Année politique Suisse 2008 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit / Kollektive Arbeitsbeziehungen
Der erste Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die über 260 000
Temporärangestellten in der Schweiz wurde Realität. Der Branchenverband Swissstaffing und die Gewerkschaft Unia stimmten dem ausgehandelten Abkommen zu. Diese Wirtschaftsbranche hat ein starkes Wachstum von rund 12% pro Jahr. Beide Seiten zeigten sich zufrieden, da es gelungen sei, sowohl die Flexibilitätsanforderung der Arbeitsvermittler als auch das Sicherheitsbedürfnis der Temporärangestellten auf einen Nenner zu bringen
[11].
Der Konflikt über den Abschluss eines neuen
Landesmantelvertrags im Bauhauptgewerbe lebte im Berichtsjahr wieder auf. Die Delegiertenversammlung der Baumeister lehnte am 24. Januar den im Vorjahr zwischen den Spitzen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände erzielten Kompromiss deutlich, mit 91 zu 14 Stimmen ab. Sie beauftragte ihren Verband, Nachverhandlungen zu zwei Bereichen aufzunehmen. Erstens über die Regeln für die Kompensation von wetterbedingten Ausfallstunden, welche für kleine Baufirmen zu kompliziert seien, und zweitens über den von allen Beschäftigten alimentierten „Parifonds“, aus welchem neben Weiterbildungsangeboten auch die Kosten für die Überwachung der Vertragseinhaltung finanziert werden. Der grösste Baukonzern der Schweiz, Implenia, sowie einige weitere grosse Unternehmen distanzierten sich allerdings von diesem Entscheid und drängten auf einen Vertragsabschluss. Die Gewerkschaftsdelegierten stimmten ihrerseits dem neuen Vertrag einstimmig zu; sie sprachen sich gegen Nachverhandlungen aus und drohten mit der Wiederaufnahme der Streiks. Diese Drohung lösten sie im März ein: Auf mehreren Baustellen in Basel und später auch in Zürich traten die Beschäftigten in
kurze, nicht angekündigte Streiks und führten Demonstrationszüge durch. In mehreren Kantonen (Tessin, Freiburg, Waadt) desavouierten die kantonalen Baumeisterverbände den nationalen Verband und unterzeichneten den Vertrag. Im April nahmen die Sozialpartner ihre Gespräche auf nationaler Ebene wieder auf. Erneut fungierte Jean-Luc Nordmann als Vermittler und hatte Erfolg. Mitte April einigten sich die Verhandlungsdelegationen, den im Vorjahr ausgehandelten Vertrag in Kraft zu setzen. Einige Auslegungsprobleme bei den zwei von den Baumeistern kritisierten Punkten Ausfallzeitkompensation und Parifonds wurden geklärt und gelöst. Die Delegiertenversammlungen der Gewerkschaften Unia und Syna sowie des Baumeisterverbands hiessen den neuen Landesmantelvertrag Ende April gut; er wurde auf den 1. Mai in Kraft gesetzt
[12].
Für eine Neuregelung des Bundespersonalrechts bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).
[12]
BaZ, 22.1. und 25.1. (Baumeister), 30.1. (Implenia und Gewerkschaften) sowie 13.3.08 (Streiks in Basel);
WoZ, 31.1.08;
TA, 23.2.08 und
Lib., 15.3.08 (TI, FR, VD);
Bund, 27.3.08 (Gespräche);
TA, 2.4. und 3.4.08 (Streiks in Zürich);
AZ und
Bund, 15.4.08 (Einigung);
TA, 29.4.08;
AZ und
SGT, 30.4.08 (Delegiertenversammlungen). Siehe
SPJ 2007, S. 207 f.
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