Année politique Suisse 2007 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Wettbewerb
Die Vorsteherin des Volkswirtschaftsdepartements, Doris Leuthard, trieb die Vorarbeiten für die Einführung des so genannten
Cassis-de-Dijon-Prinzips für Waren aus der EU (d.h. die volle Anerkennung der Zulassungsprüfungen und Deklarationsvorschriften ihrer Herkunftsländer, auch wenn deren Bestimmungen von den schweizerischen abweichen) weiter voran. Gegen Jahresende gab der Bundesrat die Liste der Ausnahmen bekannt, bei denen er von diesem Prinzip der freien Einfuhr abweichen möchte. Insgesamt sind es nicht wie zuerst von der Verwaltung gefordert 128, sondern nur noch 18. Sie betreffen Bereiche, wo das Interesse am Schutz der Umwelt oder der Gesundheit als prioritär eingestuft wurde. So etwa bei den Warnungen vor gesundheitlichen Risiken auf den Zigarettenpäckchen, oder der Kennzeichnung von Eiern, die von Hühnern aus der in der Schweiz nicht erlaubten Käfighaltung stammen. Da diese Hinweise aber nicht mehr in zwei sondern nur noch in einer Amtssprache angegeben werden müssen, würde der Import auch bei diesen Ausnahmen massiv vereinfacht. Ob konsequenterweise auch auf die von Konsumenten und Landwirten verteidigte Herkunftsdeklaration verzichtet werden soll, liess der Bundesrat noch offen
[18].
In der Frage der
Parallelimporte patentgeschützter Güter folgte der Ständerat dem Entscheid des Nationalrats aus der Dezembersession des letzten Jahres, dieses Problem nicht im Rahmen der laufenden Revision des Patentrechts zu behandeln. Er überwies dazu eine Motion der Rechtskommission des Nationalrats, die verlangt, dass der Bundesrat seinen Antrag für eine Beibehaltung des Verbots der Parallelimporte nochmals überprüft, und er dem Parlament bis Ende 2007 eine neue, spezielle Botschaft zuleiten soll. Die
Regierung kam dieser Forderung nach und legte kurz vor Jahresende ihren Antrag vor. Sie blieb dabei bei ihrem ursprünglichen Vorschlag, am Prinzip der nationalen Erschöpfung festzuhalten und das auf einem Bundesgerichtsurteil basierende
Verbot des Parallelimports patentgeschützter Waren im Patentgesetz zu verankern. Eine Aufhebung des Verbots würde nach Ansicht des zuständigen Justizministers Blocher, der die bundesrätliche Vorlage mit Engagement vor den Medien vertrat, den Forschungsstandort Schweiz gefährden. Als einzige Lockerung sieht der Bundesrat vor, dass bei Produkten, die aus mehreren Komponenten bestehen, dieser Schutz vor Parallelimporten nur dann gelten soll, wenn die patentgeschützten Teile funktionswichtig sind. In der im Frühjahr durchgeführten Vernehmlassung hatten sich die FDP und die SVP sowie die Organisation der Pharmaindustrie hinter den Bundesrat gestellt. Für eine Liberalisierung sprachen sich die SP, die Grünen, die CVP sowie die grossen Detailhändler und die Konsumentinnenorganisation aus
[19]. Im Rahmen der im Berichtsjahr zu Ende beratenen Revision des Landwirtschaftsgesetzes stimmte auch der Nationalrat der Zulassung des Parallelimports patentgeschützter Agrarproduktionsmittel (Saatgut, Traktoren, Dünger etc.) zu
[20].
Die WAK des Nationalrats legte einen Vorschlag zur Liberalisierung des Sonntagsverkaufs vor. Konkret beantragte sie eine Teilrevision des Arbeitsgesetzes, um zu ermöglichen, dass das
Verkaufspersonal an bis zu vier Sonntagen beschäftigt werden kann, ohne dass für die Durchführung eines Sonntagsverkaufs ein Bedarfsnachweis erbracht werden muss. An wie vielen von diesen vier Sonntagen die Geschäfte effektiv geöffnet sein und welche es sein werden, legen die Kantone in ihren kantonalen Gesetzen über die Ladenöffnungszeiten selbst fest. Die Aktivität der WAK ging auf eine 2003 eingereichte und in der Folge von den WAK beider Parlamentskammern unterstützte parlamentarische Initiative Kurt Wasserfallen (fdp, BE) zurück. Auslöser für diesen Vorstoss war ein Urteil des Bundesgerichts gewesen, das verlangt hatte, dass auch für die zur Gewohnheit gewordenen Sonntagsverkäufe in der Vorweihnachtszeit ein Bedarfsnachweis für jeden einzelnen Verkaufstag zu erbringen ist. Der Bundesrat unterstützte die Kommissionsvorschläge, die Vertreter der SP und der GP bekämpften sie sowohl in der WAK als auch im Nationalrat. Obwohl die Linke Unterstützung durch die EVP/EDU-Fraktion erhielt, setzte sich der Vorschlag der WAK durch. Die Linke opponierte auch im Ständerat, konnte sich aber auch hier nicht durchsetzen, und die Gewerkschaft Unia machte ihre während und nach den Beratungen vorgebrachte Referendumsdrohung nicht wahr
[21].
Der Ständerat überwies eine Motion Kaufmann (svp, ZH), welche verlangt, dass in Zukunft zollfreie
Einkäufe in den Duty-free-Geschäften auf den Flughäfen nicht nur beim Abflug, sondern auch bei der Ankunft möglich sein sollen. Als unterstützendes Argument wurden unter anderem die verschärften Sicherheitskontrollen, die den Transport von Getränkeflaschen im Handgepäck praktisch verunmöglichen, ins Feld geführt. Der Bundesrat war mit der Motion einverstanden, machte aber darauf aufmerksam, dass die rechtliche Umsetzung nicht einfach sein wird, da davon sowohl die Alkohol- und Tabaksteuergesetzgebung als auch die Mehrwertsteuer betroffen wären
[22].
Der Nationalrat lehnte es mit 68 zu 67 Stimmen ab, einer parlamentarischen Initiative Rossini (sp, VS) Folge zu geben, welche eine Einschränkung der Werbung für
Konsumkredite und der Verwendung von
Kreditkarten verlangte. Das von der Linken und einer Mehrheit der CVP unterstützte Anliegen wollte unter anderem mit einem Verbot der Abgabe von Kreditkarten an Minderjährige letztere vor dem Anhäufen von Schulden schützen. Gemäss einer im Berichtsjahr publizierten Studie ist rund ein Drittel der 18-24jährigen verschuldet, zumeist allerdings nur mit geringen Beträgen
[23].
Der Nationalrat beschloss gegen die Stimmen der Linken, einer parlamentarischen Initiative seiner GPK für einen stärkeren Konsumentenschutz bei
Internetkäufen keine Folge zu geben. Da im Gegensatz etwa zu Haustürverkäufen keine Gefahr der Überrumpelung durch aufdringliche Verkäufer bestehe, gebe es auch keinen Anlass, besondere Schutzbestimmungen wie ein Widerrufsrecht und ähnliches einzuführen. Die GPK hatte ihre Initiative 2006 eingereicht, nachdem der Bundesrat auf ihren Vorschlag, für diesen Bereich Sonderbestimmungen zu erlassen, nicht eingetreten war
[24].
[18]
BZ und
TA, 1.11.07. Vgl.
SPJ 2006, S. 94.
[19]
AB SR, 2007, S. 172 ff.;
BBl, 2008, S. 303 ff. (neue Botschaft);
BaZ, 19.4. und 2.7.07 (Vernehmlassung);
NZZ und
TA, 22.12.07 (Botschaft). Zur Lobby der Pharmaindustrie im Parlament siehe
TA, 29.6.07. Zum Missbrauch des Patentrechts zur Verhinderung von Parallelimporten durch das Hinzufügen von patentierten, aber unwichtigen Elementen siehe
TA, 15.6.07. Zu der im Berichtsjahr abgeschlossenen Patentrechtsrevision siehe unten, Teil I, 8a (Forschung). Vgl.
SPJ 2006, S. 95.
[20]
TA, 15.3.07. Siehe dazu unten, Teil I, 4c (Politique agricole).
[21]
BBl, 2007, S. 4261 ff. und 4269 ff. (BR);
AB NR, 2007, S. 1413 ff. und 2074;
AB SR, 2007, S. 1003 ff. und 1210;
TA, 24.11. und 6.12.07 (Referendumsdrohung).
[22]
AB SR, 2007, S. 812.
[23]
AB NR, 2007, S. 1447 ff.;
NZZ, 19.6.07 (Studie).
[24]
AB NR, 2007, S. 2053. Siehe
SPJ 2005, S. 95.
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