Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
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Reform der Volksrechte
Zum Jugend- und Ausländerstimmrecht siehe oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht und Stimmrecht).
Die AUNS lancierte im Februar ihre im Vorjahr angekündigte Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)». Diese verlangt, dass über bisher dem fakultativen Referendum untertstellte aussenpolitische Entscheidungen obligatorisch von Volk und Ständen abgestimmt werden soll. Neu sollen zudem auch internationale Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt sein, wenn sie neue einmalige Ausgaben von mehr als 1 Mia Fr. oder neue jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als 100 Mio Fr. nach sich ziehen [31].
Der Nationalrat hielt sich an den Antrag seiner SPK und beschloss mit 123 zu 60 Stimmen, der parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion für die Einführung des Finanzreferendums keine Folge zu geben. Das Hauptargument der Gegner war, dass beim Bund – im Gegensatz zu den Kantonen, die ja alle das Finanzreferendum kennen – fast alle grossen Ausgabeposten auf Gesetzen beruhen, und diese ja bereits dem fakultativen Referendum unterstellt sind. Gleich anschliessend an diesen Entscheid beschloss der Nationalrat mit 120 zu 61 Stimmen, auch einer parlamentarischen Initiative der Grünen für die Einführung des fakultativen Referendums bei Rüstungsausgaben keine Folge zu geben. Die SP, welche den SVP-Vorstoss bekämpft hatte, stimmte in diesem Fall für die Ausweitung der Volksrechte, die SVP dagegen [32].
Nachdem sich in einer Vernehmlassung fast niemand für die konkrete Umsetzung der 2003 in die Verfassung aufgenommenen allgemeinen Volksinitiative ausgesprochen hatte, beantragte die SPK des Nationalrats die Streichung dieser Verfassungsbestimmung. Der auch vom Bundesrat unterstützte Antrag hat die Rechtsform einer parlamentarischen Initiative und muss, da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, sowohl vom Parlament als auch von Volk und Ständen genehmigt werden. Der Nationalrat stimmte dem Verzicht auf die allgemeinen Volksinitiative bei einer Gegenstimme (Lustenberger, cvp, LU) zu; der Ständerat bei einer Enthaltung [33].
Die SPK des Nationalrates möchte, dass Volksinitiativen, die ganz oder teilweise im Gegensatz zu Völker- oder Menschenrechtsbestimmungen stehen und sich deshalb nicht textgetreu umsetzen lassen, nicht mehr dem Volk zum Entscheid vorgelegt werden. Mit einer parlamentarischen Initiative beantragte sie deshalb, die Prüfungskriterien für die Gültigkeit von Volksinitiativen zu erweitern und auch das Bundesgericht in die Entscheidfindung einzubeziehen. Die SPK des Ständerats sprach sich gegen diesen Vorstoss aus [34].
 
[31] BBl, 2008, S. 1485 ff. Siehe SPJ 2007, S. 42.
[32] AB NR, 2008, S. 453 ff. (Finanzreferendum) und 457 ff. (Rüstungsreferendum); NZZ, 22.5.08. Zum Finanzreferendum siehe auch SPJ 2007, S. 40.
[33] BBl, 2008, S. 2891 ff. und 2907 f. (BR); AB NR, 2008, S. 1333 ff. und 1976; AB SR, 2008, S. 838 f. und 1059; BBl, 2009, S. 13 ff. Lustenberger begründete seine Opposition damit, dass er als damaliges SPK-Kommissionsmitglied an der Entstehung dieses Instruments beteiligt gewesen war und von ihm immer noch überzeugt sei (AZ, 26.9.08). Siehe SPJ 2007, S. 40 ff.
[34] NZZ, 23.8., 16.11. und 22.11.08. Siehe dazu auch Lit. Keller.