Année politique Suisse 2009 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kulturpolitik
print
Kulturförderungsgesetz
Im März setzte der Nationalrat die Detailberatung des Entwurfs für ein Kulturförderungsgesetz (KFG) fort. Ein Antrag Leutenegger Oberholzer (sp, BL) setzte sich für die Verankerung der Förderung der musikalischen Bildung ein und wurde mit 89 zu 80 Stimmen angenommen. Unterstützung erhielt der Antrag von der Ratslinken und einer beinahe geschlossenen CVP. Der Nationalrat lieferte mit diesem Entscheid bereits eine erste Antwort auf das Anliegen der Volksinitiative „jugend + musik“, welche Ende des Vorjahres mit über 150 000 Unterschriften eingereicht worden war [2]. Minderheitsanträge der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) blieben beinahe ausnahmslos chancenlos. So lehnte der Nationalrat unter anderem die Minderheitsanträge Pfister (svp, SG) ab, welche die Bekämpfung des Illetrismus und die Förderung des Lesens sowie die Unterstützung der Fahrenden nicht im KFG verankern wollten. Ebenso deutlich abgelehnt wurde ein Minderheitsantrag aus den Reihen der SP, welcher den Bund bei seinen Entscheiden zu Schwerpunkten der Kulturförderung und Finanzierung zur vermehrten Absprache mit den Kantonen, Städten und Gemeinden verpflichten wollte. Mit 94 zu 70 Stimmen angenommen wurde hingegen ein Minderheitsantrag aus dem bürgerlichen Lager, welcher sich gegen die Einführung eines Kulturrates stellte, der den Bundesrat bei den Beratungen zu kulturpolitischen Belangen unterstützen sollte. SVP, FDP, BDP, EVP und eine starke Minderheit der CVP unterstützten den Antrag. Da der Nationalrat die Integration des Pro-Helvetia-Gesetzes (PHG) in das neue KFG im Vorjahr bereits beschlossen hatte, beschäftigte er sich in der Detailberatung auch mit diesen Regelungen. Wie auch im ersten Teil der Beratung des KFG wurde eine Vielzahl formeller Anträge der WBK diskussionslos angenommen. Die Anliegen zweier SVP-Minderheitsanträge, welche im sieben- bis neunköpfigen Stiftungsrat einen Sitz für einen Vertreter der Volkskultur reservieren und eine angemessene Repräsentation der Sprachgruppen gewährleistet haben wollten, wurden als nicht umsetzbar erachtet und von einer Mehrheit abgelehnt. Vom bürgerlichen Lager deutlich abgelehnt wurde des Weiteren ein Minderheitsantrag Gilli (gp, SG), welcher Kultur- und Kunstpreise von der Steuer befreien wollte [3].
Der Ständerat trat als Zweitrat ohne Gegenstimme auf die Vorlage ein. Er folgte dem Nationalrat und sprach sich ebenfalls für die Zusammenlegung des KFG und des PHG aus. Der Ständerat schuf jedoch verschiedene Differenzen zum Nationalrat; die meisten betrafen die Stiftung Pro Helvetia. Der Artikel 8a, welchen der Nationalrat in der vorjährigen Detailberatung eingeführt hatte und welcher festlegt, dass der Bund von den Unterstützungsbeiträgen einen von ihm festgelegten prozentualen Betrag an eine gebundene Vorsorgeeinrichtung des Empfängers zu entrichten hat, fand zwar auch im Ständerat eine Mehrheit. Auf Wunsch des Bundesrates beschloss der Ständerat aber eine andere Formulierung, welche ergänzend zum Bund auch Unterstützungsbeiträge von Pro Helvetia erwähnt [4]. Zweitens beschloss der Ständerat mit 22 zu 17 Stimmen, die Ausrichtung der Stiftung auf die Förderung der Kunstvermittlung und des künstlerische Schaffens sowie auf die Unterstützung des Kulturaustausches zu beschränken. Die Nachwuchsförderung, die Unterstützung von Anlässen und Projekten von nationaler Bedeutung sowie die musikalische Bildung wollte er nach wie vor dem Bundesamt für Kultur (BAK) überlassen. Drittens lehnte der Ständerat im Gegensatz zum Nationalrat eine direkte Koordination der Stiftung mit dem EDA bei kulturellen Anlässen im Ausland ab. Der Ständerat folgte dabei seiner Kommission, welche sich einstimmig für diese Regelung gemäss Bundesrat ausgesprochen hatte. Eine letzte grössere Differenz bezüglich Pro Helvetia schuf der Ständerat bei der Festlegung der strategischen Ziele. Während der Nationalrat diese durch den Stiftungsrat festlegen lassen wollte, beschloss der Ständerat, diese Kompetenz dem Bundesrat zu überlassen. Eine weitere Differenz entstand, weil der Ständerat nur Projekte unterstützen lassen wollte, welche den Zugang zur Kultur erleichtern, während der Nationalrat auch den Zugang zur Volkskultur auf diese Weise vereinfachen wollte [5].
In der Herbstsession ging das Geschäft zur Differenzbereinigung an den Nationalrat. Auf Anraten der Kommission beschloss er diskussionslos, Pro Helvetia in den Artikel 8a aufzunehmen. Bei den restlichen drei Differenzen hielt er jedoch an seiner Position fest. Bezüglich der Zuständigkeiten des BAK und der Stiftung präsentierte der Ständerat daraufhin einen Kompromissvorschlag. Die Nachwuchsförderung solle in die Kompetenz der Stiftung fallen, die musikalische Bildung jedoch dem BAK unterstellt bleiben. Zusätzlich einigte sich der Ständerat darauf, dass besonders innovative Projekte, die sich dazu eignen, neue kulturelle Impulse zu schaffen, in den Zuständigkeitsbereich von Pro Helvetia fallen sollen. Er stellte sich jedoch erneut gegen eine direkte Koordination von EDA und Stiftung und hielt daran fest, dass der Bundesrat die strategischen Ziele der Stiftung festlegen sollte. Zu letzterem räumte er jedoch ergänzend ein, dass der Bundesrat dabei die operative und künstlerische Freiheit von Pro Helvetia zu beachten habe. Ebenfalls in der Wintersession befasste sich der Nationalrat erneut mit dem Geschäft. Er stimmte dem ständerätlichen Kompromissvorschlag betreffend der Zuständigkeiten von BAK und Stiftung zu und fand auch eine Mehrheit für den Vorschlag des Ständerates zu der strategischen Zielsetzung durch den Bundesrat. Gegen letzteres votierten im Nationalrat noch immer die Grünen und die SVP. Ebenfalls angenommen wurde die neue Formulierung der WBK-NR, welche davon absah, die Stiftung und das EDA bei Aktivitäten im Ausland auf die gleiche Hierarchiestufe zu stellen. Schlussendlich stimmte der Nationalrat mit Opposition der SVP auch für die Entfernung des Begriffes der Volkskultur aus dem Gesetz und folgte somit dem Ständerat. Dies geschah auf Empfehlung der WBK-NR, welche zur Meinung gelangt war, dass eine künstliche Unterscheidung von Kultur und Volkskultur schlussendlich das Gegenteil dessen bewirken könnte, was die Antragssteller ursprünglich geplant hatten. Das bereinigte Geschäft ging am 11. Dezember 2009 in die Schlussabstimmung. Während der Ständerat dem neuen Gesetz einstimmig zustimmte, wurde es im Nationalrat unter Opposition der SVP angenommen [6].
 
[2] Vgl. oben, Teil I, 8a (Grundschulen).
[3] AB NR, 2009, S. 2 ff. und 7 ff. Vgl. SPJ 2008, 253 f.
[4] Zur Motion WBK-SR zur sozialen Sicherheit für Kulturschaffende vgl. oben, Teil I, 7c (Berufliche Vorsorge).
[5] AB SR, 2009, S. 481 ff. und 491 ff.
[6] AB NR, 2009, S. 1426 ff., 2073 ff. und 2352; AB SR, 2009, S. 1109 ff., 1227 ff. und 1310; BBl, 2009, S. 8759 ff.