Année politique Suisse 2008 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Grüne Partei (GP)
Nach Ruth Genners Rücktritt als Parteipräsidentin stand zu Beginn des Jahres die Regelung der Nachfolge für das Präsidium an. Ueli Leuenberger (NR GE), Vizepräsident der Grünen, meldete sein Interesse an. Er wollte sich allerdings nur als alleiniger Präsident und nicht für ein Ko-Präsidium zur Verfügung stellen. Konkurrenz erwuchs ihm durch Franziska Teuscher (NR BE), die umgekehrt nur für ein Ko-Präsidium kandidierte. Die abtretende Genner hatte sich explizit ein Ko-Präsidium mit einer Frau und einem Mann gewünscht. In der Grünen Partei, welche die Frauenvertretung in der Parteileitung stets als wichtiges Anliegen gesehen hatte, wurde heiss diskutiert, ob ein Mann als alleiniger Präsident denkbar sei. Leuenberger konnte sich letztlich durchsetzen, die Findungskommission empfahl ihn als neuen Präsidenten und der Vorstand der Grünen schloss sich dieser Meinung an. Teuscher zog ihre Kandidatur zurück und stellte sich als Vizepräsidentin zur Verfügung [51].
An der Delegiertenversammlung Ende April in Yverdon (VD) wurde Ueli Leuenberger einstimmig zum neuen Parteipräsidenten gewählt. Der aus dem Kanton Bern stammende, aber seit fast 40 Jahren in Genf lebende Leuenberger wurde vor allem durch seinen Einsatz im Bereich Migrationspolitik bekannt. Als seine Ziele nannte Leuenberger eine zentralisiertere Organisation und eine bessere Koordination mit den Kantonalparteien sowie eine Erhöhung der Initiativ- und Referendumsfähigkeit der Partei. Zudem sollen die Fachleute für verschiedene Themen innerhalb der Partei besser vernetzt werden. Die Partei solle mittelfristig 15% Wähleranteil erreichen und in der Landesregierung Einsitz nehmen. Franziska Teuscher und Aline Trede (als Vertreterin der Jungen Grünen) wurden zu Vizepräsidentinnen der Partei gewählt. Die abtretende Präsidentin Ruth Genner zog eine positive Bilanz ihrer sechsjährigen Amtszeit. Hauptthema der Delegiertenversammlung war das weltweite Hungerproblem. Genner kritisierte in diesem Zusammenhang den Anbau von Pflanzen zur Produktion von Treibstoff. Die Grünen verabschiedeten zudem drei Resolutionen: Erstens forderten sie den Verzicht auf den Bau neuer Atomkraftwerke und eine Abschaltung der bestehenden Werke. Zweitens verlangten sie, die Finanzierung für die Bahn-2000-Projekte der zweiten Etappe müsse bereitgestellt werden. Drittens forderten die Grünen, der Bundesrat solle das repressive Vorgehen Chinas gegen die Tibeter verurteilen. Die Delegierten lehnten weiter die drei Abstimmungsvorlagen Gesundheitsartikel, Einbürgerungsinitiative und Initiative „gegen Behördenpropaganda“ ab. Zudem wurde die „Grüne Bewegung Uri“ nach 14 Jahren im Beobachterstatus als Vollmitglied der GPS aufgenommen [52].
Im Juni änderte das „Demokratische Nidwalden“ seinen Namen in „Grüne Nidwalden“ [53].
Im August feierte die Grüne Partei Schweiz an einer Jubiläumsversammlung in Biel (BE) ihr 25-jähriges Bestehen. Die Delegierten verabschiedeten einstimmig eine Resolution gegen neue Atomkraftwerke in der Schweiz. Sie forderten zudem höhere Fördergelder für Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Die Initiative „Für ein flexibles Rentenalter“ des SGB erhielt mit 136 zu 1 Stimme bei 19 Enthaltungen die Unterstützung der Grünen. Befürwortet wurden auch die Hanfinitiative und das revidierte Betäubungsmittelgesetz, während die Initiative für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern abgelehnt wurde. Die Grünen sprachen sich auch einstimmig gegen die Initiative zum Verbandsbeschwerderecht aus [54].
Anfang Dezember wurde im Kanton Obwalden eine Grüne Partei gegründet. Damit sind die Grünen in allen Kantonen ausser Appenzell Innerrhoden vertreten [55].
Bei der Bundesratswahl für die Nachfolge von Samuel Schmid nominierten die Grünen wie im Jahr zuvor Luc Recordon (VD). Sie zogen aber seine Kandidatur nach dem ersten Wahlgang zugunsten von Hansjörg Walter (svp) zurück, dies mit der Begründung, Recordon habe keine Stimmen erhalten. Die Grünen hatten Recordon selber nicht gewählt [56].
 
[51] TA, 14.1.08; Bund und NZZ, 23.1.08; Bund und BaZ, 24.1.08; NZZ, 25.2. und 16.4.08.
[52] Bund, 21.2.08; NZZ, 24.4.08; BüZ, 25.4.08; BZ, BaZ und TA, 26.4.08; Presse vom 28.4.08.
[53] NZZ, 17.6.08.
[54] SGT, 23.8.08; Bund und NZZ, 25.8.08.
[55] NZZ, 19.12.08.
[56] AB NR, 2008, S. 1995 ff.; Bund, 22.12.08.