Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
Die SPK des Nationalrats legte eine parlamentarische Initiative vor, welche Anliegen aus verschiedenen in den letzten Jahren eingereichten Vorstössen von Ratsmitgliedern aufnahm. Das Hauptziel der Vorlage war eine
Aufwertung der Motion und des Postulats in den Verhandlungen des Nationalrats. Durch eine Ausdehnung der Sitzungsdauer und verkürzte Redezeiten in gewissen Eintretensdebatten soll genügend Zeit für die Behandlung von persönlichen Vorstössen gewonnen werden. Vorstösse, die als mehrheitsfähig erscheinen, weil sie bereits von der anderen Ratskammer oder einer Kommissionsmehrheit angenommen worden sind, sollen konsequent prioritär behandelt werden. Das bisherige Vorgehen, Vorstösse von der Traktandenliste zu streichen, wenn sie zwei Jahre nach ihrer Einreichung vom Rat noch nicht behandelt worden sind, soll aufgegeben werden. Über diese würde in Zukunft wieder abgestimmt, allerdings ohne vorangehende Diskussion. Während diese Neuerungen nur den Nationalrat betreffen, schlug die SPK-NR auch einige Änderungen für beide Räte vor. Um Zeit zu gewinnen, soll das Differenzbereinigungsverfahren bei der Vorberatung von parlamentarischen Initiativen durch die Ratskommissionen gestrafft, die Plenumsberatung über in beiden Räten eingereichte identische Kommissionsmotionen gekürzt und auf eine obligatorische Mitwirkung der Finanzkommissionen bei der Vorberatung ausgabenrelevanter Vorlagen verzichtet werden. In diese Sammelvorlage nahm die SPK auch noch die Umsetzung von zwei weiteren parlamentarischen Anliegen auf. Zum einen ging es um eine von Nationalrat Hochreutener (cvp, BE) 2005 eingereichte parlamentarische Initiative, welche eine präzise Regelung des Verfahrens im Falle der Amtsunfähigkeit eines Mitglieds des Bundesrates verlangt. Wir behandeln dieses Thema oben unter dem Titel Regierung. Zum anderen ging es um die Umsetzung der im Vorjahr vom Parlament überwiesenen Motion Markwalder (fdp, BE) für eine generationsverträgliche Politik. Der Bundesrat soll in Zukunft in seinen Botschaften auch ausführen, inwiefern seine Vorschläge mit den Interessen künftiger Generationen vereinbar sind
[21].
Das
Parlament verabschiedete diese neuen Bestimmungen bereits in der Herbstsession. Das Eintreten war im Nationalrat unbestritten und auch in der Detailberatung gab es nur wenige Änderungsanträge. Sehr umkämpft war allerdings die so genannte Guillotineklausel für Motionen und Postulate. Das Ratsbüro opponierte gegen den ursprünglichen Antrag der SPK. Sein Argument, ein Abstimmungsmarathon über alle nach zwei Jahren noch nicht erledigten Vorstösse am Sessionsende sei unzumutbar, überzeugte auch eine Mehrheit der SPK. Diese schlug deshalb in der Ratsdebatte die Beibehaltung des Status quo (automatische Abschreibung) vor und setzte sich damit gegen den Widerstand der SP und der GP durch. Der Ständerat war mit diesen Beschlüssen weitgehend einverstanden. Er lehnte aber die Neuerung ab, dass ein Vorstoss nicht nur von einer einzelnen Person eingereicht werden kann, sondern auch gemeinsam von zwei oder drei Ratsmitgliedern aus verschiedenen Fraktionen. Da diese Lösung, welche den parteiüberschreitenden Charakter einer Intervention hervorheben soll, für den Nationalrat von einer gewissen Bedeutung sein könne, solle er sie jedoch für sich in seinem Ratsreglement einführen dürfen. Nachdem die Parlamentsdienste auf die Kosten der dafür erforderlichen Anpassung der elektronischen Erfassungsformulare hingewiesen hatten, verzichtete auch der Nationalrat in der Differenzbereinigung auf diese Neuerung
[22].
[21]
BBl, 2008, S. 1869 ff.;
NZZ, 5.2. und 27.2.08. Zum Verzicht auf die automatische Abschreibung von mehr als zwei Jahre alten Vorstössen im NR siehe
SPJ 2005, S. 35 (Motion Kunz, svp, LU) und
2007, S. 36. Die Priorität für Kommissionsvorstösse resp. die Abschaffung der Privilegien der Finanzkommission hatten die Nationalräte Hämmerle (sp, GR) und Abate (fdp, TI) mit 2006 eingereichten pa. Iv. gefordert. Zur Motion Markwalder siehe
SPJ 2007, S. 255 f.
[22]
AB NR, 2008, S. 855 ff., 975 ff., 1421 ff., 1483 ff. und 1575 f.;
AB SR, 2008, S. 712 ff. und 830;
BBl, 2008, S. 8233 ff. Die Motion de Bumann (cvp, FR), welche es ermöglichen sollte, dass Interpellationen und Anfragen jederzeit und nicht nur während den Sessionen eingereicht werden können, ist vom NR nicht, wie es hier im Vorjahr fälschlicherweise hiess, angenommen, sondern abgelehnt worden (
SPJ 2007, S. 36 f.).
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