Année politique Suisse 2009 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Hochschulen
Im Mai präsentierte der Bundesrat den Entwurf des Bundesgesetzes über die Förderung der Hochschulen und Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFGK). Mit dem neuen Erlass soll eine gemeinsame Struktur zur Koordination von Eidgenössisch Technischen Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen geschaffen werden. Die Autonomie der Hochschulen bleibt gewahrt, die Vorschriften über die Anerkennung und Qualitätskontrolle werden aber verschärft. Alle Institutionen die die Bezeichnung Universität, Fachhochschule oder pädagogische Hochschule tragen wollen, müssen sich bei einem unabhängigen Organ akkreditieren lassen und dazu über ein Qualitätssicherungssystem verfügen. Bei der Verteilung der Subventionen sollen Kriterien wie die Anzahl der Studienabschlüsse oder die Studiendauer eine stärkere Rolle spielen. Als oberstes hochschulpolitisches Organ fungiert die Schweizerische Hochschulkonferenz, die sich aus einem Mitglied des Bundesrats und je einem Mitglied aller Kantonsregierungen zusammensetzt  BBl, 2009, S. 4561 ff.; BaZ und NZZ, 30.5.09. Vgl. SPJ 2008, S. 244 f..
Im November verabschiedete die Staatspolitische Kommission des Nationalrats ihren Entwurf zu einer parlamentarischen Initiative Neirynck (cvp, VD). Die Vorlage sieht eine Anpassung des Ausländergesetzes vor, so dass auch Personen aus Nicht-EU/-EFTA-Staaten mit einem Schweizer Hochschulabschluss auf dem Arbeitsmarkt zugelassen werden können, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Interesse ist. Weiter soll bei der Zulassung zu einer tertiären Aus- oder Weiterbildung auf die Voraussetzung der „gesicherten Wiederausreise“ verzichtet werden und schliesslich könnten bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen frühere Aufenthalte zur Aus- und Weiterbildung nachträglich angerechnet werden  BBl, 2009, S. 5071 (Vernehmlassungsverfahren) und BBl, 2010, S. 427 ff. (Bericht der SPK-NR); NZZ, 23.6. und 7.11.09. Vgl. SPJ 2008, S. 245..
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwiesen die Räte im Berichtsjahr ausserdem eine Motion der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats, mit der die Aufenthaltsdauer von ausländischen Personen für Aus- und Weiterbildungen im Hochschulbereich erstreckt werden soll. Die Landesregierung muss nun die Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit so ändern, dass auch Aufenthalte für Aus- und Weiterbildungen im Hochschulbereich bewilligt werden können, die länger als acht Jahre dauern  AB NR, 2009, S. 1621; AB SR, 2009, S. 1016..
Der Ständerat überwies in der Wintersession oppositionslos ein Postulat David (cvp, SG), welches den Bundesrat beauftragt, die Bologna-Reform gründlich zu analysieren. Dabei soll er in erster Linie prüfen, ob die 1999 gesetzten Ziele erreicht wurden, welche Ziele für die Zukunft bestehen und inwieweit Massnahmen erforderlich sind, um Schwächen der Reform zu beheben  AB SR, 2009, S. 1272 ff..
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Universitäten und ETH
An den Schweizer Hochschulen haben erstmals eine Mehrheit, nämlich 50,3% der Assistierenden keinen Schweizer Pass. Gemäss der vom BFS durchgeführten Erhebung lag der Anteil der ausländischen Jungforscher 1999 noch bei 35,3%, hat seither aber kontinuierlich zugenommen. Besonders hoch ist der Ausländeranteil an den beiden ETH-Standorten in Zürich (55,1%) und in Lausanne (67,3%) sowie an den Universitäten Lugano (64,3%), Genf (59,3%) und Sankt Gallen (54,1%). Bei den Professoren lag der Ausländeranteil bei 45,7% (1999: 36,5%). Diese Entwicklung führen Vertreter der Vereinigungen von Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeitenden unter anderem darauf zurück, dass es zunehmend schwierig ist, junge Schweizer Wissenschafter dazu zu bewegen, eine Dissertation zu schreiben und eine universitäre Karriere ins Auge zu fassen. Insbesondere Absolventen eines technischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Studiums können in der Privatwirtschaft deutlich mehr verdienen als an der Hochschule. Als weiterer Faktor werden die unklaren Karriereaussichten von Jungforschern angeführt  Bund und TA, 10.8.09..
Als Zweitrat hiess in der Frühjahrssession auch der Nationalrat den Schlussbericht des ETH-Rats über die Leistungsperiode 2004-2007 gut. Im Mai unterbreitete der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 288,28 Mio Fr. für das Bauprogramm des ETH-Bereichs. Die grössten Projekte sind der Neubau eines Forschungs-, Lehr-, Lern- und Dienstleistungsgebäudes der ETH Zürich am Oberen Leonhard sowie an der ETH Lausanne der Umbau und die Erweiterung des Gebäudes der Ingenieurwissenschaften und die Sanierung der Bibliothek. Ebenfalls im Kredit enthalten sind die Kosten für die Umsetzung des vom ETH-Rat ausgearbeiteten strategischen Plans für Hochleistungsrechnen und Vernetzung. Dabei soll einerseits die Leistung der bestehenden Rechner in Lugano Manno (TI) gesteigert und anderseits ein neuer Hochleistungsrechner beschafft werden, für den ab 2012 in Lugano Cornaredo (TI) ein neues Gebäude erstellt wird  AB NR, 2009, S. 47 ff. Vgl. SPJ 2008, S. 246 (Schlussbericht); NZZ, 30.5.09; Medienmitteilung des EDI, 29.5.09 (Verpflichtungskredit)..
Im Sommer wurde die Eröffnung des ETH-Departements für Biosysteme in Basel gefeiert. Im Zentrum der Forschung steht in Basel die synthetische Biologie, welche das Ziel verfolgt, Systeme mit bestimmten erwünschten Eigenschaften bis hin zur Zelle herzustellen. Ab Herbst 2010 sollen Studierende auch einen Teil des Biotechnologiestudiums im neuen Departement absolvieren  NZZ, 8.6.09..
Eine von der ETH eingesetzte Untersuchungskommission gab im September bekannt, dass Publikationen aus dem Departement Chemie der ETH Zürich auf manipulierten Forschungsdaten basieren. Die Fälschungen passierten vor zehn Jahren in einer vom Vizepräsident für Forschung, Peter Chen geleiteten Arbeitsgruppe. Obwohl die Untersuchungskommission Chen entlastete und einen damaligen Doktoranden als mutmasslichen Täter ermittelte, trat dieser von seinem Posten zurück. Er begründete seine Demission damit, dass er als Leiter der Forschungsgruppe eine formelle Mitverantwortung habe und die Glaubwürdigkeit der ETH nicht gefährden wolle  AZ und Bund, 22.9.09; NZZ, 22.9., 23.9. und 6.10.09..
Die Finanzkontrolle des Bundes veröffentlichte im Juni einen Bericht zur Nebentätigkeit von Universitätsprofessoren. Dabei bemängelte sie, dass Instrumente für eine griffige Kontrolle dieser Aktivitäten meistens fehlten, weil die Durchsetzung der Regeln zu einem wesentlichen Teil auf Selbstverantwortung und sozialer Kontrolle aufbauten. Sie empfahl eine Einschränkung der Freiheit der einzelnen Professoren zugunsten der Institutionen und hält es für möglich, den grössten Teil der Einkünfte als Drittmittel der Universität zu behandeln. Die Einnahmen kämen diesfalls ganz den Universitäten zu  NZZ, 16.6.09..
Im Herbst fanden an den Universitäten Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich Studentenproteste statt. Die Aktivisten an den drei Deutschschweizer Unis besetzten die Aulas und forderten bessere Lernbedingungen. Der Missmut der Studierenden richtete sich insbesondere gegen die Bologna-Reform. Sie kritisierten, dass das Studium immer mehr verschult und auf die Wirtschaft ausgerichtet werde und so Eliteuniversitäten entstünden. Allerdings wurde das Themenspektrum bald so stark ausgeweitet, dass die Proteste in einer Universalkritik gipfelten, die mit der Bologna-Reform nur noch wenig zu tun hatte. Ausserdem fehlte es den Besetzern an Rückhalt, da die Protestaktionen nur von einem kleinen Teil der Studierenden mitgetragen wurden und sich auch die studentischen Körperschaften davon distanzierten  NZZ, 13.11., 14.11. und 19.11.09; NLZ, 20.11.09; SGT, 4.12.09..
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Kooperation unter den Hochschulen
Die Universitäten Basel und Genf betreiben in Zukunft gemeinsam ein neues Kompetenzzentrum für angewandte Humantoxikologie. Die beiden Universitäten wurden vom Bund aus mehreren eingereichten Projekten ausgewählt. Durch die Kooperation soll die während Jahren vernachlässigte unabhängige Toxikologie-Forschung gestärkt werden. Dafür fliessen in den nächsten drei Jahren acht Mio Fr. aus der Bundeskasse; den gleichen Betrag werden auch die beteiligten Universitäten aufbringen  BaZ und NZZ, 27.5.09..
Die ETH Lausanne und die Universitäten Genf und Lausanne verfügen seit August über ein gemeinsames Hochleistungsrechenzentrum (Centre lémanique de calcul à haute performance). Der neue Rechner befindet sich auf dem Campus der ETH Lausanne und bildet Teil des nationalen strategischen Plans für Hochleistungsrechnen und Vernetzung (vgl. oben, Universitäten und ETH). Das Projekt wird durch die Kantone Genf und Waadt mit je acht Mio Fr. unterstützt  LT und 24h, 23.10.09..
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Fachhochschulen
Im März hiess der Bundesrat eine Teilrevision der Fachhochschulverordnung gut. Der nachträgliche Erwerb eines Fachhochschultitels ist seit Mai 2009 auch für Abschlüsse in Physiotherapie, Ergotherapie, Ernährungsberatung und Hebamme/Entbindungspfleger möglich. Ebenfalls auf anfangs Mai wurden im Anhang der Verordnung des EVD über Studiengänge, Nachdiplomstudien und Titel an Fachhochschulen verschiedene Studiengangsbezeichnungen angepasst  Medienmitteilung des BBT, 25.3.09..
In der Frühjahrssession lehnte der Nationalrat mit 107 zu 64 Stimmen eine Motion Nussbaumer (sp, BL) ab. Der Vorstoss zielte darauf ab, Studienwillige mit einer Berufsmaturität gestalterischer Richtung und mit einer Grundausbildung in einem der Studienrichtung verwandten Beruf im Fachbereich Design ohne zusätzliche Eignungsabklärung zum Studium zuzulassen. Ebenfalls verworfen hat die grosse Kammer eine Motion Fasel (csp, FR), mit welcher der Bundesrat verpflichtet werden sollte, die Entwicklung der Ausgaben für Administration und Marketing an den Fachhochschulen in den letzten 10 Jahren zu untersuchen  AB NR, 2009, S. 734 (Mo. Nussbaumer) und 735 (Mo. Fasel)..
Der Luzerner Bildungsdirektor Anton Schwingruber (cvp) gab im Juli bekannt, dass der Kanton Luzern aus dem Zentralschweizer Lehrerbildungskonkordat aussteigen will. Eine Studie des Luzerner Bildungsdepartements hatte gezeigt, dass durch einen Alleingang von Luzern Führungs- und Verwaltungsstrukturen abgebaut und der Koordinationsaufwand erheblich verringert werden könnte. Daraufhin hat die Regierung die Kündigung des Vertrags der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ) beschlossen; diese muss vom Kantonsrat noch bestätigt werden. Die übrigen Konkordatskantone zeigten Unmut über den Entscheid von Luzern. Für Schwyz und Zug, die selbst PHZ-Standorte sind, hat der Ausstieg von Luzern weitreichende Konsequenzen, da ihre Schulen zu klein sind, um alleine zu bestehen und die beiden Kantone daher neue Kooperationsmöglichkeiten suchen müssen  NLZ, 9.7., 10.7. und 7.10.09..
Im August wurde ein im Auftrag von Bundesrätin Leuthard erarbeiteter Expertenbericht zur zukünftigen Organisation der Westschweizer Fachhochschule HES-SO vorgestellt. Im Zentrum des Papiers steht die Frage, ob der Ende 2008 von der HES-SO ausgearbeitete Entwurf zu einem neuen Trägerkonkordat die seit mehreren Jahren bestehenden Auflagen des Bundesrates bezüglich Führungsstruktur und Organisation erfüllt. Die Expertengruppe unter der Leitung der früheren SP-Nationalrätin und Bildungspolitikerin Barbara Haering erachtete den Entwurf als ungenügend. Sie kritisierte den grossen Einfluss der Erziehungsdirektoren der sieben Trägerkantone (BE, FR, GE, JU, NE, VD und VS) und forderte eine Stärkung des Rektorats auf Kosten des strategischen Ausschusses. Schliesslich empfahl sie die Einführung eines einheitlichen Qualitätssicherungssystems für die ganze Fachhochschule  L’Express, 8.9.09; TG, 13.10.09. Vgl. SPJ 2008, S. 247..
In der Herbstsession nahm der Nationalrat ein Postulat seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur mit 148 zu 4 Stimmen deutlich an. Der Bundesrat muss nun prüfen, wie er die Titelverordnung zu ergänzen oder abzuändern gedenkt, damit weiterhin neben den internationalen Titeln auch die in der Schweiz bisher üblichen Bezeichnungen wie Ingenieur/Ingenieurin, Architekt/Architektin, Sozialarbeiter/Sozialarbeiterin geführt werden können  AB NR, 2009, S. 1690 f..
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Stipendien
Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat im Juli ein Stipendienkonkordat verabschiedet, das die Berechnungsparameter harmonisiert und letztlich zu höheren Beiträgen führen soll. Ein Vollstipendium beträgt für Lehrlinge und Gymnasiasten künftig mindestens 12 000 Fr. und für Hochschulstudierende 16 000 Fr. Die Kantone müssen die Stipendien bezahlen, wenn der Bewerber bei Beginn der Ausbildung nicht älter als 35 Jahre ist. Ausländer können Stipendien erhalten, wenn sie mindestens seit fünf Jahren eine Niederlassungsbewilligung besitzen. Die Vereinbarung tritt in Kraft, sobald zehn Kantone ihren Beitritt erklärt haben. Der Verband Schweizer Studierendenschaften begrüsste das Konkordat grundsätzlich, kritisierte aber, dass der Beitritt für die Kantone freiwillig ist  Presse vom 3.7.09. Vgl. SPJ 2008, S. 247 f..