Année politique Suisse 2009 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Flüchtlingspolitik
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Gesetzgebung
Im Januar schickte der Bundesrat Vorschläge zur Änderung des Asyl- und Ausländergesetzes in die Vernehmlassung. Die geplanten Bestimmungen zielen darauf ab, Asylgesuche effizienter zu erledigen und die Asylgründe weiter einzuschränken. Gemäss dem Entwurf bildet Wehrdienstverweigerung kein Asylgrund mehr. Personen die nur dies geltend machen, werden weggewiesen oder – wenn ihnen im Herkunftsstaat eine „unmenschliche“ Behandlung droht – vorläufig aufgenommen. Politische Aktionen in der Schweiz, z.B. Teilnahme an Demonstrationen, die zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft dienen, sollen künftig sanktioniert werden. Ferner würde die Möglichkeit, auf einer schweizerischen Vertretung im Ausland ein Gesuch zu stellen, aufgehoben. Eine weitere Änderung ist im Ausländergesetz vorgesehen. Laut den Vorschlägen des Bundesrats müssten Personen, die aus der Schweiz weggewiesen werden und geltend machen, ihre Wegweisung sei aus persönlichen Gründen nicht zumutbar, dies zweifelsfrei beweisen können. Nach geltendem Recht genügt es, wenn ein abgewiesener Asylbewerber die Unzumutbarkeit glaubhaft macht  BBl, 2009, S. 573; Presse vom 15.1.09..
Die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen, die Hilfsorganisationen, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Landeskirchen sowie SP und Grüne kritisierten die geplanten Asylrechtsverschärfungen und bedauerten, dass die Schweizer Asylpolitik zunehmend ihren humanitären Charakter verliere. Gemäss dem UNHCR wird durch die Absicht, Wehrdienstverweigerung nicht mehr als Asylgrund anzuerkennen, die Flüchtlingskonvention tangiert. Bei der FDP und der SVP wurden die Vorschläge dagegen begrüsst; einzig die Aufhebung der Möglichkeit, auf einer schweizerischen Vertretung im Ausland ein Gesuch zu stellen, wurde auch von ihnen abgelehnt  Bund, 22.1. und 16.4.09; NZZ, 10.3., 27.3. und 16.4.09..
Im Rahmen der Vernehmlassung zur Revision des Asylgesetzes wurde auch angeregt, das Nichteintretensverfahren durch ein materielles Schnellverfahren zu ersetzen. Aufgrund dieses Vorschlags beauftragte Bundesrätin Widmer-Schlumpf eine Expertenkommission aus Vertretern von Bund, Kantonen und Hilfswerken mit der Prüfung eines Systemwechsels im Asylwesen. Gestützt auf die Empfehlungen der Experten unterbreitete der Bundesrat im Dezember den interessierten Kreisen eine entsprechende Ergänzung zur Konsultation. Mit den geplanten Bestimmungen würde die Zahl der Gründe, auf ein Gesuch nicht einzutreten, stark reduziert. Es ist vorgesehen, ein Asylbegehren nur noch dann nicht materiell zu behandeln, wenn der Gesuchsteller z.B. ausschliesslich medizinische oder wirtschaftliche Gründe vorbringt oder wenn er in ein sicheres Drittland weggewiesen werden kann, namentlich weil gemäss Dublin-Abkommen ein EU-Staat zuständig ist. Die Nichtabgabe von Papieren soll demgegenüber nicht mehr zu einem Nichteintretensentscheid führen. Diese, mit der letzten Asylgesetzesrevision eingeführte, Praxis hat sich nämlich nicht bewährt, da jeweils mit umständlichen Recherchen abgeklärt werden muss, warum der Asylsuchende keine Papiere vorweisen kann  BBl, 2009, S. 9150; NZZ, 26.8. und 18.12.09; WoZ, 27.8.09; SZ, 17.12.09. Vgl. SPJ 2006, S. 215 f..
Im Zusammenhang mit den Anpassungen des Asylverfahrens wird auch das Bundesamt für Migration reorganisiert. Alle Instanzen, die mit dem Asylwesen zu tun haben, sollen wieder in einer Abteilung zusammengefasst werden  SZ, 17.12.09; Blick und NLZ, 18.12.09..
Im November verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Übernahme der EU-Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren zur Rückführung illegal anwesender Drittstaatsangehöriger. Als Schengen-Mitglied ist die Schweiz zum Nachvollzug dieser Bestimmungen verpflichtet und muss das Asyl- und Ausländerrecht entsprechend anpassen. Mit den neuen Vorschriften will die EU Gesetze und Verfahren für die Rückführung illegal anwesender Ausländer aus Drittstaaten vereinheitlichen. Um das schweizerische Recht mit der Richtlinie in Einklang zu bringen, muss insbesondere die maximale Gesamtdauer von Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft von 24 auf 18 Monate verkürzt werden. Eine weitere Anpassung ist bei der Wegweisung illegal anwesender Personen erforderlich, da laut den neuen Vorschriften immer eine formelle Wegweisungsverfügung zu erlassen ist  BBl, 2009, S. 4179 (Vernehmlassung) und 8881 ff. (Botschaft); Medienmitteilung des EJPD, 28.01.09; NZZ, 19.11.09..