Année politique Suisse 2009 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Ausländerpolitik
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Integration
Im Juni wurde ein Bericht der Tripartiten Agglomerationskonferenz zur Weiterentwicklung der schweizerischen Integrationspolitik veröffentlicht. Die Projektgruppe, in der die Konferenz der Kantonsregierungen, das Bundesamt für Migration und die Städteinitiative Sozialpolitik vertreten waren, formulierte in ihrem Papier neun Handlungsempfehlungen, welche dazu beitragen sollen, bestehende Integrationsinstrumente in den Gemeinden und Kantonen auszubauen. Unter anderem schlug sie vor, ein verbindliches System der Erstbegrüssung und Erstinformation für Neuzugewanderte zu schaffen, die interkulturelle Vermittlung auszubauen und mehr Sprachkurse anzubieten. Von einem nationalen Integrationsgesetz – wie es die FDP schon lange fordert – riet sie dagegen ab. Die von der Projektgruppe vorgeschlagenen Massnahmen würden jährlich rund 130 Mio Fr. kosten, was einen Anstieg der staatlichen Ausgaben für die Integration von bisher 45 auf 175 Mio Fr. zur Folge hätte  AZ und SGT, 21.1.09; NZZ, 1.7.09; BaZ, 10.12.09. Vgl. dazu eine Motion Schiesser (fdp, GL), mit der die Schaffung eines nationalen Integrationsgesetzes gefordert wurde, und die von den Räten im Laufe der Jahre 2007 und 2008 in einen unverbindlichen Prüfungsauftrag umgewandelt worden war, SPJ 2007, S. 246 und 2008, S. 229..
Auch das Parlament befasste sich im Berichtsjahr mit der Integrationspolitik und behandelte mehrere Vorstösse zum Thema. Eine Motion der SVP zur Ausschaffung von Ausländern, die keine Integrationsbereitschaft zeigen, wurde von beiden Kammern gutgeheissen. Ebenfalls überwiesen wurde eine Motion der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats. Der Bundesrat muss demnach das Bürgerrechtsgesetz dahingehend ergänzen, dass das Schweizer Bürgerrecht nur noch bei guten Kenntnissen einer Landessprache und erfolgreicher Integration erteilt werden darf  AB NR, 2009, S. 919 ff. (Mo. SPK-NR) und 1008 (Mo. SVP); AB SR, 2009, S. 963 f. (Mo. SVP) und 964 f. (Mo. SPK-NR)..
Dagegen verwarf der Nationalrat in der Sommersession eine parlamentarische Initiative der SVP, die Einbürgerungen nur noch bei guten mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnissen zulassen wollte. Im Ständerat scheiterte in der Wintersession eine Standesinitiative des Kantons Sankt Gallen, welche darauf abzielte, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an eine erfolgreiche Integration zu knüpfen. Darüber hinaus sollte ein schlechtes oder fehlendes Integrationsverhalten künftig einen Widerrufsgrund für eine bereits erteilte Niederlassungsbewilligung bilden  AB NR, 2009, S. 919 ff. (pa.Iv. SVP); AB SR, 2009, S. 1303 (Standesinitiative SG). Vgl. zur Einbürgerung auch oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht)..
Im Anschluss an die Annahme der Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ rückte die Integration noch stärker in den Fokus der grossen Parteien. Der CVP-Präsident Darbellay sorgte mit seiner Forderung nach einem Verbot von Separatfriedhöfen für Juden und Moslems für Aufsehen und die SVP nutzte das Abstimmungsresultat, um ihre Rhetorik gegenüber allen Einwanderern zu verschärfen. Die FDP diskutierte infolge des Abstimmungsergebnisses über ein politisches Massnahmenpaket. Im Vordergrund stand dabei die alte freisinnige Forderung nach einem nationalen Integrationsgesetz. Zudem möchte die Partei bei ihrem Integrationsmotto „fördern und fordern“ den Akzent stärker auf die Pflichten verlagern. Die SP konkretisierte vor allem ihre Positionen gegenüber dem Islam. Sie entwarf ein Positionspapier, in welchem schulische Ausnahmeregelungen für moslemische Kinder abgelehnt werden  TA, 3.12.09; SGT und SN, 9.12.09. Zur Abstimmung über die Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ vgl. unten, Teil I, 8b (Kirchen)..