Année politique Suisse 2008 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
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Prävention
Eine im „European Journal of Cancer“ erschienene Studie zeigte auf, dass in Deutschland ein erhöhtes Risiko für Krebs bei Kindern unter fünf Jahren besteht, wenn diese innerhalb eines Umkreises von fünf Kilometern eines Atomkraftwerkes (AKW) wohnen und gab damit Anstoss zu einem Postulat Girod (gp, ZH) und einer Motion Rechsteiner (sp, BS) im Nationalrat. Ersterer beauftragte den Bundesrat, auch für die Schweiz eine vergleichbare Studie durchzuführen. Die Motion ging einen Schritt weiter und verlangte auch die Untersuchung der Krebsraten von Erwachsenen im Umfeld von AKWs. Ausserdem sollte ein Studienprogramm der Frage nachgehen, inwiefern sich die radiologische Wirkung von Atomanlagen von der künstlichen Strahlung unterscheidet. Der Nationalrat nahm das Postulat sowie denjenigen Teil der Motion an, dessen Inhalt sich mit demjenigen des Postulates deckte .
Ein Postulat Hêche (sp, JU) verlangte vom Bundesrat, Massnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs zu prüfen und abzuklären, wie diese Massnahmen im Rahmen eines landesweiten Früherkennungsprogramms umgesetzt werden können. Obwohl der Bundesrat das Postulat aufgrund eines fehlenden gesetzlichen Auftrages zur Prävention von nichtübertragbaren Krankheiten ablehnte, nahm der Ständerat den Vorstoss an [4].
Als erster Deutschschweizer Kanton führte St. Gallen systematische Gratistests für die Früherkennung von Brustkrebs ein. Eine solche systematische Vorsorgeuntersuchung mittels einer Mammografie für Frauen ab 50 Jahren war umstritten. Obwohl von der Schweizer Krebsliga empfohlen, bestand das Programm bisher erst in sechs Westschweizer Kantonen. Kritiker merkten an, dass mit dem Aufruf zur flächendeckenden Frühdiagnose tausende gesunde Frauen verunsichert und unnötigen Behandlungen ausgesetzt werden [5].
Ein Postulat Rennwald (sp, JU) beauftragte den Bundesrat, die Ausmasse des Dopings am Arbeitsplatz zu untersuchen und eine umfassende Studie zu diesem Thema in Auftrag zu geben. Der Postulant wies darauf hin, dass Fachleute in Unternehmen und Arztpraxen eine Zunahme des Dopings am Arbeitsplatz feststellen und immer mehr Berufsgruppen davon betroffen seien. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates und überwies den Vorstoss .
Weniger Erfolg hatte eine parlamentarische Initiative Teuscher (gb, BE), welche verlangte, alle Handypackungen mit dem Hinweis zu versehen, dass der Gebrauch von Mobilfunkgeräten die Gesundheit, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, beeinträchtigen bzw. schädigen kann. Da noch wenig über die effektiven Risiken, welche mit der täglichen Nutzung eines Mobiltelefons verbunden sind, bekannt ist, sollten solche präventive Hinweise von den Handyherstellern auf den Verpackungen angebracht werden, bis verlässliche und abschliessende Daten über die Gefahren vorliegen. Die Kommission des Nationalrates beantragte mit 16 zu 5 Stimmen eine Ablehnung der parlamentarischen Initiative, weil die langfristigen Auswirkungen und Risiken der Handynutzung nicht bekannt seien. Auch der Nationalrat beschloss mit 50 zu 109 Stimmen der Initiative keine Folge zu leisten [7].
Ebenfalls abgelehnt wurde eine Motion Widmer (sp, LU), welche den Bundesrat beauftragte, die verschiedenen kantonalen Projekte zur Prävention von Suizid zu koordinieren. Während der Motionär der Auffassung war, dass angesichts der hohen Suizidraten und eines Vergleichs mit anderen Präventionskampagnen ein grösseres Engagement von Bund und Kantonen in der Suizidprävention angebracht wäre, war der Bundesrat der Meinung, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeit bereits ausreichend aktiv geworden sei und beantragte daher die Ablehnung der Motion. Diese Ansicht teilte auch der Nationalrat [8].
Der Ständerat änderte eine vom Nationalrat überwiesene Motion Kiener Nellen (sp, BE), die den Bundesrat aufforderte, Budget und Finanzplan des Bundesamtes für Sport (Baspo) ab 2007 um mindestens 10 Mio Fr. zu erhöhen, damit Umsetzungsprojekte zur Bewegungs- und Sportförderung sowie zur Förderung einer gesunden Ernährung für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren realisiert werden können, ab. Die kleine Kammer beauftragte den Bundesrat, die Arbeit am Massnahmenpaket „Ernährung und Bewegung“ bis Ende 2008 abzuschliessen unter besonderer Berücksichtigung der Bewegungs- und Sportförderung sowie der Förderung einer gesunden Ernährung von Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren [9].
Der Bundesrat verlängerte Mitte Jahr seine Präventionsprogramme und setzte die Ziele bis 2012 fest. Unausgewogene Ernährung, zu wenig Bewegung, problematischer Alkoholkonsum sowie Rauchen verursachen jährlich Kosten von rund 20 Mia Fr., die mittels Präventionsmassnahmen reduziert werden können. Seine Hauptaufgabe sah der Bundesrat in der Koordination zwischen Bund, Kantonen, Nicht-Regierungsorganisationen und anderen involvierten Kreisen, in der Sicherung einer aussagekräftigen Datenlage, der Evaluation, Forschung und Definition von „Best-Practices“ sowie der Information. Er umschrieb seine Ziele in Bezug auf die nationalen Programme Alkohol, Ernährung und Bewegung, Tabak und HIV/Aids. Im Vorfeld hatte sich eine Allianz von Wirtschaftsverbänden gebildet, die gegen Teile der Präventionsmassnahmen des Bundes kämpfte. Diese Allianz umfasste 20 Verbände aus der Tabak- und Alkoholbranche sowie aus dem Bereich Handel und der Kommunikationsbranche. Ebenfalls beteiligt waren Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband und der Gewerbeverband. Diese Allianz engagierte sich für eine stärkere Ausrichtung der Präventionsmassnahmen auf Eigenverantwortung und Aufklärungsmassnahmen, die sich an Risikogruppen richten. Sie wandte sich gegen Eingriffe in die freie Marktwirtschaft, zusätzliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit und Steuern [10].
 
[4] AB SR, 2008, 486 f.
[5] TA, 14.2.08.
[7] AB NR, 2008, S. 145 f.
[8] AB NR, 2008, S. 1954.
[9] AB SR, 2008, S. 502 f. Siehe SPJ 2007, S. 221 f.
[10]Pressemitteilung EDI vom 18.6.08; Presse vom 30.5.08.