Année politique Suisse 2009 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Wahlen in kantonale Regierungen
2009 fanden in vier Kantonen (GE, NE, SO, VS) Gesamterneuerungswahlen der Regierung statt
[9]. Zu
Veränderungen in der Sitzverteilung kam es in Neuenburg und in Genf. In beiden Kantonen konnten die bürgerlichen Parteien die Mehrheit zurückerobern, nachdem für eine Legislatur eine linke Mehrheit bestanden hatte. Im Kanton Genf eroberte die LP einen zweiten Sitz auf Kosten der SP, im Kanton Neuenburg holten die FDP-Liberalen einen Sitz, den zuvor die Grünen innegehabt hatten. Im Kanton Neuenburg wurde der Staatsrat stark erneuert: Vier von fünf Mitgliedern wurden ersetzt. Im Wallis (3 CVP, 1 FDP, 1 SP) und in Solothurn (2 CVP, 2 FDP, 1 SP) blieb es bei der bisherigen Sitzverteilung zwischen den Parteien. Die SVP forderte in diesen zwei Kantonen erfolglos die anderen Parteien heraus und ist weiterhin nicht in der Exekutive vertreten. Im Kanton Solothurn scheiterte zudem die SP mit dem Versuch, einen zweiten Sitz im Regierungsrat zu erobern. Alle Bisherigen wurden bestätigt. Im Wallis blieb zwar die Sitzverteilung gleich, jedoch kam es zu einer Erneuerung des Personals. Zwei CVP-Vertreter und eine SP-Vertreterin wurden neu in die Regierung gewählt.
Im Wallis zog mit Esther Waeber Kalbermatten (sp) erstmals eine Frau in die Regierung ein. In Genf ist die Regierung mit der Wahl von Michèle Künzler (gp) und Isabel Rochat (lp) nicht mehr ein reines Männergremium. Im Kanton Neuenburg sitzt weiterhin eine Frau in der Regierung, Gisèle Ory (sp) trat die Nachfolge von Bernard Soguel (sp) an, die zurückgetretene Sylvie Perrinjaquet (fdp) wurde durch einen Mann ersetzt. Im Kanton Solothurn blieb der Frauenanteil in der Regierung ebenfalls unverändert, mit Esther Gassler ist eine Frau in der Exekutive vertreten. Insgesamt hielten die Frauen Ende 2009 33 von gesamtschweizerisch 156 Sitzen in kantonalen Regierungen (21,2%).
Bei der Gesamterneuerungswahl der Regierung traten die Bisherigen Charles Beer (sp), Mark Muller (lp), David Hiler (gp), Pierre-François Unger (cvp) und François Longchamp (fdp) erneut an. Robert Cramer (gp) und Laurent Moutinot (sp) verzichteten dagegen auf eine erneute Kandidatur. Die Grünen nominierten Michèle Künzler als Nachfolgerin von Cramer, die SP portierte Véronique Pürro, die sich im Nominationsverfahren unter anderem gegen den Genfer Bürgermeister Manuel Tornare durchsetzte. Die bürgerlichen Parteien griffen die seit 2005 bestehende linke Mehrheit in der Regierung an (2 SP, 2 GP, 1 LP, 1 CVP, 1 FDP). Für die LP kandidierte neben Muller (bisher) Isabel Rochat (neu). Am linken Rand des Parteienspektrums stellte eine kommunistische Partei drei Kandidaten auf. PdA und SolidaritéS kandidierten nicht, weil ihnen der Einzug ins Parlament bei den einen Monat zuvor stattgefundenen Wahlen nicht gelungen war. PdA und SolidaritéS verweigerten aber auch der SP und den Grünen die Unterstützung. Die SVP nominierte Yves Nidegger. Das populistische „Mouvement Citoyens Genevois“ (MCG), das bei den Parlamentswahlen einen grossen Erfolg gefeiert hatte, stellte mit ihrem Präsidenten Eric Stauffer und Mario Poggia zwei Kandidaten auf. Das Kandidatenfeld wurde komplettiert durch zwei Aussenseiterkandidaturen. Bei den Wahlen verlor die Linke ihre Mehrheit und die „Cohabitation“ mit einer linken Regierung und einem rechten Parlament endete: Gewählt wurden alle Bisherigen sowie Michèle Künzler (gp) und Isabel Rochat (lp). Die LP konnte damit einen Sitz der SP erobern. Véronique Pürro (sp) verpasste die Wahl mit einem Rückstand von gut 1200 Stimmen auf die siebtplatzierte Künzler (gp). Die beiden MCG-Kandidaten lagen auf den Plätzen neun und zehn und hatten gut 10 000 Stimmen Rückstand auf Künzler. Der SVP-Kandidat Nidegger blieb chancenlos. Mit Künzler und Rochat sind neu zwei Frauen im Genfer Staatsrat vertreten
[10].
Wie im Kanton Genf regierte auch im Kanton Neuenburg seit 2005 eine linke Mehrheit (2 SP, 1 GP, 2 FDP-Liberale). Von den Bisherigen traten Jean Studer (sp), Roland Debély (fdp) und Fernand Cuche (gp) erneut an. Bernard Soguel (sp) und Sylvie Perrinjaquet (fdp) traten zurück. Für die 5 Sitze im Neuenburger Staatsrat gab es insgesamt die sehr hohe Zahl von 30 Kandidaturen. Die SP stellte neben Studer und Ständerätin Gisèle Ory, der Favoritin für den frei werdenden SP-Sitz, mit Johanne Lebel-Calame, Sylvie Fassbind-Ducommun und Bertrand Nussbaumer drei weitere Kandidierende auf. Die FDP-Liberalen präsentierten neben ihrem Bisherigen Debély vier weitere Kandidaten, von denen keiner als Favorit erschien: Frédéric Hainard, Philippe Gnaegi, Claude Nicati und Olivier Haussener. Die SVP stellte ebenfalls fünf Kandidierende auf: Karim-Frédéric Marti, Maria Angela Guyot, Florian Robert-Nicoud, Pierre-Alain Storrer und Raymond Clottu. Die CVP nominierte drei Kandidaten, die jedoch als chancenlos betrachtet wurden und vor allem die CVP-Liste bei den Parlamentswahlen „ziehen“ sollten. PdA und SolidaritéS nominierten gemeinsam fünf Personen für den Staatsrat. Für die Grünen traten der Bisherige Cuche und zwei weitere Kandidaten an. Zudem gab es noch vier parteiunabhängige Kandidaturen. Angesichts der hohen Kandidatenzahl erstaunte es nicht, dass im ersten Wahlgang niemand das absolute Mehr erreichte. Am meisten Stimmen erhielt Jean Studer (sp) vor seiner Parteikollegin Gisèle Ory. Auf die beiden Sozialdemokraten folgten alle fünf liberal-freisinnigen Kandidaten, wobei Hainard und Nicati am besten platziert waren. Der Bisherige Debély schnitt von allen FDP-Kandidaten am schlechtesten ab und schied aus dem Rennen aus. Gesundheitsdirektor Debély war vor der Wahl wegen seiner Spitalpolitik in die Kritik geraten. Der grüne Staatsrat Fernand Cuche schnitt noch schlechter ab: Er landete hinter allen SP- und FDP-Kandidaten auf dem elften Platz. Umweltdirektor Cuche war ebenfalls im Wahlkampf heftig kritisiert worden, unter anderem wegen Mängeln bei der Schneeräumung. Der SVP-Kandidat Storrer lag hinter Cuche auf dem zwölften Platz. Nach diesem Ergebnis kam es erstmals seit 20 Jahren zu einem zweiten Wahlgang. Die Situation war aussergewöhnlich, weil weder SP noch FDP aufgrund ihrer Wähleranteile die absolute Mehrheit in der Regierung beanspruchen konnten, deren Kandidaten jedoch am besten platziert waren. Für die SP stellte sich die Frage, ob sie Johanne Lebel-Calame (die Sechstplatzierte) portieren oder den Grünen Fernand Cuche trotz seines schlechten Resultates unterstützen sollte. Im zweiten Wahlgang trat die SP (mit Studer und Ory) schliesslich zusammen mit dem Grünen Cuche an. Die FDP nominierte Hainard, Nicati und Gnaegi, die Bestplatzierten ihrer Partei aus dem ersten Wahlgang. Sie erhielt die Unterstützung der SVP. Gewählt wurden die beiden SP-Kandidaten Studer und Ory sowie die drei FDP-Liberalen Hainard, Nicati und Gnaegi. Cuche hatte einen grossen Rückstand auf letztere. Die doppelte linke Mehrheit in Parlament und Regierung endete damit und es begann eine „Kohabitationslegislatur“ mit einer bürgerlichen Mehrheit in der Regierung und einer linken Mehrheit im Parlament. Die Regierung erhielt insgesamt vier neue Mitglieder
[11].
Bei den Gesamterneuerungswahlen der Regierung des Kantons Solothurn traten alle Bisherigen – Christian Wanner (fdp), Esther Gassler (fdp), Walter Straumann (cvp), Klaus Fischer (cvp) und Peter Gomm (sp) – erneut an. Die SP nominierte neben ihrem Bisherigen Peter Gomm Christine Bigolin, mit der sie einen zweiten Sitz erobern wollte. Die Sozialdemokraten hatten vier Jahre zuvor einen Sitz an die CVP verloren. Die SVP, die bisher dreimal erfolglos zu den Regierungsratswahlen angetreten war, stellte fünf Kandidierende auf: Nationalrat Roland Borer, Colette Adam, Roman S. Jäggi, Heinz Müller und Christian Werner. Die SVP wollte mit dieser Strategie einen zweiten Wahlgang bewirken. Die Grünen unterstützten die Kandidaturen der SP. Da alle Bisherigen erneut kandidierten, war der Wahlkampf lau. Überraschend schafften alle bisherigen Regierungsräte trotz der vielen Kandidaturen die Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang. Am meisten Stimmen erhielt Finanzdirektor Wanner (fdp) vor Fischer (cvp), Gomm (sp), Gassler (fdp) und Straumann (cvp). Die Herausforderer lagen weit zurück. Am besten schnitt unter ihnen Bigolin (sp) ab. Hinter ihr folgten die fünf SVP-Kandidierenden, von denen sich Roland Borer am besten platzierte. Die Strategie der SVP mit der Vielzahl an Kandidaturen ging nicht auf – die Stimmen verteilten sich auf verschiedene SVP-Kandidaten, so dass keiner von ihnen ein gutes Resultat erzielte
[12].
Bei den Staatsratswahlen im Kanton Wallis traten Jean-Michel Cina (cvp) und Claude Roch (fdp) erneut an. Jean-René Fournier (cvp) und Jean-Jacques Rey-Bellet (cvp) traten zurück. Die neuen Kandidaten der CVP waren Jacques Melly und Maurice Tornay. In der internen Nominierung hatten sich diese zum konservativen Lager gehörenden Kandidaten gegen den nationalen CVP-Präsidenten Christophe Darbellay und gegen Marie-Françoise Perruchoud-Massy durchgesetzt. Thomas Burgener (sp) trat ebenfalls nicht mehr an. Für die SP kandidierte neu Esther Waeber Kalbermatten, für die sich die Chance bot, als erste Frau in die Walliser Regierung einzuziehen. CVP, FDP und SP strebten keine Sitzgewinne an, sondern beschränkten sich darauf, ihre Sitze zu verteidigen und betrieben damit einen freiwilligen Proporz. Als Herausforderer der grossen Parteien traten Christlichsoziale, SVP und Grüne an. Die Oberwalliser Christlichsozialen nominierten Graziella Walker, die SVP (die erstmals zu einer Staatsratswahl antrat) Franz Ruppen und die Grünen Marylène Volpi Fournier. Als unabhängiger Kandidat trat Eric Felley, ein Journalist, an. Das Ziel seiner Kandidatur bestand vor allem darin, einen zweiten Wahlgang zu bewirken, in dem dann möglicherweise andere CVP-Kandidaten als die Nominierten zum Zug kommen könnten. Das Walliser Wahlrecht erlaubt neue Kandidaturen für einen zweiten Wahlgang. Im ersten Wahlgang erreichte niemand das absolute Mehr. Am meisten Stimmen erhielt Jean-Michel Cina (cvp) vor seinen Parteikollegen Tornay und Melly. Cina erreichte einen Stimmenanteil von rund 40%, ein für einen Walliser CVP-Kandidaten schlechtes Resultat. Auf die drei CVP-Kandidaten folgten Claude Roch (fdp) und Esther Waeber Kalbermatten (sp). An sechster Stelle lag Franz Ruppen (svp), der im Oberwallis gut abschnitt. Einen Achtungserfolg erzielten Marylène Volpi Fournier und Graziella Walker. Beide übertrafen die Wähleranteile ihrer Parteien deutlich. Sie lagen aber ca. 10 000 Stimmen hinter Waeber Kalbermatten (sp) zurück. Eric Felley erreichte das für einen zweiten Wahlgang benötigte Quorum von 8% der Stimmen. Es kam jedoch zu keinem zweiten Wahlgang, weil es keine dissidenten CVP-Kandidaten gab, die gemeinsam mit Felley antreten wollten. Zudem verzichteten Ruppen (svp), Walker (csp) und Volpi Fournier (gp) auf einen zweiten Wahlgang. Damit wurden Cina, Tornay und Melly (alle cvp), Roch (fdp) und Waeber Kalbermatten (sp) in stiller Wahl gewählt. Esther Waeber Kalbermatten zog als erste Frau in die Walliser Regierung ein
[13].
[9] Für die Wahl der Aargauer Regierung (1. Wahlgang 2008, 2. Wahlgang 2009) siehe
SPJ 2008, S. 51.
[10] Wahlen vom 15.11.09: Presse vom 16.11.09. Wahlkampf:
LT, 23.2.09;
TG, 24.2., 24.9., 29.9., 16.10., 17.10., 20.10. und 23.10.09;
NZZ, 11.11.09.
[11] Wahlen vom 5.4.09 (1. Wahlgang): Presse vom 6.4.09. Wahlkampf:
Exp., 6.1., 28.1., 7.2., 9.2., 13.2., 14.2., 16.2. und 17.2.09;
LT, 29.1.09;
NZZ, 31.3.09;
TG, 2.4.09;
TA, 3.4.09. Wahlen vom 26.4.09 (2. Wahlgang): Presse vom 27.4.09. Wahlkampf:
LT, 7.4.09;
Exp. und
TG, 8.4.09.
[12] Wahlen vom 8.3.09:
SZ, 9.3.09. Wahlkampf:
SZ, 6.1. und 6.2.09;
NZZ, 3.3.09.
[13] Wahlen vom 1.3.09: Presse vom 2.3.09;
NZZ, 4.3.09;
LT, 5.3.09. Wahlkampf:
NF, 7.1., 9.1., 10.1., 15.-17.1., 20.1., 24.1., 28.1. und 3.2.09;
NZZ, 19.2.09;
Bund, 27.2.09.
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