Année politique Suisse 2009 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
Nach dem Zusammenschluss mit der Liberalen Partei wurde in der FDP das Parteipräsidium neu zusammengesetzt. Neben Parteipräsident Fulvio Pelli und den bisherigen Vizepräsidenten Isabelle Moret und Ruedi Noser wurden Vincenzo Pedrazzini und Pierre Weiss (der ehemalige Präsident der Liberalen) ins Parteipräsidium gewählt. Die FDP-Geschäftsleitung, ein 28-köpfiges Gremium, wurde abgeschafft und durch eine Präsidenten-Konferenz (bestehend aus den Kantonalpräsidenten, dem Parteivorstand, den FDP-Bundesräten und dem Chef der internationalen FDP) ersetzt. Mit diesem Gremium sollen die Kantonalparteien besser eingebunden werden [9].
An der Delegiertenversammlung vom 28. Februar in Bern wurde die Fusion von FDP und LP rückwirkend auf den 1. Januar 2009 juristisch besiegelt. Hauptthema der Versammlung war das Bankgeheimnis. Die Delegierten verabschiedeten eine Resolution, in der am Bankkundengeheimnis festgehalten wird. Dieses sei wichtig für den Schutz der Privatsphäre und dürfe nicht aufgeweicht werden. Um mit dem Druck des Auslands auf das Bankgeheimnis umzugehen, forderte die FDP eine Ausweitung des mit der EU abgeschlossenen Zinsbesteuerungsabkommens auf weitere Staaten und auch auf andere Vermögenserträge. An der Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wird im Positionspapier festgehalten. Darüber war man sich innerhalb der FDP allerdings nicht einig: Einen Tag nach der Delegiertenversammlung forderte Nationalrat Philipp Müller (fdp, AG) in der Sonntagspresse, dass die Schweiz gegenüber dem Ausland die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug fallen lassen solle [10].
Auch Nationalrat Ruedi Noser (ZH), Vizepräsident der FDP, äusserte sich im März abweichend von der Linie der Parteileitung. Er sagte in der Presse, dass er gegen die Pauschalbesteuerung von in der Schweiz wohnhaften, aber nicht erwerbstätigen Ausländern sei. Zudem kritisierte er die Privilegien ausländischer Holdings in der Schweiz. Dieser Positionsbezug war nicht mit der Parteispitze abgesprochen. Fraktionspräsidentin Gabi Huber bezeichnete Nosers Position als „Einzelmeinung“ und die FDP distanzierte sich sogar öffentlich in einer Medienmitteilung von Nosers Aussagen. Im April trat Ruedi Noser nach sechs Jahren als Vizepräsident der FDP zurück. Er betonte, dass er nicht im Streit abtrete, die parteiinternen Differenzen dürften jedoch bei seinem Rücktritt eine Rolle gespielt haben. Noser hatte sich für eine inhaltliche Erneuerung der FDP eingesetzt und empfand diesen Prozess als zu langsam. Sein Rücktritt schlug in der FDP hohe Wellen. Teilweise wurde Kritik an Fulvio Pelli laut. Nationalrat Otto Ineichen (LU) forderte, dass ein Unternehmer Nachfolger von Noser werden müsse. Als einziger Kandidat trat schliesslich Nationalrat und Unternehmer Markus Hutter (ZH) an, der an der Delegiertenversammlung vom 27. Juni gewählt wurde [11].
Die Präsidenten-Konferenz der FDP beschloss die Ja-Parole zur Einführung des biometrischen Passes und zum Verfassungsartikel „Zukunft mit Komplementärmedizin“ [12].
Nach der Rücktrittsankündigung von Bundesrat Pascal Couchepin begann in der FDP die Suche nach einer Kandidatin oder einem Kandidaten für den Bundesrat aus der lateinischen Schweiz. Die FDP musste den Bundesratssitz gegen eine Kampfkandidatur der CVP verteidigen. Die Tessiner FDP wollte Fulvio Pelli nominieren, dieser zeigte sich jedoch zurückhaltend, wodurch eine mögliche Kandidatur Pellis lange Gegenstand von Spekulationen blieb. Letztlich nominierte ihn die Tessiner FDP nicht, empfahl ihn aber dennoch für eine Nominierung durch die Bundeshausfraktion. Die Neuenburger FDP nominierte Nationalrat Didier Burkhalter, die Genfer Liberalen Martine Brunschwig Graf und Christian Lüscher. Brunschwig Graf erhielt auch die Unterstützung der FDP-Frauen. Die FDP des Kantons Waadt stellte Regierungsrat Pascal Broulis auf. Die Bundeshausfraktion entschied sich, Didier Burkhalter und Christian Lüscher zur Wahl vorzuschlagen. Lüschers Nominierung war eher überraschend und wurde als Taktik zur Verhinderung einer Kandidatur der SVP interpretiert. Bei der Wahl Mitte September konnte sich Didier Burkhalter gegen Lüscher und den Kandidaten der CVP, Urs Schwaller, deutlich durchsetzen [13].
An der Delegiertenversammlung der FDP vom 27. Juni in Bern wurde die freisinnig-liberale Finanzplatzstrategie verabschiedet. Mit zehn Massnahmen will die FDP den schweizerischen Finanzplatz stärken. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehört die Schaffung neuer inländischer Kreditmodelle, etwa für Gebäudesanierungen. Zudem soll die Stempelsteuer abgeschafft und die Verrechnungssteuer durch eine Abgeltungssteuer ersetzt werden. Die Abgeltungsteuer wäre eine Quellensteuer, die von der Bank einbehalten und direkt dem (in- oder ausländischen) Fiskus überwiesen würde. Die Detaildiskussion über die möglichen Modelle einer Abgeltungssteuer wurde aber vertagt. Mit 276 zu 18 Stimmen beschlossen die Delegierten die Ja-Parole zur IV-Zusatzfinanzierung. Die Anti-Minarett-Initiative wurde mit 266 zu 4 Stimmen abgelehnt [14].
Am 17. Oktober hielt die FDP eine Delegiertenversammlung in Stans (NW) ab. Präsident Pelli schwor die FDP auf einen ruhigen Kurs ein: Eine sensationsorientierte oder opportunistische Politik sei unsinnig. Der neue FDP-Bundesrat Didier Burkhalter hielt eine Rede zum Thema Innovationsförderung und die Delegierten verabschiedeten eine Innovationsstrategie. Im Strategiepapier für das „Innovationsland Schweiz“ werden 31 Massnahmen gefordert. Unter anderem sollen Pensionskassen mindestens 0,5% ihrer Mittel in inländische Start-Up-Unternehmen investieren müssen [15].
Im Berichtsjahr beschloss die Solothurner FDP im dritten Anlauf (nach 1986 und 2001), ihre Besonderheit bei der Schreibweise (FdP) und die Parteifarbe Gelb aufzugeben und das „Corporate Design“ der Mutterpartei zu übernehmen [16].
 
[9] TA, 15.1. und 2.3.09; NZZ, 3.2.09; NLZ, 7.2.09; LT, 2.3.09.
[10] Sonntag (AZ), 1.3.09; LT, NZZ und TA, 2.3.09.
[11] AZ und TA, 16.3.09; SZ, 17.3.09; BüZ, NZZ und SGT, 22.4.09; BüZ, 23.4.09; NZZ, 24.4. und 29.6.09; SN, 6.5.09.
[12] NZZ, 3.4.09.
[13] TA, 16.6. und 12.8.09; SZ, 17.6. und 10.7.09; NZZ und SN, 19.6.09; BaZ, 20.6., 29.6. und 7.7.09; NZZ, 29.6., 13.7., 24.7. und 11.8.09; Bund, 1.7. und 9.7.09; SGT, 7.8.09; Presse vom 29.8. und 17.9.09. Siehe oben, Teil I, 1c (Regierung).
[14] BaZ und NZZ, 29.6.09.
[15] NZZ, 19.10.09.
[16] NZZ, 16.8.09.