Année politique Suisse 2010 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Strukturpolitik
Im Oktober verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur
Volksinitiative „Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls“. Darin empfiehlt er dem Parlament die Ablehnung der Initiative zugunsten eines direkten Gegenvorschlags. Unter Anerkennung des bestehenden Kompetenzkonflikts zwischen Bund und Kantonen im Bereich des Glücksspiels und dem dadurch hervorgerufenen Handlungsbedarf, bemängelt der Bundesrat, dass es der Initiative nicht gelinge, das dem Kompetenzkonflikt zugrundeliegende Abgrenzungsproblem zwischen den Spielbanken, der Lotterie und dem Wettgeschäft zu lösen. Er moniert zudem, dass die von den Initianten vorgeschlagene Trennung der Gesetzgebungskompetenzen, die für die Spielbanken künftig ganz beim Bund, für die Lotterie und Wetten – vorbehältlich einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes – ganz bei den Kantonen liegen sollten, einer umfassenden, von der Landesregierung gewünschten Geldspielpolitik entgegenstehen würde. Der Gegenentwurf nimmt den von den Initianten verwendeten Begriff Geldspiel auf und weist diesem sowohl die Glücksspiele (Wetten, Lotterien, Spielbanken) als auch die Geschicklichkeitsspiele zu. Den ganzen, dermassen definierten Geldspielbereich unterstellt er einer umfassenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der bestehende Artikel 106 der Bundesverfassung soll um einen Absatz ergänzt werden, der die Vollzugskompetenzen der Kantone (Bewilligung, Beaufsichtigung) im Bereich der Lotterien, Wetten und Geschicklichkeitsspiele ausdrücklich festhält und dabei gewährleistet, dass die Erträge (ausgenommen jene aus den Geschicklichkeitsspielen) vollumfänglich gemeinnützigen Zwecken zufliessen. Schliesslich sollen Bund und Kantone mit geeigneten Massnahmen die Gefahren des Geldspiels bekämpfen
[16].
Der Initiative vorausgegangen war die 2001 in Angriff genommene
Revision des Lotteriegesetzes. Diese wurde 2004 auf Wunsch der Kantone sistiert, welche die festgestellten Mängel mit interkantonal koordinierten Massnahmen angingen. Der Evaluationsbericht zum Konkordat vom Oktober 2010 empfahl dem Bundesrat, trotz der eingeleiteten interkantonalen Massnahmen an der Revision des Lotteriegesetzes festzuhalten. Spätestens ein Jahr nach der Abstimmung über die Geldspielinitiative und/oder den Gegenentwurf soll, in Kenntnis des dannzumal gültigen Verfassungsartikels, der Handlungsbedarf im Bereich des Lotteriegesetztes neu beurteilt werden
[17].
Im Mai entschied das Bundesgericht über die Beschwerde des Schweizerischen Casino-Verbands gegen einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, das 2009 die Praxis der Eidgenössischen Spielbankenkommission stützte,
Pokerturniere als Geschicklichkeitsspiele
einzuordnen und daher ausserhalb von Spielbanken zu erlauben. Das Bundesgericht revidierte das Urteil im Sinne der Beschwerdeführerin und kam zum Schluss, dass bestimmte turniermässig gespielte Pokervarianten sowie generelle Pokerspiele um Geld als
Glücksspiele zu taxieren seien und daher nur in konzessionierten Spielbanken erlaubt sind. Im Nationalrat kam es in der Folge zu mehreren Vorstössen in Richtung Ausnahmeregelung für Pokerspiele unter dem Spielbankengesetz, deren Behandlung in den Räten Ende 2010 noch ausstehend war
[18].
[16]
BBl, 2010, S. 7961 ff.
[17] BJ, Evaluation der kantonalen Massnahmen zu den Lotterien und Wetten: Schlussbericht (Forschungs- und Beratungsbüro Infras), Zürich 2010, S. 107–109; EJPD, Medienmitteilungen, 24.3., 30.5. und 20.10.10.
[18] Vgl.
SPJ, 2009, S. 101; Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II, Urteil vom 30. Juni 2009; BGE 2C_694/2009 vom 20.5.2010.
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