Année politique Suisse 2008 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Wettbewerb
Der Ständerat erachtete es als störend, dass bei von Mitarbeitern begangenen Verstössen gegen kartellrechtliche Vorschriften auch dann das Unternehmen selbst zur Rechenschaft gezogen wird, wenn in der Firma ein qualitativ hochstehendes Schulungsprogramm zur Verhinderung von derartigem rechtswidrigen Verhalten durchgeführt wird. Er überwies gegen den Widerstand des Bundesrats und der Linken eine entsprechende Motion Schweiger (fdp, ZG) mit 24 zu 12 Stimmen. Im Einzelnen verlangt die Motion, in diesen Fällen eine Minderung oder einen Erlass der Strafe für die Firma einerseits und die persönliche Strafbarkeit der direkt an der Tat beteiligten Mitarbeitenden andererseits [13].
Auf Ende August trat Rudolf Strahm als Preisüberwacher in wettbewerbsarmen Märkten wegen Erreichen des Pensionsalters zurück. Der ehemalige SP-Nationalrat hatte dieses Amt seit 2004 ausgeübt und es war ihm gelungen, nicht zuletzt mit seinem entschlossenen Vorgehen gegen hohe administrierte Preise im Post-, Elektrizitäts- und Telekommunikationsmarkt, die Kritik an dieser Funktion weitgehend zum Verstummen zu bringen. Im Gegensatz zu 2004 gab es diesmal keine ernsthaften Forderungen bürgerlicher Parteien nach der Abschaffung der Preisüberwachung in unvollständigen Märkten. Zu seinem Nachfolger wählte der Bundesrat auf Vorschlag von EVD-Chefin Leuthard den 39-jährigen Juristen Stefan Meierhans. Der in der Öffentlichkeit unbekannte Meierhans gehört der CVP an und war bisher zuerst für die CVP-Bundesräte Koller und Metzler im EJPD und später bei einem Grosskonzern der Privatwirtschaft tätig [14].
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Importe
Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft für die Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips für Importe aus der EU. Mit einer Teilrevision des Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse soll die Schweiz autonom, d.h. ohne entsprechendes Gegenrecht durch die EU, Zulassungsprüfungen und Deklarationsvorschriften der Herkunftsländer von Produkten auch dann vollständig anerkennen, wenn deren Bestimmungen von den schweizerischen abweichen. Ziel der Vorlage ist es, den Wettbewerb im schweizerischen Detailhandel zu stärken und damit das im europäischen Vergleich hohe Preisniveau zu senken. Um eine Benachteiligung von inländischen Produzenten zu verhindern, sollen auch diese ihre Waren in der Schweiz verkaufen dürfen, wenn sie bloss den Normen eines EU-Staates, nicht aber den schweizerischen genügen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Firmen die entsprechenden Güter effektiv auch in einem EU-Staat in den Verkauf bringen. Für Lebensmittelimporte schlug der Bundesrat zudem eine Sonderregelung vor, wie sie auch Deutschland kennt. Neben der Zulassung in der EU oder einem ihrer Mitgliedsstaaten soll zusätzlich eine Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit verlangt werden. Diese wird dann erteilt, wenn das Produkt die Sicherheit und Gesundheit der Konsumenten nicht gefährdet und bestimmte Minimalanforderungen bezüglich der Produktinformation erfüllt. Die in der Vernehmlassung vorgebrachte Forderung, auch ausländische Zulassungsprüfungen, wie sie insbesondere bei Arzneimitteln vorgeschrieben sind, anzuerkennen, fand beim Bundesrat keine Unterstützung. Immerhin plant er in diesem Bereich eine Vereinfachung des schweizerischen Zulassungsverfahrens. Wie dies von Konsumenten und Landwirten verlangt wurde, muss auch weiterhin die Herkunft von Rohstoffen und Lebensmitteln deklariert werden. Für die Produktinformation reicht gemäss dem Vorschlag des Bundesrates die Beschriftung in einer der drei Amtssprachen. Einzig Warn- und Sicherheitsangaben müssen zwingend auch in Zukunft in der Sprache des Verkaufsorts verfasst sein [15].
Zusätzlich zu dieser einseitigen Anerkennung des Cassis-de-Dijon-Prinzips für Güter aus der EU schlug der Bundesrat eine weitere Angleichung der schweizerischen Produktevorschriften an die EU-Normen vor. Formal beantragte er dazu die Erweiterung des Gesetzes über technische Einrichtungen und Geräte zu einem Produktesicherheitsgesetz [16].
Der Bundesrat konnte sich mit seiner Politik zur Verhinderung von Parallelimporten patentgeschützter Güter nicht durchsetzen. Das Parlament lehnte seinen Vorschlag aus dem Vorjahr, das Verbot des Parallelimports patentgeschützter Waren im Patentgesetz zu verankern ab und beschloss, derartige Importe aus dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR (EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein) in Zukunft zuzulassen. Zudem soll es generell, also auch bei Importen aus nicht dem EWR angehörenden Ländern, nicht mehr erlaubt sein, sich auf den Patentschutz zu berufen, wenn es sich lediglich um Patente für unwichtige Produktekomponenten wie z.B. den Verschluss eines Gefässes handelt.
Der Nationalrat beschäftigte sich als Erstrat mit den Vorschlägen des Bundesrates. Eine recht deutliche Kommissionsmehrheit beantragte, die nationale Erschöpfung der Patente durch eine regionale, d.h. einseitig auf die EU ausgeweitete Erschöpfung zu ersetzen. Damit wäre das Produkt zwar weiterhin vor Nachahmung geschützt, aber die handelsrechtlichen Vorrechte, welche es dem Patentinhaber erlauben, die Vertriebskanäle zu beschränken, würden innerhalb der definierten Handelsregion abgeschafft. Nach Ansicht der WAK wären davon namentlich bei Medikamenten erhebliche Preissenkungen zu erwarten. Dem Argument von Bundesrat und Pharmaindustrie, dass sich dieser Verzicht auf das bestehende Vermarktungsmonopol für die Produzenten von patentgeschützten Arzneimitteln negativ auf den Forschungsstandort Schweiz auswirken würde, hielt die WAK entgegen, dass gerade in dieser Branche die Forschung und Entwicklung ohnehin international organisiert sei. Die SP, die GP, die Grünliberalen und eine Mehrheit der CVP unterstützten die WAK-Mehrheit. Dabei wäre die Linke eigentlich lieber noch weiter gegangen und hätte nicht nur die regionale, sondern die internationale Erschöpfung eingeführt. Aus abstimmungstaktischen Gründen zog sie aber einen entsprechenden Antrag zurück. Die FDP und die SVP sprachen sich für die Bundesratslösung der nationalen Erschöpfung aus und konnten sich dank der Unterstützung von einigen CVP-Abgeordneten mit 93 zu 88 Stimmen bei 12 Enthaltungen durchsetzen. Die Organisationen des Detailhandels hatten bereits vor den Nationalratsverhandlungen gedroht, zusammen mit Konsumentenorganisationen und den Krankenkassen eine Volksinitiative zur Aufhebung des Verbots der Parallelimporte zu lancieren.
Die WAK des Ständerats empfahl wie ihre Schwesterkommission der grossen Kammer einen Systemwechsel. Mit der einseitigen Einführung der auf den EWR bezogenen regionalen Erschöpfung sollten die handelsrechtlichen Beschränkungen für Importe patentgeschützter Waren aus diesem Raum abgeschafft werden. Ausgenommen vom freien Import wären allerdings Artikel, deren im Vergleich zur Schweiz tiefere Preise vom Staat festgelegt sind, wie dies gerade im Pharmabereich in der EU die Norm ist. Von den Vorschlägen des Bundesrates blieb einzig die grundsätzliche Aufhebung des Importverbots bei Waren, deren durch ein Patent geschützte Komponenten für das Produkt von untergeordneter Bedeutung sind. Vertreter der FDP und der SVP sowie Bundesrätin Widmer-Schlumpf kritisierten erfolglos die nicht auf Gegenseitigkeit beruhende Beschränkung auf den EWR. Diese Limitierung auf den EWR sei wegen der Meistbegünstigungsklausel im internationalen Handelsrecht rechtlich nicht haltbar. Der Ständerat stimmte trotz dieser Einwände mit 31 zu 12 Stimmen dem Konzept seiner WAK zu.
Die WAK-NR unterstützte in der Differenzbereinigung diese Beschlüsse der kleinen Kammer. Das Plenum folgte aber mit 94 zu 91 Stimmen einem Antrag Markwalder (fdp, BE), der auf die vom Bundesrat beantragte gesetzliche Festschreibung der nationalen Erschöpfung verzichten und – zumindest bis zum Vorliegen eines gegenseitigen Abkommens mit der EU – das Verbot der Parallelimporte patentgeschützter Güter weiterhin bloss auf das frühere Bundesgerichtsurteil im Fall Kodak abstützen wollte. Nachdem der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen noch einmal auf seiner Position beharrt hatte, gab die grosse Kammer nach. In der Schlussabstimmung lautete das Verdikt für einen Systemwechsel (Zulassung von Parallelimporten patentgeschützter Güter aus EU/EWR-Staaten mit Ausnahme von solchen mit staatlich festgelegten Preisen) in der kleinen Kammer 40 zu 1 bei zwei Enthaltungen und im Nationalrat 102 zu 85, wobei die Opposition weiterhin aus der geschlossenen SVP und der fast einstimmigen FDP kam [17].
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Öffentliche Beschaffungen
Der Bundesrat gab im Berichtsjahr den Vorentwurf für eine Teilrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen in die Vernehmlassung. Die Regierung möchte damit das Verfahren bei Bund und Kantonen straffen und vereinheitlichen. Gewisse Bestimmungen, die sich als wenig praxistauglich gezeigt hätten (so etwa der Begriff „günstigstes Angebot“) sollen genauer definiert werden. Mit der Einführung des Leistungsortsprinzips möchte die Regierung Sozialdumping verhindern, indem sich alle Offertensteller an die Arbeitsbedingungen am Ort der Leistungserbringung halten müssen. Bei gleich guten Angeboten würde neuerdings diejenige Firma den Zuschlag erhalten, welche auch Lehrlinge ausbildet. Zudem zog der Bundesrat auch die Konsequenzen aus den Kostensteigerungen, welche sich beim NEAT-Gotthard-Projekt infolge der Verzögerungen wegen der Einsprachen gegen den Vergabeentscheid ergeben hatten: Bei Projekten von überwiegendem öffentlichem Interesse sollen in Zukunft Einsprachen gegen Vergaben keine aufschiebende Wirkung mehr haben [18].
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Konsumentenschutz
Auf Antrag seiner Rechtskommission gab der Ständerat zwei parlamentarischen Initiativen von Sommaruga (sp, BE) und Bonhôte (sp, NE) für einen Ausbau des Konsumentenschutzes bei Internetkäufen und telefonisch abgeschlossenen Geschäften Folge. Die Initianten wollten insbesondere ein ähnliches Widerrufsrecht einführen, wie es bei Haustürverkäufen besteht. Der Nationalrat schloss sich jedoch diesem Entscheid nicht an. Die Mehrheit seiner Rechtskommission berief sich auf die Eigenverantwortung des Konsumenten. Sie hielt die Gefahr einer unzulässigen Beeinflussung und Druckausübung durch die Verkäufer für unbedeutend, da diese anders als bei Haustürverkäufen die Kunden nicht persönlich zu einem Geschäftsabschluss drängen können. Gegen den Widerstand der Linken gab der Nationalrat den beiden Initiativen mit 90 zu 66 resp. 95 zu 69 Stimmen keine Folge [19].
 
[13] AB SR, 2008, S. 71 ff.
[14] Strahm: TA, 12.1. und 21.8.08; NZZ, 23.1.08; Presse vom 30.8.08. Meierhans: Presse vom 19.6.08. Vgl. auch SPJ 2004, S. 83.
[15] BBl, 2008, S. 2775 ff.; BZ und TA vom 28.6.08. Vgl. auch Die Volkswirtschaft, 2008, Nr. 10, S. 3-29 (Monatsthema: Cassis-de-Dijon-Prinzip).
[16] BBl, 2008, S. 7407 ff. Siehe SPJ 2007, S. 113.
[17] AB NR, 2008, S. 771 ff., 1499 ff., 1847 ff. und 1978 f.; AB SR, 2008, S. 688 ff., 868 ff. und 1061; BBl, 2009, S. 201 f.; TA, 29.3.08; BaZ, 6.6.08 (Volksinitiative). Die Lockerung des Importverbots bei Patenten für unwichtige Produktbestandteile hatte auch Müller (cvp, SG) mit einer vom NR überwiesenen Motion gefordert. Der SR lehnte die Motion als erfüllt ab (AB NR, 2008, S. 467; AB SR, 2008, S. 709). Siehe SPJ 2007, S. 113 f.
[18] Bund und TA, 31.5.08.
[19] AB SR, 2008, S. 369 ff.; AB NR, 2008, S. 1785 ff.; NZZ, 26.5.08; TA, 9.8.08. Siehe SPJ 2007, S. 115.