Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
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Parlamentsmandat
Wie der Ständerat im Vorjahr genehmigte nun auch der Nationalrat die Anpassung seiner Entschädigungen an die Teuerung und die Ausrichtung eines Betrags von 500 Fr. je Person für den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Er hiess die Vorlage gegen den Widerstand der SVP und einer starken Minderheit der FDP-Fraktion gut. Diese hatten mit einem Nichteintretensantrag die Vorlage grundsätzlich als Schritt hin zu einem Berufsparlament bekämpft. Der Nationalrat sprach sich jedoch gegen eine von der Linken unterstützte parlamentarische Initiative John-Calame (gp, NE) für eine Verbesserung der Sozialversicherungsleistungen für Abgeordnete, die ihr Mandat vollamtlich ausüben, aus [23].
Wie im Vorjahr der Nationalrat lehnte nun auch der Ständerat das Gesuch um die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Nationalrat Waber (edu, BE) ab [24].
Zu grossen Auseinanderstzungen kam es im Nationalrat zwischen der SVP und den übrigen Parteien beim Antrag der Mehrheit der Rechtskommission, die Immunität des SVP-Nationalrats Brunner (SG) aufzuheben. Gegen den SVP-Präsidenten bestand der Verdacht, als Mitglied der GPK das Amtsgeheimnis verletzt zu haben. Der ausserordentliche Staatsanwalt Pierre Cornu beantragte beim Parlament die Aufhebung der Immunität, um diese Verdachtsmomente abklären zu können. Konkret soll Brunner dem Generalsekretär des damals noch von Christoph Blocher (svp) geleiteten EJPD vorzeitig den Bericht der Subkommission der GPK über die Vorkommnisse beim Rücktritt von Bundesanwalt Roschacher übergeben haben. Gegen den heftigen Widerstand der SVP, welche von einer rein politisch motivierten Kampagne gegen ihren Präsidenten sprach, trat der Nationalrat auf das Geschäft ein und hob die parlamentarische Immunität von Brunner auf. Der Ständerat stellte sich auf Antrag seiner Rechtskommission gegen diesen Entscheid und hob die Immunität Brunners nicht auf. Die Kommission begründete ihren Antrag damit, dass das Verhalten Brunners – das Blocher und auch er selbst nicht abstritten – zwar nicht akzeptabel sei; es solle aber nicht strafrechtlich, sondern im Rahmen des parlamentarischen Disziplinarrechts geahndet werden. Berücksichtigt hat der Ständerat auch die Tatsache, dass die damalige Auseinandersetzung in einer emotional sehr aufgeladenen Atmosphäre stattfand und sich auch andere Kommissionsmitglieder nicht immer einwandfrei verhalten hätten [25].
 
[23] AB NR, 2008, S. 25 ff. und 486 sowie 1324 ff. (John-Calame); AB SR, 2008, S. 210; BBl, 2008, S. 2267 f. Siehe SPJ 2007, S. 37.
[24] AB SR, 2008, S. 81. Siehe SPJ 2007, S. 38.
[25] AB NR, 2008, S. 1385 ff. und 1447 ff.; AB SR, 2008, S. 944 ff.; So-Blick, 1.6.08; BüZ, 13.6.08; Presse vom 20.6.08. Zur GPK-Untersuchung siehe SPJ 2007, S. 38 f. sowie unten, Gerichte.