Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
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Regierungspolitik
Das Parlament behandelte im Berichtsjahr die Legislaturplanung des Bundesrates 2007–2011. Im Nationalrat kam es in der Sommersession zur Wiederholung der Situation vor vier Jahren, als die beiden grössten Parteien, die SVP und die SP, versuchten, anstelle der bundesrätlichen Zielsetzung die Hauptelemente ihrer eigenen Parteiprogramme zum Legislaturprogramm zu erklären. Sie reichten zu diesem Zweck je einen Rückweisungsantrag an den Bundesrat ein mit der Auflage, eine Liste mit 21 (SVP) resp. 16 (SP) zusätzlichen Zielen in die Legislaturplanung einzubauen. Das Plenum lehnte beide Anträge ab. In der anschliessenden Detailberatung stellten und begründeten die Vertreter der beiden Parteien ihre Anliegen noch einmal als Minderheitsanträge, was in der grossen Kammer zu einer sich über drei Tage hinwegziehenden Debatte führte. Dank dem im Vorjahr beschlossenen neuen Beratungsverfahren für die Legislaturplanung konnten die Differenzen zwischen National- und Ständerat rasch beigelegt werden. Gemäss dieser neuen Regelung gibt es bei diesem Geschäft keine Schlussabstimmung mehr und damit auch keine notwendige Einigung zwischen den beiden Räten. Es wird deshalb nach der ersten Lesung eine Einigungskonferenz über die strittigen Punkte durchgeführt, über deren Anträge dann in den beiden Kammern abgestimmt wird. Lehnt eine der beiden einen Antrag der Einigungskonferenz ab, so wird dieses Element aus dem Programm gestrichen [11].
Die von der GPK-NR vorgeschlagene Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit der Departementsvorsteher bei der parlamentarischen Beratung ihrer Themen im Geschäftsbericht des Bundesrates konnte sich nicht durchsetzen. Es wird weiterhin grundsätzlich der Bundespräsident die Regierung vertreten; allerdings können die Reglemente der beiden Räte etwas anderes vorschreiben. Dieser Kompromiss war zustande gekommen, nachdem die GPK des Ständerates sich gegen die Änderung ausgesprochen hatte. Der Nationalrat nutzte diese Neuerung sofort und entschied mit einer Revision seines Geschäftsreglementes, dass in seinen Debatten über den Geschäftsbericht in der Regel der zuständige Departementsvorsteher für den Bundesrat sprechen soll [12].
Ohne grosse Diskussion gab der Nationalrat mit 152 zu 11 Stimmen einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion Folge, die ein Veto des Parlaments gegen Verordnungen des Bundesrates einführen will. Konkret sieht der Text der Initiative vor, dass jeder Rat über ein Veto zu einer bundesrätlichen Verordnung abstimmt, wenn dies von einem Drittel seiner Mitglieder verlangt wird. Die SPK des Nationalrats unterstützte diesen Antrag, obwohl er von der Schwesterkommission des Ständerats aus Gründen der Gewaltenteilung abgelehnt worden war. Die Mehrheit der SPK-NR begründete ihre Unterstützung des SVP-Anliegens damit, dass in den letzten Jahren die Regierung oft Verordnungen zur Umsetzung von Gesetzen erlassen habe, welche nicht in allen Punkten den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen hätten. Die Erfahrung im Kanton Solothurn, wo diese Regelung seit mehr als zwanzig Jahren besteht, hätte zudem die Praktikabilität dieses Instruments erwiesen [13].
Zur Einschränkung der Informationstätigkeit der Regierung vor Volksabstimmungen siehe unten, Volksrechte.
 
[11] BBl, 2008, S. 753 ff.; AB SR, 2008, S. 245 ff. und 584 ff.; AB NR, 2008, S. 706 ff., 752 ff., 883 f., 1155 ff.; BBl, 2008, S. 8543 ff.; NLZ, 30.5.08. Zum neuen Beratungsmodus siehe SPJ 2007, S. 34.
[12] AB NR, 2008, S. 998 ff., 1576, 1757 und 1978; AB SR, 2008, S. 720 und 831; BBl, 2008, S. 8241. Siehe SPJ 2007, S. 34.
[13] AB NR, 2008, S. 1923 f. In der Frühjahrssession hatte der NR eine pa.Iv. Kunz (svp, LU) für einen Parlamentsentscheid über sämtliche Verordnungen als nicht praktikabel abgelehnt (AB NR, 2008, S. 145 f.).