Année politique Suisse 2007 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Forschung
Zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln und insbesondere zum Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft siehe oben, Teil I, 4c (Produits alimentaires).
Eine Motion Leumann-Würsch (fdp, LU) beauftragte den Bundesrat, die Ressortforschung im Bereich des Nebeneinanders von gentechnisch veränderten und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen in der Schweiz durch praktische
Feldversuche und andere geeignete Massnahmen zu intensivieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Umsetzung der Koexistenzverordnung einfliessen zu lassen. Grund zu der Motion hatten die Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung über das Gentech-Moratorium zur Frage, ob die Koexistenz von gentechnisch veränderten und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen in der Schweiz möglich sei, gegeben. Dies soll mittels der geforderten praktischen Feldversuche gelöst werden. Die beiden Kammern folgten der Empfehlung des Bundesrates und nahmen die Motion an
[69].
Zwei Jahre nach der Volksabstimmung über das temporäre Verbot des Anbaus von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in der Landwirtschaft stellte der Nationalfonds die bewilligten Projekte des
Nationalen Forschungsprogramms 59 (NFP 59) vor. In diesem Rahmen werden die „Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen“ untersucht. Die Ergebnisse des Programms sollen Grundlagen schaffen, um vor Ablauf des Gentech-Moratoriums im Jahr 2010 über die weiteren Schritte entscheiden zu können. Es wurde eine ganze Palette von Projekten, die mit insgesamt 9 Mio Fr. unterstützt werden, bewilligt. Darunter fallen einerseits Projekte im Bereich Pflanzenbiotechnologie und Umwelt, wo beispielsweise der Einfluss von gentechnisch veränderten Organismen auf die Ökologie der Böden, auf die Biodiversität und Wildpflanzen untersucht wird. Hier ist auch ein umstrittenes Weizenprojekt angesiedelt, bei dem man versucht, den Weizen mit Hilfe der Gentechnologie gegen Mehltau resistent zu machen und auf welches im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen wird. Finanziert werden auch Projekte, die sich mit politischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der Gentechnik auseinandersetzen wie auch solche im Bereich „Risiko und Entscheidungsprozesse“
[70].
Gentechnikforscher erhielten die Bewilligung, in Reckenholz bei Zürich und in Pully bei Lausanne versuchsweise gentechnisch veränderten Weizen anzupflanzen. Die Verantwortlichen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) lehnten 29 Einsprachen gegen die Projekte der ETH und der Universität Zürich ab. Der Bafu-Direktor war überzeugt, dass die Projekte besseren Aufschluss darüber geben könnten, wie pilzresistent gentechnisch veränderter Weizen ist. Allerdings betonte er die strengen Auflagen, unter denen in Zürich-Reckenholz und in Pully von 2008-2010 Genweizen angepflanzt wird. Die Versuche laufen im Rahmen des NFP 59. Gegen diese
Freisetzungsversuche gab es heftigen Protest von Umweltverbänden und den Initianten des Moratoriums
[71].
In der Sommersession wurden die Beratungen zur Ausführungsverordnung des Patentrechtsvertrages sowie zur Änderung des
Patentgesetzes, welche 2006 aufgenommen worden waren, fortgesetzt und abgeschlossen. Im Zentrum stand bei diesen Vorlagen die Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen. Weitere wesentliche Aspekte der Revision waren die Genehmigung des Patentrechtsvertrages zur Harmonisierung der Formalitäten im Patentrecht sowie die Umsetzung der Entschliessung der Welthandelsorganisation zur Verbesserung der Verfügbarkeit pharmazeutischer Produkte in Entwicklungsländern
[72].
Während die Vorlage im Nationalrat sehr umstritten gewesen war und die Meinungen weit auseinander gingen, gab die Vorlage im
Ständerat weniger zu reden. Dieser stimmte allen Beschlüssen des Nationalrates zu und eine längere Debatte entzündete sich lediglich bei der Frage, ob bei der Erfindung einer Sequenz, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz eines Gens ableitet, die Wirkung des Patents auch auf Sequenzen in Verbindung mit anderen Funktionen als der zunächst angenommenen bezieht. Aufgrund von Bedenken aus der Wissenschaft beantragte Stadler (cvp, UR) eine Rückweisung von Artikel 8c, welcher den Geltungsumfang von Ansprüchen auf Nukleotidsequenzen (DNA-Sequenzen) festlegt. Diesem Vorhaben leistete der Ständerat allerdings keine Folge
[73].
Während der Ständerat die erste Vorlage (Bundesgesetz über die Erfindungspatente) in der
Schlussabstimmung mit 27 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen guthiess und die zweite Vorlage (Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrages und der Ausführungsordnung) einstimmig annahm, lehnten im Nationalrat die Sozialdemokraten und die Grünen beide Vorlagen ab. Dadurch wurde die erste Vorlage mit lediglich 110 zu 62 Stimmen und die zweite mit 113 zu 44 Stimmen angenommen
[74].
[69]
AB NR, 2007, S. 1326 f.;
AB SR, 2007, S. 104.
[71]
TA, 5.9.07. Die im Vorjahr vom NR beschlossene Ausklammerung der Frage der patentrechtlichen Erschöpfung (Parallelimporte) fand auch im SR Zustimmung. Siehe dazu oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).
[72]Vgl.
SPJ 2006, S. 239.
[73]
AB SR, 2007, S. 434 ff.
[74]
AB NR, 2007, S. 1160
; AB SR, 2007, S. 658.
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