Année politique Suisse 2008 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Hochschulen
Im Berichtsjahr wurden die Ergebnisse einer gesamtschweizerischen Untersuchung über die
qualitativen (subjektiven) Auswirkungen der Bologna-Reform veröffentlicht. Im Auftrag der Rektorenkonferenz (Crus) und der Studierendenverbände wurden 4700 Studierende zu ihrer Einschätzung des Bologna-Systems befragt. Fast Dreiviertel der Befragten waren mit dem Studium zumindest zufrieden; 11% gaben an, sie seien enttäuscht. Besonders Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften bemängelten, dass die Erwartungen der Arbeitswelt zu wenig berücksichtigt würden
[45].
Martine Rahier, Professorin für tierische Ökologie und Entomologie, wurde im Januar als
Rektorin der Universität Neuenburg gewählt. Damit wird zum ersten Mal eine Westschweizer Universität durch eine Frau geleitet
[46].
Im Berichtsjahr feierte die
Universität Zürich ihr
175-Jahr-Jubiläum. Zürich war die erste Universität Europas, die nicht von einem Landesfürsten oder der Kirche, sondern von einem demokratischen Staatswesen gegründet wurde. Die Hochschule wollte den Festakt nutzen, um Wissen mit breiten Kreisen der Bevölkerung zu teilen. Dazu organisierte sie zahlreiche Ausstellungen, Feste und Präsentationen, welche alle unter dem Motto „Wissen teilen“ standen
[47].
Ende Juni verabschiedete der Genfer Grosse Rat ein neues Gesetz, welches die
Autonomie der Universität und ihre
internationale Konkurrenzfähigkeit stärken soll. Die Studierenden ergriffen zusammen mit den Gewerkschaften das Referendum gegen den neuen Erlass und brachten die notwendigen Unterschriften zusammen. Sie kritisierten insbesondere die Verpflichtung der Universität, sich aktiv um private finanzielle Unterstützung zu bemühen. Davon befürchten sie eine Schwächung der Sozialwissenschaften, welche bei der Mittelbeschaffung gegenüber den Natur- und insbesondere den Biowissenschaften benachteiligt sind. Unzufrieden waren die Studierenden auch mit der Aufwertung des Rektorats, welches neu Professorinnen und Professoren nominieren und in eigener Regie Fakultäten gründen und aufheben darf. In der Volksabstimmung vom 30.11. stimmte das Volk dem Gesetz mit 72% Ja zu
[48].
Der
ETH-Rat hat die Mechanismen für die Zusammenarbeit der ihm unterstellten Institutionen (der beiden Hochschulen und der vier Forschungsanstalten) verstärkt. In der Geschäftsordnung wurde das Kollegialprinzip festgeschrieben, wobei die Sonderstellung des vollamtlichen Präsidenten bestehen bleibt. Ein neuer Geschäftsausschuss, dem auch die Präsidenten der beiden Hochschulen angehören, wird künftig zu ausgewählten Traktanden Varianten ausarbeiten und die Besetzung von Spitzenpositionen begleiten. Die Beteiligten erhoffen sich dadurch, die während den vergangenen Jahren schwelenden Konflikte beilegen zu können
[49]. Der Schlussbericht des ETH-Rates über die Leistungsperiode 2004-2007 wurde vom Ständerat in der Wintersession einstimmig gutgeheissen
[50].
Die ETH Lausanne kann ein internationales
Zentrum für Neuroprothesen mit fünf Lehrstühlen aufbauen. Es soll zur weltweit wichtigsten Einrichtung in diesem Fachbereich werden und einen Schnittpunkt zwischen Grundlagenforschung, klinischer Anwendung sowie industrieller Nutzung bilden. Das Zentrum verfügt für einen Zeitraum von 10 Jahren über ein Budget von 40 Mio Fr., davon stammen 20 Mio Fr. aus den Familienstiftungen Bertarelli und Borel
[51].
[46]
LT, 16.1. und 4.2.08;
QJ, 16.1.08.
[48]
WoZ, 21.8.08;
TG, 1.12.09.
[50]
AB SR, 2008, S. 966 ff. Vgl.
SPJ 2007, S. 269.
[51]
BaZ,
LT und
NZZ, 12.11.08.
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