Année politique Suisse 2008 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
Eine Motion des Ständerates Recordon (gp, VD) wollte den Bundesrat beauftragen, dafür zu sorgen, dass die
Problematik des Sterberechts und der damit verbundenen Beihilfe zum Suizid in den
Studienplan der medizinischen Fakultäten und der Krankenpflegeschulen aufgenommen und als Ergänzung zur Palliativpflege zum Ausbildungsziel erklärt wird. Der Bundesrat vertrat die Ansicht, dass in der Motion zwar auf eine wichtige gesellschaftliche Fragestellung hingewiesen werde und die Gesundheitsfachleute besser auf die besonderen Situationen in der Endphase des Lebens vorbereitet werden sollten, aber er sah solche Massnahmen als Teil der Palliativpflege und nicht im Rahmen der Beihilfe zum Suizid. Ausserdem war er der Meinung, dass das Medizinalberufegesetz der Regelung der Aus- und Weiterbildung der universitären Medizinalberufe bei der Behandlung und Begleitung von Patienten und Patientinnen in der Endphase ihres Lebens Rechnung trage. Der Ständerat folgte der Empfehlung des Bundesrates und lehnte die Motion mit 11 zu 19 Stimmen ab
[21].
Mehr Erfolg hatte ein Postulat Schenker (sp, BS), welches vom Bundesrat einen Bericht über das Vorhandensein von
genügend ausgebildetem Pflegepersonal verlangte. Ebenfalls in den Bericht integriert werden sollten mögliche Massnahmen, mit welchen der Beruf attraktiver gemacht und die Qualität der Aus- und Weiterbildung sichergestellt werden kann. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates und nahm das Postulat an
[22]. In eine ähnliche Richtung zielte auch eine Motion Fehr (sp, ZH). Diese gründete auf einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), gemäss welcher es bis zum Jahr 2030 zu einer erheblichen personellen Lücke in der medizinischen Versorgung kommen kann. Die Motion verlangte daher, dass der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen und den zuständigen Fachorganisationen eine Strategie mit einem Masterplan ausarbeite und dem Parlament vorlege, mit welcher ein
Ärztemangel in der Schweiz verhindert und die Hausarztmedizin gefördert werden könne. Bundesrat und Nationalrat befürworteten die Motion
[23].
Der Ständerat hatte im Vorjahr einer Verlängerung des
Zulassungsstopps für die Eröffnung neuer Arztpraxen bis Ende 2010 zugestimmt. Im
Nationalrat sprachen sich die Fraktionen der SVP, FDP, GP und Teile der CVP aber für eine Aufhebung des Ärztestopps aus. Sie argumentierten vor allem damit, dass die Massnahme keine Wirkung gezeigt habe. Eine Kommissionsminderheit Humbel (cvp, AG) bestritt diese Aussage und war der Ansicht, dass die Ärztezahl dort, wo die Zulassungsbeschränkung umgesetzt worden war, stabilisiert werden konnte. Auch Bundesrat Couchepin warnte vor den dramatischen Folgen für die Gesundheitskosten, welche die Aufhebung des Ärztestopps haben könne. Dies ignorierte der Nationalrat und beschloss mit 116 zu 67 Stimmen nicht auf die Vorlage einzutreten
[24].
In der
Differenzbereinigung war die Kommission des
Ständerates einstimmig dafür, an der Verlängerung des Zulassungsstopps für Arztpraxen festzuhalten. Die Kommission hatte bereits verschiedene Nachfolgemodelle diskutiert und es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Herbst einen Vorschlag in den Rat zu bringen. Sie erachtete es als realistisch, innerhalb einer Frist von einem Jahr die Nachfolgeregelung in beiden Räten zu behandeln. Eine Verlängerung könne auch nur bis 2009 beschlossen werden (anstatt 2010), wenn der Nationalrat einschwenke. Eine Minderheit Diener (gp, ZH) beantragte, dem Nationalrat zu folgen und nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie erachtete es als rechtsstaatlich fragwürdig, einen dringlichen Bundesbeschluss bereits zum dritten Mal zu verlängern. Ausserdem müsse endlich Bewegung in das starre System kommen. Der Rat folgte jedoch seiner Kommission und beschloss mit 34 zu 4 Stimmen auf die Vorlage einzutreten
[25].
In der Folge musste der
Nationalrat also noch einmal über die Frage des
Eintretens auf die Vorlage des Zulassungsstopps diskutieren. Eine Kommissionsmehrheit sprach sich nun dafür aus, dem Ständerat zu folgen, insbesondere weil befürchtet wurde, dass mit einem ersatzlosen Auslaufen der Bestimmung zahlreiche neue Praxen eröffnet werden könnten, mit entsprechenden Kostenfolgen. Ausserdem nahm die grosse Kammer zur Kenntnis, dass der Ständerat gewillt war, rasch einen Vorschlag bezüglich der Lockerung des Vertragszwangs zu unterbreiten. Eine Kommissionsminderheit mit Vertretern der SVP, GP, CVP und FDP war weiterhin der Ansicht, dass nicht mit einer Ärztelawine zu rechnen sei. Dieses Mal folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und beschloss mit 134 zu 37 Stimmen auf die Vorlage einzutreten. Neben der SP waren nun auch die Fraktionen der SVP, FDP und CVP mehrheitlich für eine Weiterführung der Bestimmung, allerdings nur bis 2009. Eine links-grüne Kommissionsminderheit, welche die Hausärzte von diesem verlängerten Zulassungsstopp ausnehmen wollte, fand im Nationalrat keine Mehrheit. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 161 zu 15 Stimmen gut
[26].
Im
Ständerat ging es anschliessend nur noch um die Dauer des Zulassungsstopps. Die Kommission empfahl zwar, dem Nationalrat zu folgen, es gab aber auch Stimmen wie die von Sommaruga (sp, BE), welche es für unrealistisch hielten, dass bis zum 1. Januar 2010 eine Nachfolgeregelung, die noch zu beschliessen wäre, in Kraft treten wird. Die kleine Kammer folgte aber mit 23 zu 14 Stimmen dem Nationalrat und entschied sich damit für eine kürzere Befristung. In der
Schlussabstimmung stimmte der Nationalrat mit 168 zu 12 Stimmen für die Annahme des Entwurfs und der Ständerat einstimmig dafür
[27].
Nach der Verlängerung des Zulassungsstopps befasste sich der Ständerat im Dezember auch mit der
Vertragsfreiheit. Der Kommission des Ständerates war es nicht gelungen, sich auf ein Modell als Alternative zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lockerung des Vertragszwanges zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zu einigen. Diese verfahrene Situation sorgte im Ständerat für sehr viel Unmut. Man war sich einig darüber, dass der Zulassungsstopp der Ärzte 2009 nicht ersatzlos auslaufen sollte. Der Ständerat sah aber ein, dass eine Rückweisung an die Kommission oder den Bundesrat nichts bringen würde und beschloss daher mit 23 zu 19 Stimmen nicht auf das Geschäft einzutreten und damit den Ball dem Nationalrat zuzuspielen
[28].
[21]
AB SR, 2008, S. 423 f.
[22]
AB NR, 2008, S. 1958.
[23]
AB NR, 2008, S. 1954.
[24]
AB NR, 2008, S. 63 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 216 f.
[25]
AB SR, 2008, S. 288 ff.
[26]
AB NR, 2008, S. 741 ff.
[27]
AB SR, 2008, S. 432 f. und 531;
AB NR, 2008, S. 1022.
[28]
AB SR, 2008, S. 1035 ff.
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