Année politique Suisse 2009 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Wettbewerb
Im März beauftragte der Bundesrat das EVD mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs für eine
Teilrevision des Kartellgesetzes. Dabei soll insbesondere die Wettbewerbskommission als unabhängige Behörde gestärkt werden. Diese Stossrichtung war von einer Expertengruppe vorgeschlagen worden, welche die Auswirkungen der letzten Kartellrechtsrevision von 2004 evaluiert hatte. Eine ernsthafte Auseinandersetzung zeichnet sich beim Vorschlag einiger Experten ab, das Verbot vertikaler Absprachen zu lockern
[18].
Der Nationalrat überwies die im Vorjahr von der kleinen Kammer gutgeheissene
Motion Schweiger (fdp, ZG) für eine anderes Sanktionssystem bei der Bestrafung von Verstössen gegen kartellrechtliche Vorschriften ebenfalls
[19].
Im Herbst beantragte der Bundesrat eine
Teilrevision des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG). Es geht dabei um bessere Möglichkeiten zur Bekämpfung einzelner Missstände bei geschäftlichen Angeboten. So sollen insbesondere täuschende und irreführende Praktiken von Firmen, welche
Einträge in Branchenregister und ähnliches anbieten, unterbunden werden. Auch gegen Verkaufsmethoden nach dem so genannten Schneeballprinzip soll neu mit dem UWG vorgegangen werden können. Käufer von Waren und Dienstleistungen sollen zudem besser vor unfairen Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschützt werden. Schliesslich soll auch die Klageposition des Bundes verbessert werden. Dieser könnte in Zukunft nicht nur dann eine in der Schweiz tätige Firma einklagen, wenn durch deren unlauteres Geschäftsgebaren der Ruf der Schweiz im Ausland gefährdet ist, sondern auch dann, wenn KMU und Konsumenten im Inland geschädigt werden. Da heute derartige Delikte oft im Internet und in grenzüberschreitendem Rahmen begangen werden, soll via Amtshilfebestimmungen auch die Zusammenarbeit mit den Behörden anderer Staaten ausgebaut werden. Mit dem Argument, dass dies auch vom Bundesrat in dieser UWG-Revision vorgeschlagen werde, gab der Nationalrat einer vom Ständerat angenommenen parlamentarischen Initiative Sommaruga (sp, BE) für ein Verbot von unfairen Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Folge
[20].
Der Ständerat befasste sich als erster mit der im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagenen Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips für Importe aus der EU. Es gab im Rat keine grundsätzliche Opposition. In der Detailberatung brachte er noch einige von seiner Kommission vorgeschlagene und auch vom Bundesrat unterstützte Änderungen an. Er verabschiedete das Gesetz über die technischen Handelshemmnisse einstimmig (bei fünf Enthaltungen) und hiess auch das Produktesicherheitsgesetz ohne Gegenstimme gut.
Im Nationalrat gab es sowohl von der SVP als auch von den Grünen Widerstand gegen das Projekt. Ihre gegenseitig unterstützten Nichteintretens- und Rückweisungsanträge scheiterten mit 98 zu 77 resp. 98 zu 78 Stimmen. Für die Grünen stand dabei das Unterlaufen von strengeren schweizerischen Normen, beispielsweise im Umweltschutz, im Vordergrund, bei der SVP die allfällige Benachteiligung schweizerischer Unternehmen. Gemeinsam war beiden die Kritik an der Einseitigkeit der Marktöffnung: Wenn schweizerische Produzenten schon kein entsprechendes Gegenrecht in der EU in Anspruch nehmen können, hätten von der EU zumindest Gegenleistungen in Verhandlungen zu anderen wirtschaftspolitischen Bereichen verlangt werden können. Die vorberatende Kommission hatte allerdings den Bedenken bezüglich Inländerdiskriminierung bereits Rechnung getragen und einen entsprechenden Antrag Baader (svp, BL) angenommen. Zur Verteidigung der Einseitigkeit der Importliberalisierung gab Kommissionssprecher Theiler (fdp, LU) zu bedenken, dass es illusorisch wäre zu glauben, die EU wäre bereit, schweizerische Sicherheitsvorschriften zu anerkennen, wenn diese von EU-Normen abweichen. In der Detailberatung nahm der Nationalrat einen Antrag Scherer (svp, ZG) an, der verlangte, dass bei den Produkteinformationen auch das Herkunftsland angegeben werden muss. Das Produktesicherheitsgesetz nahm der Rat gegen den Widerstand der SVP an.
In der
Differenzbereinigung beschloss der Ständerat, dass nur bei Lebensmitteln und Rohstoffen das Herkunftsland angegeben werden muss, hingegen nicht bei verarbeiteten Gütern, wo dieses Kriterium wesentlich komplexer zu handhaben ist. Die grosse Kammer schloss sich dieser Variante an. In der Schlussabstimmung hiess der Ständerat das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse mit 40 zu 2 Stimmen gut. Im Nationalrat fiel das Ergebnis mit 101 zu 82 Stimmen knapper aus; die SVP hatte geschlossen (bei einer Enthaltung) und die Grünen fast geschlossen (eine Enthaltung und zwei Ja-Stimmen) dagegen votiert. Beim Produktesicherheitsgesetz war im Nationalrat nur die SVP dagegen; der Ständerat war einstimmig dafür. Eine kleine Gruppierung von Landwirten aus der Westschweiz lancierte das
Referendum gegen das
Gesetz über die technischen Handelshemmnisse. Obwohl sie von der SVP, der GP, den SD, der PdA und der Jungen SVP unterstützt wurden, brachten sie mit rund 46 000 nicht genügend Unterschriften zusammen
[21].
Im Anschluss an die Beratung dieser beiden Vorlagen überwiesen beide Ratskammern eine Motion der WAK des Ständerates für eine
Harmonisierung der diversen Spezialgesetze, die sich mit der
Produktesicherheit befassen. Eine Zusammenlegung aller Bundesstellen, deren Aufgabe die Kontrolle der Sicherheit von Lebensmitteln und anderen Produkten ist, lehnte der Nationalrat vorläufig ab. Er sprach sich auf Antrag des Bundesrates gegen eine im Vorjahr von der kleinen Kammer überwiesene entsprechende Motion Germann (svp, SH) aus
[22].
Auf den 1. Juli setzte der Bundesrat das neue Patentgesetz in Kraft. Dieses erlaubt den
Parallelimport patentgeschützter Güter aus der EU (mit Ausnahme von Medikamenten)
[23].
In der Differenzbereinigung über die beiden im Vorjahr vom Ständerat angenommenen und vom Nationalrat abgelehnten parlamentarischen Initiativen Sommaruga (sp, BE) und Bonhôte (sp, NE) zum Ausbau des Konsumentenschutzes bei
Internetkäufen und telefonisch abgeschlossenen Geschäften, vermochte sich nur letztere durchzusetzen. Diese will ein Widerrufsrecht lediglich bei Telefonverkäufen (nicht aber bei Internetverkaufsabschlüssen) einführen. Nachdem der Ständerat noch einmal beide Vorstösse unterstützt hatte, setzte sich die Initiative Bonhôte dank dem Stichentscheid der Ratspräsidentin schliesslich auch in der grossen Kammer durch
[24].
[18]
NZZ und
TA, 26.3.09. Zu den vertikalen Absprachen vgl.
NZZ, 4.4. und 2.7.09.
[19]
AB NR, 2009, S. 2115 ff.;
NZZ, 18.4. und 1.12.09. Siehe
SPJ 2008, S. 100.
[20] UWG:
BBl, 2009, S. 6151 ff. Pa.Iv.:
AB SR, 2009, S. 636 f.;
AB NR, 2009, S. 1645 ff.
[21]
AB SR, 2009, S. 65 ff., 72 ff., 86 ff., 546 ff., 550 f., 563 ff., 626, 665 und 733;
AB NR, 2009, S. 697 ff., 1120 ff., 1183, 1227 f. und 1310;
BBl, 2009, S. 4463 ff. (Handelshemmnisse) und 4477 ff. (Produktesicherheit). Siehe
SPJ 2008, S. 100 f. Referendum:
BaZ, 23.6. und 29.9.09 (Lancierung, GP, SD und SVP);
NZZ, 3.7. und 2.10.09 (PdA resp. Nichtzustandekommen);
NLZ, 9.7.09 (J-SVP);
Lib. 21.7.09 (GP).
[22] WAK-SR:
AB SR, 2009, S. 88;
AB NR, 2009, S. 722. Germann:
AB NR, 2009, S. 1224 f. Siehe
SPJ 2008, S. 119.
[23]
NZZ, 30.5.09;
Bund, 22.6.09. Siehe
SPJ 2008, S. 101 f.
[24]
AB SR, 2009, S. 635 f.;
AB NR, 2009, S. 1643 ff.;
NLZ, 9.4.09. Siehe
SPJ 2008, S. 102.
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