Année politique Suisse 2010 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Der Bundesrat konkretisierte die
Unverjährbarkeitsinitiative und schickte den Entwurf im Mai in die Vernehmlassung. Das 2008 angenommene Volksbegehren fordert, dass Sexualverbrechen an Kindern nicht verjähren können. Umstritten an der Umsetzung war die Altersgrenze. Der Bundesrat setzte diese bei zehn Jahren an, also zum Zeitpunkt, zu dem nach Einschätzung medizinischer Experten die Pubertät beginnt. Die Verfasser der Initiative forderten jedoch 14 Jahre als Altersgrenze. Das Problem der Rückwirkung regelte der Bundesrat so, dass Unverjährbarkeit für all jene Vergehen gelten solle, die zum Zeitpunkt der Annahme der Initiative noch nicht verjährt waren. Hier hatten die Initiantinnen die rechtlich heikle Forderung nach Rückwirkung für alle sexuellen Handlungen an Kindern gefordert. Die Parteien stimmten den Vorschlägen des Bundesrates in der Vernehmlassung mehrheitlich zu. Einzig die SVP lehnte den Entwurf ab und forderte eine Altersgrenze von 16 Jahren
[52].
Der Nationalrat war bezüglich der Schaffung eines
nationalen Registers für verurteilte Pädophile bzw. für Sexual- und schwere Gewalttäter gespalten. Bereits 2009 hatte die grosse Kammer einer entsprechenden Motion Rickli (svp, ZH) äusserst knapp mit 88 zu 87 Stimmen zugestimmt. Eine ähnliche lautende parlamentarische Initiative der Zürcher SVP-Politikerin wurde im Berichtsjahr wieder nur knapp angenommen (89:80). Beide Vorlagen wurden vom Ständerat dann allerdings abgelehnt mit der Begründung, dass bereits genügend Informationen in alternativen Registern vorhanden seien und dass die Vorstösse aufgrund ihres Diskriminierungspotenzials zu weit gingen
[53].
Der Ständerat lehnte im Berichtsjahr eine Erhöhung der Mindeststrafe von fünf Jahren Haft bei
Gruppenvergewaltigungen ab, wie sie von einer parlamentarischen Initiative der SVP verlangt wurde, die noch 2009 vom Nationalrat angenommen worden war. Damit folgte die kleine Kammer ihrer Rechtskommission, die argumentierte, dass Gerichte über einen Entscheidungsspielraum verfügen müssen, um sämtlichen Umständen eines Falls Rechnung zu tragen
[54].
Die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen folgte dem Ansinnen des Bundesrats und modifizierte die 2009 vom Nationalrat überwiesene Motion Aubert (sp, VD). Die vom Bundesrat auszuarbeitende allgemeine
Meldepflicht für Misshandlungen und sexuelle Vergehen an Kindern soll neu klar umschriebene Ausnahmen zulassen. Die kleine Kammer nahm die veränderte Motion schliesslich diskussionslos an
[55].
Das
Alarmsystem bei Entführungen von Kindern soll laut der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und dem Bundesamt für Polizei per 1. Januar 2011 funktionstüchtig sein. Die KKJPD testete im Berichtsjahr erfolgreich Massnahmen, die im Entführungsfall die rasche Information mit Radio und Fernsehen, Autobahn-Anzeigetafeln sowie Durchsagen an Flughäfen und Bahnhöfen zulassen. Zudem wurde mit den Mobilfunkanbietern ein SMS-Dienst ausgehandelt, über den allen freiwillig registrierten Handy-Besitzern Foto und Personenbeschreibung eines allfälligen Opfers zugesendet werden kann
[56].
[52] Presse vom 27.5. und vom 6.10.10.
[53]
AB NR 2009, S. 1007 (Motion);
AB NR 2010, S. 1231 ff. (Initiative);
AB SR 2010, S. 1022 ff.; siehe
SPJ 2009, S. 27.
[54]
AB SR, 2010, 351 ff.; siehe
SPJ 2009, S. 27.
NLZ, 21.10.10.
[55]
AB SR, 2010, S. 1025; siehe
SPJ 2009, S. 27f.
[56]
TA, 2.3.10;
BaZ, 13.04.10.
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