Année politique Suisse 2008 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage und -politik
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Weltwirtschaft
Nach vier Jahren mit hohen Wachstumsraten schwächte sich 2008 das weltweite Wirtschaftswachstum im Jahresmittel auf 4,3% ab. Dabei verschlechterten sich die Wirtschaftszahlen von Quartal zu Quartal. Besonders ausgeprägt war diese Abwärtsbewegung in den USA, wo insgesamt zwar noch eine BIP-Zunahme um 1,3% verzeichnet wurde, im letzten Quartal aber ein Rückgang auftrat. Ursachen für die Konjunkturflaute waren die sich gegenüber dem Vorjahr noch verschärfende Krise auf dem amerikanischen Immobilenmarkt und ihre Auswirkungen auf die globalisierten Finanzmärkte. In Europa schwächte sich die Wirtschaftstätigkeit schneller als erwartet ab und wuchs im Jahresmittel nur noch um geschätzte 0,8%. Im zweiten Halbjahr schrumpfte sie. Entscheidend dafür waren die Einbrüche bei den Investitionen und den Exporten. Die in den letzten Jahren sehr schnell gewachsenen Volkswirtschaften Südostasiens mussten ebenfalls eine starke Abschwächung ihrer Zuwachsraten konstatieren; in China fiel der Einbruch allerdings relativ bescheiden aus. Die Wirtschaftskrise hatte zur Folge, dass sich in der zweiten Jahreshälfte die in den letzten Jahren stark angestiegenen Rohstoff- und Energiepreise wieder reduzierten. Damit bildete sich auch die Teuerungsrate der Konsumentenpreise wieder zurück. Im Dezember lag sie im Vergleich zum Vorjahr in den USA nur noch bei 0,1% und in der Euro-Zone bei 1,6% [2].
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Schweiz
Analog zur weltweiten Entwicklung schwächte sich auch das Wachstum der schweizerischen Wirtschaft 2008 stark ab. Betroffen waren insbesondere die Einnahmen aus den Geschäften im Finanzsektor und die Exportindustrie. Die Zuwachsrate der Ausfuhren von Gütern und Dienstleistungen reduzierte sich im Jahresmittel von 9,4% auf 2,3%, diejenige der Investitionen von 5,4% auf -1,7%. Dabei waren im ersten Quartal noch ähnlich hohe Expansionsraten verzeichnet worden wie im Vorjahr. Gut hielt sich demgegenüber der private Konsum (+1,7%), derjenige des Staates und der Sozialversicherungen blieb konstant. Gemäss ersten Schätzungen nahm 2008 das reale Bruttoinlandprodukt nur noch um 1,6% zu (2007: 3,3%).
Die Beschäftigung profitierte im ersten Halbjahr noch von der guten Konjunkturlage. Erst gegen Jahresende machte sich die Krise auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Insgesamt wuchs die Beschäftigung mit rund 2,8% noch gleich stark wie im Vorjahr. Die Zahl der Arbeitslosen war bis Juni stark rückläufig und verringerte sich auf rund 91 000. Die Arbeitslosenquote nahm im saisonbereinigten Jahresmittel von 2,8% auf 2,6% ab; zu Jahresende war sie allerdings wieder auf 3,0% (Dezember 2007: 2,7%) angestiegen, was einer Zahl von 118 762 Personen (Dezember 2007: 109 012) entsprach. Der über das Berichtsjahr insgesamt registrierte Rückgang der Arbeitslosigkeit war in allen Landesteilen gleich ausgeprägt und betraf sowohl Männer als auch Frauen und Schweizer und Ausländer in etwa gleichem Ausmass. Dasselbe lässt sich auch vom Wiederanstieg der Arbeitslosigkeit gegen Jahresende sagen. In der Deutschschweiz verringerte sich die Arbeitslosenquote im Jahresmittel auf 2,1%, in der Romandie und im Tessin auf 3,9% (-0,1 resp. -0,2 Prozentpunkte). Ausländer waren mit einer durchschnittlichen Jahresquote von 5,0% immer noch mehr als doppelt so häufig betroffen wie Schweizer (1,9%).
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung stieg mit 2,4% im Jahresmittel massiv an (2007: 0,7%), wobei rund die Hälfte davon auf die Preisexplosion bei Erdölprodukten zurückzuführen war. Im Jahresverlauf waren die drei ersten Quartale von einer deutlichen Zunahme vor allem infolge der stark gestiegenen Erdöl- und Nahrungsmittelpreise geprägt. Im letzten Quartal brachen die Erdölpreise ein und die Gesamtteuerungsrate reduzierte sich auf 1,6%. Über das ganze Jahr hinweg war die hausgemachte Teuerung mit 1,7% niedriger als die importierte (4,3%; Erdölprodukte allein 17,8%) [3].
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Konjunkturpolitik
Um ein Abgleiten der Schweiz in eine Rezession zu verhindern, setzte die Nationalbank ihre üblichen Mittel der Geldpolitik ein. Im Oktober, als auch in der Schweiz klar wurde, dass sich die Finanzkrise massiv auf die Realwirtschaft auswirken würde, senkte sie im Gleichschritt mit der Europäischen Zentralbank den Leitzins um 0,25% und anfangs November nochmals um ein halbes Prozent. Zwei Wochen später erfolgte eine weitere Reduktion um ein ganzes Prozent auf einen mittleren Wert von 1%. Die SNB begründete diesen unerwarteten Schritt mit der sich nun deutlich abzeichnenden grossen Rezessionsgefahr für die Schweiz. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sich der massive Konjunktureinbruch in den für die Schweiz wichtigen Exportländern USA, Deutschland, Italien und Japan ab 2009 voll auf die Produktion, die Investitionen und die Beschäftigung auswirken werde. Auf der anderen Seite würden die sinkenden Rohstoff- und Energiepreise die von dieser Ausweitung der Geldmenge ausgehende Inflationsgefahr reduzieren. Im Dezember erfolgte dann nochmals eine Senkung des Leitzinses um ein halbes Prozent [4].
Der Frankenkurs blieb gegenüber dem Euro relativ stabil. Im Dezember kostete er im Mittel 1,54 Fr. Der Dollar erfuhr im ersten Halbjahr eine recht deutliche Abwertung. Bis Ende Jahr stieg er dann wieder auf 1,15 Fr. und notierte damit leicht höher als Ende 2007. Der handelsgewichtete Kurs des Frankens stieg im Jahresvergleich sowohl nominal als auch real um rund 5% an, wobei die Entwicklung sehr sprunghaft und unstetig verlief [5].
Mit der Verschärfung der Finanzkrise und den wachsenden Problemen in der Realwirtschaft häuften sich auch in der Schweiz die Rufe nach einem Konjunkturstützungsprogramm. Allerdings waren sich die Wirtschaftsexperten lange uneinig, ob die Schweiz überhaupt von einer Rezession betroffen sein würde. Noch im September, als die Konjunkturforschungsstelle der ETH-Zürich ihre Prognosen radikal überarbeitet hatte und nur noch von einem Nullwachstum für 2009 ausging, erwartete das Seco ein Wachstum von immerhin 1,3%. Erst im Dezember zeichneten dann auch die Experten des Seco ein wesentlich düstereres Bild und erwarteten, insbesondere wegen eines radikalen Einbruchs bei den Exporten, einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2009 um 0,8%. Spätestens vom Oktober an forderten die SP und die Gewerkschaften vom Bund Konjunkturförderungsprogramme. Im November beurteilte der Bundesrat die Lage als ernst genug und leitete erste Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft ein. Kernpunkte waren die Freigabe der steuerbegünstigten Arbeitsbeschaffungsreserven der Unternehmen (rund 550 Mio Fr.) auf den 1. Januar 2009 sowie die Aufhebung der Kreditsperre beim Bund und gezielte Aufstockungen im Bundesvoranschlag für 2009 (205 resp. 136 Mio Fr.). Mitte Dezember kündigte Bundesrätin Leuthard dann die Vorbereitung eines weiteren Investitionsprogramms im Umfang von über 650 Mio Fr. an. Für die SP waren diese im internationalen Vergleich sehr bescheidenen Massnahmen völlig ungenügend. Sie stellte als Alternative dazu staatliche Programme im Umfang von 6 Mia Fr. für Investitionen namentlich im Bereich des öffentlichen Verkehrs und zur Subventionierung von Krankenkassenprämien vor [6].
Auf Antrag des Bundesrates und gegen den Widerstand der SP und der GP lehnte der Nationalrat in der Wintersession eine Motion der SP-Fraktion für ein energiepolitisches Investitionsprogramm sowie eine Motion Schelbert (gp, LU) ebenfalls für zusätzliche Bundesinvestitionen im Energiebereich und für vorgezogene Beschaffungen des Bundes ab. Er tat dies vor allem weil die Regierung bereits eigene, allerdings bescheidenere Konjunkturstützungsmassnahmen beschlossen hatte. Zustimmung im Nationalrat fand hingegen eine Motion Chevrier (cvp, VS) für zusätzliche Subventionen für die energietechnische Modernisierung von Gebäuden [7].
 
[2] Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 16 ff.
[3] Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 22 ff. sowie Internet-Seiten des BFS und des Seco.
[4] Bund, 20.6. und 12.12.08; TA, 7.11.08; Presse vom 21.11.08; Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 12 ff. und 30 ff.
[5] Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 30 ff.
[6] Prognosen: TA, 3.10.08; Presse vom 17.12.08. SP und Gewerkschaften: BaZ, 29.10.08; NZZ, 1.11.08; Blick, 18.12.08; TA, 19.12.08. Stützungsprogramme: Presse vom 13.11. und vom 17.12.08; NZZ, 13.12.08.
[7] AB NR, 2008, S. 1749 (Chevrier), 1752 (SP) und 1753 (Schelbert).