Année politique Suisse 2007 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Luftreinhaltung
Der Bund will auf das Jahr 2010 die Energie-Etikette für Autos zu einer Umwelt-Etikette weiterentwickeln. Damit sollen künftig umweltfreundliche Fahrzeuge tiefer besteuert werden als Dreckschleudern. Anfang Juli wurde den Kantonen, Verbänden und der Verwaltung ein Prototyp der Kriterien zur Verfügung gestellt, um deren Tauglichkeit zu erproben. Der Kriterienkatalog umfasst die Aspekte Klima, Luftschadstoffe, Lärm und Treibstoffherstellung. Die Emissionen werden unabhängig von Fahrzeuggrösse und Gewicht bewertet. Bis Ende 2008 sollen die definitiven Kriterien für die neue Umwelt-Etikette vorliegen [22].
Der Bundesrat hatte im Jahr 2006 einen Aktionsplan zur Bekämpfung der hohen Feinstaubbelastung verabschiedet, im Berichtsjahr begann nun die konkrete Umsetzung. Seit Juni gilt eine Filterpflicht für Dieselmotoren bei gewerbsmässig eingesetzten Schiffen. Alle neuen Schiffe müssen obligatorisch mit einem Partikelfilter ausgestattet werden. Zudem wurden die Grenzwerte für Holzfeuerungen verschärft. Für grosse automatische Anlagen legte der Bundesrat besonders strenge Staubgrenzwerte und damit eine faktische Filterpflicht fest. Sie sollen schrittweise bis 2012 in Kraft treten. Für neue kleinere Holzofen und offene Cheminées gelten ab Januar 2008 rigidere Bestimmungen. Bestehende Holzfeuerungen dieser Leistungsstufe müssen aber nicht ersetzt oder nachgerüstet werden. Industrielle Grossanlagen unterstehen bereits seit Inkrafttreten der geänderten Luftreinhalteverordnung im September den strengen Vorschriften und brauchen ein Filtersystem. Deutlich tiefere Grenzwerte als bisher gelten auch für Anlagen in Zementwerken, der chemischen und holzverarbeitenden Industrie sowie in der Maschinenindustrie oder in Sägereien [23].
Im Aktionsplan war auch vorgesehen, den Euro-5-Russgrenzwert für neue leichte Dieselfahrzeuge 2007 einzuführen. Aufgrund der ablehnenden Stellungnahmen der EU sowie der WTO-Mitglieder Japan und Korea beschloss der Bundesrat die tieferen Emissionsgrenzwerte erst 2009 in Kraft zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt sollen sie auch in der EU schrittweise eingeführt werden. Kleinroller und Minimotorräder ohne Tempobegrenzer werden dagegen ab Januar 2008 nur noch zugelassen, wenn sie die Abgasnorm Euro 03 erfüllen. Dies obwohl die EU selbst die Einführung dieser Abgasnorm auf 2010 verschoben hat [24].
Ende 2007 wurde überdies die schrittweise Einführung von strengeren Russgrenzwerten für Baumaschinen in die Vernehmlassung geschickt [25].
In der Frühjahrssession überwies der Ständerat eine von Jenny (svp, GL) 2005 eingereichte und vom Nationalrat in der Junisession 2006 abgeänderte Motion. Sie fordert den Bundesrat dazu auf, für einen einheitlichen Vollzug der Luftreinhaltevorschriften auf Baustellen, namentlich mittels Partikelfilter, zu sorgen. Damit sollen unter anderem Wettbewerbsverzerrungen zwischen den kantonalen Märkten verhindert werden [26].
Gegen den Antrag des Bundesrates genehmigte das Parlament eine Motion der Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission des Nationalrats zur Senkung der Emissionen von in der Schweiz neu immatrikulierten Personenwagen. Ab 2012 sollen für neu immatrikulierte Autos die Abgasnormen der EU übernommen werden [27] .
In der Sommersession gab der Ständerat der Motion Jenny (svp, GL) statt, welche fordert, alle Dieselmotoren bis 2010 mit den besten verfügbaren Technologien zur Minderung der Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden auszurüsten. Der Nationalrat stimmte der Motion in der Herbstsession in geänderter Form zu. Gemäss dem neuen Wortlaut soll das Ziel EU-kompatibel und mit praxistauglichen Übergangsvorschriften und Anreizsystemen bis zum Jahr 2013 realisiert werden. Der Ständerat wird sich daher 2008 nochmals mit dem Vorstoss befassen müssen [28].
Eine Motion Donzé (evp, BE) zur Förderung alternativer Fahrzeugantriebe, wie beispielsweise Wasserstoff, wurde in der Frühjahrssession vom Nationalrat gutgeheissen. Der Ständerat lehnte den Vorstoss in der Herbstsession jedoch ab [29].
Der Nationalrat überwies zudem eine Motion der Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission des Ständerates. Mit dem Vorstoss wird der Bundesrat beauftragt, regelmässige Lärmtests für Motorräder und Motorfahrräder einzuführen und eine zuverlässige Umweltetikette für diese Fahrzeuge zu entwickeln [30].
Klar Verworfen wurde eine parlamentarische Initiative Teuscher (gp, BE) für eine Begrenzung der Zulassung von schweren Geländewagen [31].
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Umsetzung des CO2-Gesetzes
Im März hiess das Parlament nach langen Beratungen die CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen gut. Im Juni stimmte der Bundesrat dem Vorschlag des Parlaments zu und passte die CO2-Verordnung entsprechend an [32].
Die Räte hatten die Abgabe unter der Bedingung verabschiedet, dass sie vom Bundesrat abhängig von der schrittweisen Zielerreichung bei der Verminderung der CO2-Emissionen in drei Stufen eingeführt wird. Weil die im Juni veröffentlichten CO2-Statistiken zeigten, dass die Schweiz 2006 das fixierte Reduktionsziel von 6% nicht erreicht hatte, wird ab Januar 2008 eine Abgabe von 12 Franken pro Tonne Kohlendioxid-Emissionen erhoben. Das entspricht 3 Rappen pro Liter Heizöl und 2,5 Rappen pro Kubikmeter Gas. Falls die Reduktionsziele auch in Zukunft verfehlt werden, wird die Abgabe 2009 verdoppelt und 2010 verdreifacht. Der Ertrag wird an die Haushalte und Unternehmen zurückerstattet [33].
Unternehmen mit hohem Energiebedarf können eine Befreiung von der Abgabe beantragen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dazu müssen sie mit dem Bund eine formelle Verpflichtung zur Emissionsreduktion abschliessen. 970 Unternehmen haben beim Bundesamt für Umwelt um eine Abgabebefreiung für 2008 ersucht. Für die befreiten Unternehmen kann 2008 auch der nationale Handel mit Emissionsgutschriften beginnen. Wenn sie weniger CO2 ausstossen als in den Reduktionsverpflichtungen festgelegt, können sie Emissionsgutschriften verkaufen, wenn sie dagegen mehr emittieren, müssen sie Gutschriften erwerben. Sämtliche Käufe und Verkäufe von Gutschriften werden in einem nationalen Register erfasst [34].
Die Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission des Nationalrats arbeitete im Berichtsjahr einen Vorschlag aus, um die CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen teilweise in eine Steuer umzuwandeln und bis zu 200 Mio Fr. jährlich zur Förderung von Gebäudesanierungen einzusetzen. Gegenwärtig ist sie als reine Lenkungsabgabe ausgestaltet und wird vollständig an die Bevölkerung und Wirtschaft zurückerstattet; das Ratsplenum hatte eine Zweckbindung 2006 abgelehnt. Der Entwurf war Ende 2007 noch bei den Kantonen, Parteien und Verbänden in der Vernehmlassung [35].
Das Parlament überwies im Berichtsjahr die Motion Lustenberger (cvp, LU), welche den Bundesrat auffordert, darauf hinzuwirken, dass verbautes Holz im Rahmen des Kyoto Protokolls als CO2-Senke anrechenbar wird [36].
Die Stiftung Klimarappen teilte dem Uvek im Juni verbindlich mit, dass sie ihre CO2-Reduktions-Ziele erreichen werde. Sie hatte sich zu einer Senkung um 9 Mio Tonnen CO2 im Zeitraum von 2008 bis 2012 verpflichtet und kann nun mit Programmen im Inland und mit dem Kauf von so genannten Kyoto-Zertifikaten sogar 12,8 Mio Tonnen einsparen. Davon entfallen 2,6 Mio Tonnen auf die Schweiz und 10,2 Mio Tonnen aufs Ausland. Dieser definitive Massnahmenplan löste gemischte Reaktionen aus. Die Wirtschaftsverbände, der Verband des Strassenverkehrs und die Erdölindustrie bezeichneten den Klimarappen als hervorragendes Beispiel für einen effizienten Klimaschutz. SP, Grüne und Umweltverbände hielten dagegen, dass der Klimarappen die steigenden Verkehrsemissionen nicht reduzieren könne und forderten die Einführung einer CO2-Abgabe auf Treibstoffen [37].
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Alternative Treibstoffe
In der Frühjahrssession bereinigten die Räte das Mineralölsteuergesetz. Treibstoff, der die Umwelt weniger stark belastet, wird künftig steuerlich begünstigt. Auf Erd- und Flüssiggas sinkt die Belastung um 40 Rappen pro Liter und Treibstoffe aus erneuerbaren Energiequellen werden ganz von der Steuer befreit. Der Ertragsausfall wird mit einer Steuererhöhung auf Benzin kompensiert.
Der Nationalrat beschloss in der Differenzbereinigung mit 95 zu 58 Stimmen an der steuerlichen Gleichbehandlung von Erd- und Flüssiggas festzuhalten. Er sprach sich ferner dagegen aus, eine Mindestquote für die Beimischung von Treibstoffen aus erneuerbaren Energien zu Benzin und Diesel festzulegen und die steuerliche Begünstigung von Biotreibstoffen von sozial annehmbaren Produktionsbedingungen abhängig machen. Ein Antrag der Grünen Fraktion, sich in diesen beiden Punkten der kleinen Kammer anzuschliessen, wurde mit 103 zu 70 Stimmen verworfen. Das Geschäft ging zurück an den Ständerat. Dieser schloss sich bei der Besteuerung von Erd- und Flüssiggas dem Nationalrat an und strich auch die Bestimmung, wonach der Bundesrat die Kompetenz erhalten soll, eine Mindestbeimischung von Biotreibstoffen in fossile Treibstoffe festzulegen. Bei der letzten verbleibenden Differenz – der Verknüpfung der Steuerbefreiung von Treibstoffen aus erneuerbaren Energien mit dem Erfordernis sozial annehmbaren Produktionsbedingungen – akzeptierte der Nationalrat schliesslich den Beschluss der kleinen Kammer [38].
Im August unterbreitete der Bundesrat den Verordnungsentwurf zum revidierten Mineralölsteuergesetz. Die Ökoklausel wurde dahingehend interpretiert, dass die ökologische Gesamtbilanz als positiv gilt, wenn die Treibstoffe aus erneuerbaren Rohstoffen vom Anbau bis zum Verbrauch mindestens 40% weniger Treibhausgasemissionen verursachen und die Umwelt nicht erheblich mehr belasten als fossiles Benzin. Überdies wird davon ausgegangen, dass alle Treibstoffe, die aus biogenen Abfällen, aus Gras, aus Zuckerrüben und aus Raps gewonnen werden, diese Anforderung von vornherein erfüllen. Die vom Gesetz verlangte Voraussetzung von sozial annehmbaren Produktionsbedingungen und die Bevorzugung von inländischen gegenüber ausländischen Treibstoffen aus Biomasse wurden im Verordnungsentwurf nicht umgesetzt [39].
Der Ständerat hiess in der Sommersession ein Postulat Büttiker (fdp, SO) gut, welches mehr Transparenz bei den Biotreibstoffen fordert. Der Bundesrat soll verpflichtet werden, periodisch über die effektive Beimischung von Treibstoffen aus erneuerbaren Rohstoffen und die Entwicklung des inländischen Angebotes an Biotreibstoffen zu berichten [40].
Eine Untersuchung der Forschungsanstalt EMPA zur Ökobilanz von Biotreibstoffen zeigte, dass diese nicht immer umweltfreundlicher sind als fossile Treibstoffe. Zwar kann gemäss der Studie mit praktisch allen Biotreibstoffen der Ausstoss von Treibhausgasen deutlich gesenkt werden. Der Anbau und die Verarbeitung der Rohstoffe können aber gravierende andere Umweltbelastungen bewirken, z.B. indem durch die Brandrodung von Regenwald grosse Mengen CO2 freigesetzt werden. Beim Anbau in gemässigten Zonen sind vor allem der grosse Düngereinsatz und die mechanische Bearbeitung des Bodens problematisch. Die ökologische Gesamtbilanz wurde nur bei Biotreibstoffen aus Abfällen, wie Jauche, Altspeiseöl und Grünabfälle besser bewertet als diejenige fossiler Treibstoffe [41].
 
[22] NZZ und TG, 23.7.07.
[23] BaZ, 3.5.07 (Schiffsmotoren); NZZ, 5.7.07; BaZ und Bund, 29.10.07 (Holzfeuerungen, Zementwerke, Maschinenindustrie und Sägereien). Vgl. SPJ 2006, S. 166 f.
[24] AZ, 27.3.07; NZZ, 31.5.07 (Dieselfahrzeuge); TG, 11.9.07; TA, 13.9.07 (Kleinroller).
[25] NZZ, 1.12.07.
[26] AB SR, 2007, S. 66 f. Vgl. SPJ 2006, S. 167 f.
[27] AB NR, 2007, S. 505; AB SR, 2007, S. 930 f.
[28] AB SR, 2007, S. 620; AB NR, 2007, S. 1839.
[29] AB NR, 2007, S. 500; AB SR, 2007, S. 931.
[30] AB NR, 2007, S. 1558 f. Vgl. SPJ 2006, S. 168.
[31] AB NR, 2007, S. 2037.
[32] AB NR, 2007, S. 594; AB SR, 2007, S. 308 f.; BBl, 2007, S. 3377. Über die stufenweise Einführung der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen hatten sich die Räte bereits 2006 geeinigt, vgl. SPJ 2006, S. 168 f. In der Differenzbereinigung während der Frühjahrssession 2007 wurde nur noch über die klimapolitischen Auflagen für Gaskombikraftwerke debattiert, vgl. oben, Teil I, 6a (Erdöl und Erdgas). BBl, 2007, S. 3377 (Beschluss des BR).
[33] Lib., SGT und TA, 29.6.07.
[34] AZ, NZZ und TA, 20.11.07.
[35] NZZ, 14.11.07.
[36] AB NR, 2007, S. 495; AB SR, 2007, S. 931.
[37] NZZ, 29.6. und 30.6.07; AZ und TA, 30.6.07.
[38] AB NR, 2007, S. 58 ff., 308 und 598; AB SR, 2007, S. 120 ff. und 311. Vgl. SPJ 2006, S. 170.
[39] BaZ, 29.8., 30.8. und 15.11.07.
[40] AB SR, 2007, S. 547 f.
[41] AZ, BZ und SGT, 23.5.07.