Année politique Suisse 2007 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
 
Kulturpolitik
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Allgemeine Kulturpolitik des Bundes
Nach einer längeren Vorlaufphase verabschiedete der Bundesrat im Frühsommer die Entwürfe zu einem neuen Kulturförderungsgesetz und zu einem revidierten Pro-Helvetia-Gesetz zuhanden des Parlaments. Mit diesen Rechtsgrundlagen wird eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Kantonen und der Schweizer Kulturstiftung angestrebt. Wegleitend dafür ist Art. 69 der Bundesverfassung, wonach die Kantone die Kulturhoheit innehaben. Während das Bundesamt für Kultur (BAK) auf politischer Ebene für die Formulierung der Schwerpunkte im Bereich der Kulturförderung zuständig sein soll, wird Pro Helvetia (siehe unten) vermehrt auf dem Gebiet der Kulturvermittlung und des Kulturaustausches aktiv werden, im Speziellen auch im Ausland. Demgegenüber sollen die Kantone und die Städte künstlerisches Schaffen in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen direkt unterstützen. Auf Werkbeiträge von Pro Helvetia soll hier künftig verzichtet werden. Im Rahmen dieser neuen Organisation soll eine Finanzierungsbotschaft alle vier Jahre das Budget und die strategischen Schwerpunkte der Kulturförderung des BAK, der Pro Helvetia sowie des zu gründenden Schweizerischen Nationalmuseums (siehe unten) festlegen. Definitiv verzichtet wurde im Entwurf des Bundesrates auf die Unterstützung bedeutender kantonaler oder städtischer Kultureinrichtungen (so genannte Leuchttürme) und auf Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden [1].
Vor allem bei der SP stiess dieser Entwurf für ein neues Kulturförderungsgesetz auf breiten Widerstand. Die SP sah im Verzicht des Bundes auf die direkte Werkförderung einen eigentlichen Kulturförderungsabbau und war enttäuscht darüber, dass die bundesrätliche Vorlage keine Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit der Kulturschaffenden vorsieht [2].
Bundesrat Pascal Couchepin traf anlässlich des Filmfestivals in Locarno den Kulturminister von Italien. Die beiden Politiker setzten mit dem Austausch einer Note eine Vereinbarung über den Zugang zu staatlichen Kulturinstitutionen beider Länder in Kraft, welche den Schweizern in Italien analog den Besuchern aus EU-Staaten vergünstigte Eintritte in öffentliche Museen garantiert [3].
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Kulturgüterschutz
Die Mitgliedstaaten der UNESCO hatten 2005 angesichts des immer rascher voranschreitenden Globalisierungsprozesses ein Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen verabschiedet. Die Konvention anerkennt die Besonderheit kultureller Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen als Träger von Identitäten, Werten und Sinn eines Landes. Sie bestätigt auch das souveräne Recht der Staaten, Kulturpolitiken zu beschliessen und umzusetzen. Schliesslich erklärt sie den Schutz und die Förderung der kulturellen Ausdrucksformen zu einem Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit. Dieses Übereinkommen unterbreitete der Bundesrat zusammen mit der UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes von 2003 im Berichtsjahr dem Parlament. Dieses zweite Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Massnahmen zum Schutz von traditionellen kulturellen Ausdrucksformen in ihrem Land zu ergreifen. Der Nationalrat stimmte beiden Abkommen praktisch diskussionslos zu. Einzig eine Mehrheit der SVP-Fraktion opponierte, da sie darin eine neue „völkerrechtliche Fessel“ sah, die zu einer Einschränkung der nationalen Souveränität führe [4].
Anders als im Vorjahr stimmten beiden Kammern im Nachtrag II zum Budget 2007 gegen den Antrag des Bundesrates diskussionslos einer Erhöhung um 20 Mio Fr. für die Bereiche Heimatschutz und Denkmalpflege sowie Natur- und Landschaftsschutz zu, um den Verpflichtungen gegenüber den Kantonen nachzukommen. In der Eintretensdebatte regte die SVP erfolglos an, bei den Beiträgen an internationale Organisationen, ans Bundesamt für Bildung und Forschung oder ans BAK entsprechend zu kürzen [5].
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Pro Helvetia
Im neuen Kulturkonzept des Bundes (siehe oben, allgemeine Kulturpolitik des Bundes) werden die Förderungsaktivitäten zwischen Bundesamt für Kultur (BAK) und Pro Helvetia (PH) umverteilt. So wird sich künftig die PH auf den Kulturaustausch in der Schweiz und im Ausland und auf die Vermittlung von Kunst konzentrieren. Das BAK wird für die Ausrichtung von Preisen und Auszeichnungen sowie für die Nachwuchsförderung zuständig sein. Zur Neugestaltung der PH gehört die Beschränkung der Aufgaben des Stiftungsrats auf strategische Entscheide sowie die Reduktion der Anzahl seiner Mitglieder von heute 25 auf 7 bis höchstens 9. Damit trug der Bundesrat den Empfehlungen der parlamentarischen Verwaltungskontrolle Rechnung. Der Entwurf zum revidierten PH-Gesetz respektiert im Übrigen die bisherige Autonomie der Stiftung. Die PH zeigte sich in einer Stellungnahme zufrieden mit dem Gesetzesentwurf und der Aufgabenteilung zwischen ihr und dem BAK [6].
Für die Vierjahresperiode 2008–2011 hatte die Stiftung ein Budget von 143,8 Mio Fr. zur Erfüllung ihres Auftrags im In- und Ausland beantragt, was einer Erhöhung um 6,8 Mio gegenüber dem Rahmenkredit für die Jahre 2004–2007 entsprochen hätte. Abgestimmt auf die Massnahmen des Entlastungsprogramms 2003 beantragte der Bundesrat einen Zahlungsrahmen von 135 Mio Fr. Im Nationalrat unterstützte die Kommissionsmehrheit das höhere Begehren der Pro Helvetia. Gegen den Willen des links-grünen Lagers und eines Teils der FDP-Fraktion wurde mit 90 zu 80 Stimmen aber ein Minderheitsantrag von Häberli-Koller (cvp, TG) angenommen, dem Bundesrat zu folgen. Weitere Minderheitsanträge, die vor allem aus den Reihen der SVP stammten und wie bereits in früheren Jahren eine massivere Kürzung des Rahmenkredits verlangten, wurden abgelehnt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss mit 132 zu 41 Stimmen an. Der Ständerat genehmigte diesen diskussionslos und einstimmig [7].
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Filmförderung
Anlässlich der traditionellen Pressekonferenz beim Filmfestival von Locarno (TI) gab Bundesrat Couchepin die neue Förderungspolitik des Bundes bei den Filmfestivals und die zur Verfügung gestellten Beiträge (rund 2,5 Mio Fr. pro Jahr) für die nächsten drei Jahre bekannt. Von den etablierten grossen Veranstaltungen gehen das Internationale Filmfestival Locarno mit 1,35 Mio Fr. (+150 000) und das Dokumentarfilm-Festival „Visions du réel“ in Nyon (VD) mit 400 000 Fr. (+70 000) gestärkt aus der Förderrunde hervor; die Filmtage Solothurn als Schaufenster fürs nationale Filmschaffen bleiben bei einem Bundesbeitrag von 300 000 Fr. pro Jahr [8].
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Museen
2002 hatte der Bundesrat einen ersten Anlauf genommen, die Musée Suisse Gruppe in eine öffentlich-rechtliche Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit umzuwandeln. Das Parlament hatte diese Botschaft zur Überarbeitung an den Absender zurückgewiesen, weil es eine umfassende und kohärente Museumspolitik des Bundes vermisste. Der im September des Berichtsjahres vorgelegte Entwurf trug dieser Kritik Rechnung. Das Bundesgesetz über die Museen und Sammlungen des Bundes (Museums- und Sammlungsgesetz, MSG) verpflichtet die bundeseigenen Institutionen auf gemeinsame Ziele und erteilt ihnen einen einheitlichen Grundauftrag.
Neben der erstmaligen Festlegung einer kohärenten Zielsetzung enthält die Vorlage wichtige strukturelle Neuerungen. Die bisherige Musée Suisse Gruppe, bestehend aus dem Landesmuseum Zürich, dem Schloss Prangins (VD) und sechs weiteren Museen, soll redimensioniert und in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt verselbständigt werden. Die neue Institution, die den Namen Schweizerisches Nationalmuseum (SNM) tragen soll, wird über drei Museumsstandorte (Zürich, Prangins und Schwyz) sowie ein Sammlungszentrum in Affoltern am Albis (ZH) verfügen. Das SNM soll insbesondere die Geschichte der Schweiz und ihrer Beziehungen zum Ausland vermitteln, sich mit der Identität des Landes auseinandersetzen und seine Kompetenzen anderen Museen zur Verfügung stellen. Im Weiteren sollen die Führungsstruktur des SNM sowie seine Steuerung und Beaufsichtigung durch den Bund modernisiert und an die Corporate-Governance-Grundsätze des Bundes angepasst werden [9].
Der Bundesrat schlug vor, die befristete Rechtsgrundlage für Finanzhilfen des Bundes an das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern bis 2011 zu verlängern und dafür einen Zahlungsrahmen von 5,32 Mio Fr. zu sprechen. Mit dem Inkrafttreten des Kulturförderungsgesetzes (siehe oben), welches unter anderem die Subventionierung von Museen und Sammlungen Dritter, die dem Erhalt des kulturellen Erbes dienen, durch den Bund regelt, wird diese provisorische Rechtsgrundlage aufgehoben werden können. Der Ständerat, der diese Anträge als Erster behandelte, stimmte ihnen oppositionslos zu [10].
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Bibliotheken
Der Bund unterstützt die Stiftung Bibliomedia seit 1921. Ihr Auftrag ist die Sicherstellung und die Verbesserung des Zugangs zu Büchern und Medien in der gesamten Schweiz. 2003 wurde der Stiftung für die Jahre 2003-2007 ein Zahlungsrahmen von 8 Mio Fr. bewilligt, der Ende 2005 allerdings auf 7 Mio Fr. herabgesetzt wurde. Für die Periode 2008-2011 beantragte der Bundesrat noch 6 Mio Fr. Im Nationalrat machte die Sprecherin der Kommissionsmehrheit geltend, das würde gegenüber dem Beschluss von 2003 eine Kürzung um 25% bedeuten, was für eine kleine Institution stark ins Gewicht falle. Auf ihren Antrag wurde mit 86 zu 66 Stimmen der Zahlungsrahmen wieder auf 8 Mio Fr. angehoben. Die Gegenstimmen kamen vor allem aus der SVP und vereinzelt aus der CVP. In der Gesamtabstimmung passierten der Bundesbeschluss und der Leistungsvertrag im Nationalrat mit 127 zu 39 Stimmen, im Ständerat einstimmig [11].
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Buchmarkt
2005 hatte die Wettbewerbskommission die in der Deutschschweiz geltende Buchpreisbindung, den so genannten Sammelrevers, als unzulässige Wettbewerbsabrede qualifiziert. Im März des Berichtsjahres stützte das Bundesgericht diese Auffassung. Der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) gelangte daraufhin mit einem Ausnahmegesuch nach Art. 8 des Kartellgesetzes an den Bundesrat. Gemäss dieser Bestimmung kann der Bundesrat in Einzelfällen Absprachen zulassen, wenn „sie notwendig sind, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen“. Diesen Interessennachweis – beispielsweise eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit guter Literatur – sah der Bundesrat nicht als erbracht an. Er erklärte gegenüber den Medien, er sei davon überzeugt, dass ohne Preisbindung Bücher grundsätzlich billiger würden und die Angebotsvielfalt nicht abnehme. Die kulturpolitischen Interessen, welche die Gesuchsteller anführten, lassen sich laut Bundesrat mit besseren Mitteln als der Buchpreisbindung verwirklichen. Als Beispiel nannte er die Literaturförderung, für die allein auf Bundesebene jährlich 6,7 Mio Fr. ausgegeben werden. Der SBVV zeigte sich vom Entscheid des Bundesrates enttäuscht. Er hatte sich zumindest eine Übergangslösung erhofft, da die WAK des Nationalrates daran ist, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der die Buchpreise ausserhalb des Kartellgesetzes regeln soll [12].
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Urheberrecht
Im Berichtsjahr wurde die durch die 1997 erfolgte Ratifizierung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum notwendig gewordene Teilrevision des Urheberrechts abgeschlossen. Wie schon im Ständerat war auch im Nationalrat Eintreten auf beide Vorlagen unbestritten. In der Detailberatung zeigte sich erneut der schwierige Balanceakt, sowohl den Rechten der Künstler, der Produzenten und denen der Nutzer im digitalen Bereich gerecht zu werden. In den wesentlichen Punkten schloss sich der Rat der kleinen Kammer an. Er befürchtete ebenfalls eine Kriminalisierung der Nutzer und lehnte mehrere Minderheitsanträge der bürgerlichen Seite ab, die sich für einen verschärften Schutz der Urheberinteressen aussprachen. Der Nationalrat sah davon ab, die seit kurzem auf digitalen Speichermedien wie MP3-Playern erhobene Urheberrechtsgebühr, die von Kritikern als doppeltes Abkassieren der Konsumenten angeprangert wird, in die laufende Revision einzubeziehen. Verschiedene Redner betonten aber, dass Handlungsbedarf bestehe und man für diese vom Bundesgericht genehmigte Abgabe auf digitalen Speichermedien eine vernünftige Lösung finden müsse. Der Nationalrat schuf mehrere Differenzen zum Ständerat, von denen aber nur eine von gewisser Bedeutung war (zusätzliche Schutzmassnahme für Sendeunternehmen). Nachdem die kleine Kammer eingelenkt hatte, wurden die beiden Vorlagen in den Schlussabstimmungen genehmigt [13].
 
[1] BBl, 2007, S. 4819 ff.; Presse vom 9.6.07.
[2] NZZ und TA, 9.6.07. Die SP hatte bereits im Februar in einem Positionspapier eine bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Kulturschaffenden gefordert. Diese seien in den meisten Fällen Selbständigerwerbende mit geringem Einkommen und damit v.a. im Alter schlecht geschützt (Presse vom 20.2.07).
[3] BüZ, 6.8.07.
[4] BBl, 2007, S. 7251 ff. und 7297 ff.; AB NR, 2007, S. 1793 ff.
[5] AB SR, 2007, S. 989; AB NR, 2007, S. 1935; BBl, 2008, S. 1293 f.
[6] BBl, 2007, S. 4857 ff.; Presse vom 9.6.07.
[7] BBl, 2007, S. 1939 ff.; AB NR, 2007, S. 1259; AB SR, 2007, S. 1110 f.
[8] BaZ, BZ und SGT, 4.8.07.
[9] BBl, 2007, S. 6829 ff.; Presse vom 5.4. und 22.9.07. Siehe SPJ 2005, S. 236. Der Direktor des Landesmuseums begrüsste den Entwurf des BR (Presse vom 5.4.07).
[10] BBl, 2007, S. 6669 ff.; AB SR, 2007, S. 1097.
[11] AB NR, 2007, S. 356 ff. und 1734; AB SR, 2007, S. 875 und 952; AS, 2008, S. 319 f.
[12] Presse vom 2.3. und 3.5.07; NZZ, 18.3. und 5.4.07. Siehe SPJ 2006, S. 245.
[13] AB NR, 2007, S. 1196 ff., 1346 ff. und 1732; AB SR, 2007, S. 819 f. und 950; AS, 2008, S. 2421 ff. und 2497 ff. Siehe SPJ 2006, S. 245.