lehnte er mit klarem Mehr einen von den Grünen und einigen welschen Freisinnigen und Sozialdemokraten unterstützten Rückweisungsantrag ab. Dieser hatte verlangt, dass entweder anstelle des Staatsanwalts- das Untersuchungsrichterprinzip, wie es vor allem in der Romandie bisher praktiziert wurde, eingeführt wird, oder aber, dass in der Untersuchungsphase die Polizeikompetenzen ab- und die Verteidigerrechte ausgebaut werden. Entsprechende Anträge der Linken für eine Einschränkung der Kompetenzen des Staatsanwalts und der Polizei und verbesserte Verteidigerrechte scheiterten dann auch in der Detailberatung. Eine Differenz zum Ständerat schuf der Rat mit der Bestimmung, dass bei polizeilichen Einvernahmen eine vorläufig festgenommene Person das Recht hat, frei mit ihrer Verteidigung zu kommunizieren. Bei der
Mediation lehnte die Mehrheit des Nationalrats gegen den Widerstand der Linken das neue Institut der Mediation ab. Gemäss Beschluss der grossen Kammer kann der Staatsanwalt bei Antragsdelikten die Parteien immerhin zu einer Vergleichsverhandlung einladen. Für Offizialdelikte ist jedoch kein Vergleich und schon gar keine Mediation vorgesehen. Nach Ansicht des Nationalrats würde die vom Ständerat beschlossene Lösung, den Kantonen individuell zu erlauben, eine Mediationsstelle einzuführen (Art. 217), auch der Zielsetzung der nationalen Vereinheitlichung der Strafprozessordnung widersprechen. In der Differenzbereinigung hielt der Ständerat zuerst an seiner Lösung fest, konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Nationalrat überwies in diesem Zusammenhang auch eine Motion seiner Rechtskommission, die den Juristen in einer Unternehmung dieselben Rechte und Pflichten (d.h. vor allem Berufsgeheimnis und Zeugnisverweigerungsrecht) zuerkennen will wie den freiberuflichen Anwälten
[27].
Im Anschluss an die Verabschiedung der neuen Strafprozessordnung machte sich der Ständerat an die vom Bundesrat in der gleichen Botschaft von 2005 vorgeschlagene Vereinheitlichung der
Jugendstrafprozessordnung. Nachdem vor allem die kleinen Kantone befürchtet hatten, den neuen Anforderungen in personeller und finanzieller Hinsicht nicht gewachsen zu sein, hatte der Bundesrat seine Vorschläge seit der Publikation der Botschaft überarbeitet. Insbesondere hatte er auf die ursprüngliche Absicht verzichtet, das in der Romandie, Bern und Thurgau übliche Jugendrichtermodell für alle Kantone verbindlich zu erklären. Zugelassen soll weiterhin auch das Jugendanwaltsmodell bleiben. Gegen den Antrag seiner Rechtskommission stellte sich der Ständerat hinter die vom Bundesrat vorgeschlagene Einrichtung von Mediationsstellen. Er nahm auch sonst am Projekt der Regierung nur kleinere Änderungen vor
[28].
[27]
AB NR, 2007, S. 933 ff., 987 ff., 1020 ff., 1389 ff., 1576 ff. und 1731;
AB SR, 2007, S. 715 ff., 825 ff. und 950;
BBl, 2007, S. 6977 ff.;
LT, 15.6.07 und
24h, 19.6.07 (Opposition aus der Romandie). Vgl.
SPJ 2006, S. 23. Motion:
AB NR, 2007, S. 969.
[28]
AB SR, 2007, S. 1061 ff.;
NZZ, 23.8.07. Vgl.
SPJ 2005, S. 25.
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