Année politique Suisse 2010 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Banken, Börsen und Versicherungen
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Bankgeheimnis
Im März des Vorjahres hatte der Bundesrat auf den zunehmenden internationalen Druck auf das Bankgeheimnis reagiert, indem er versicherte, künftig Amtshilfe in Steuersachen nur noch nach dem Musterabkommen der OECD (d.h. auch bei vermuteter qualifizierter Steuerhinterziehung und nicht nur bei vermutetem Steuerbetrug) zu leisten. Dazu schloss er im Verlauf des Berichtsjahrs – in Ergänzung der bereits 2009 revidierten oder neu eingegangenen – zehn weitere Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nach OECD-Standard ab, die nach der Genehmigung durch die Räte und Ablauf der ungenutzten Referendumsfrist im Oktober in Kraft gesetzt wurden (siehe oben Teil I, 2. Relations bilatérales) [30].
Zu Beginn des Berichtsjahrs beauftragte der Bundesrat das EFD mit der Ausarbeitung eines Amtshilfegesetzes, das die DBA nach OECD-Standard verfahrensrechtlich verankert. Um die neue Form der Amtshilfe bis zum Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes zu gewährleisten, verabschiedete der Bundesrat Anfang September eine Amtshilfeverordnung. Zu diesem Zweck wurde in der Eidgenössischen Steuerverwaltung eine neue Dienststelle „Amtshilfe- und Rechtshilfevollzug“ geschaffen. Die Schweiz unterhält auch Wirtschaftsbeziehungen zu Gebietskörperschaften, die sie völkerrechtlich nicht anerkennt. In jenen Fällen ist ihr der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen in der Form eines Staatsvertrags nicht möglich. Um künftig aber auch hier Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abschliessen zu können, richtete der Bundesrat im August des Berichtsjahrs eine „Botschaft zum Bundesgesetz über die Anerkennung privater Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ an das Parlament. Über eine solche Regelung soll sichergestellt werden, dass die Schweiz beispielsweise auch mit dem Chinesischen Taipei ein DBA eingehen kann [31].
Die öffentliche Debatte um die zukünftige Handhabung des Bankgeheimnisses und damit verbunden auch die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug gegenüber ausländischen sowie inländischen Steuerbehörden und Bankkunden führte zu einer beträchtlichen Anzahl von Eingaben im Parlament, die wahlweise seine Verteidigung verlangten, aber auch seine Aufgabe und den Übergang zu einer allgemeinen Weissgeldstrategie des Finanzplatzes Schweiz forderten. Ihre Behandlung in den Räten stand im Berichtsjahr noch aus. Ausnahme bildete eine Motion, die vom Bundesrat zum Schutz des Bankgeheimnisses und zur Vermeidung kostspieliger Amtshilfeverfahren verlangt, die neuen Doppelbesteuerungsabkommen möglichst gemäss dem Prinzip der Abgeltungssteuer auszuhandeln. Demnach würden die Vermögens- und Kapitalertragssteuern ausländischer Bankkunden direkt an der Quelle erhoben und anonym an die Steuerbehörden jener Staaten überwiesen, in denen die Klientel steuerpflichtig ist. Im Juni nahm der Nationalrat als Erstrat die entsprechende Motion Graber (svp, BE) diskussionslos an, obschon der Abgeltungssteuer in der öffentlichen Debatte keine grosse Implementationschancen eingeräumt wurden [32].
Kein Erfolg beschieden war der eidgenössischen Volksinitiative „Verteidigen wir die Schweiz! Das Bankgeheimnis muss in die Bundesverfassung“. Die Initianten der Lega dei Ticinesi und der Tessiner und Jungen SVP brachten die nötigen Unterschriften nicht zusammen [33].
 
[30] EFD, Faktenblätter Steuern: Internationale Doppelbesteuerung; Presse vom 5.2., 18.3., 11.6.10.
[31] Vgl. dazu auch Motion 10.3341 (WAK NR) bzw. AB NR 2010, S. 885 ff., S. 915.; Amtshilfegesetz: NZZ 21.1.10 und BZ, 4.2.10; EFD, Medienmitteilung, 1.10.2010; BBl 2010, S. 5549. Amtshilfeverordnung: Presse vom 4.8.10.
[32] AB NR 2010, S. 1128 (Motion Graber); Bankgeheimnis, automatischer Informationsaustausch und Abgeltungssteuer: Lib., 22.1.10; Presse vom 4.2. bis 15.2. und 9.3.10. NZZ, 4.3., 1.4., 9.11. und 18.11.10; SoZ, 21.3.10; TA 17.6.10; SN 6.10.10; NZZ am Sonntag, 14.9.10; TA, 19.10.10; Presse vom 22.10., 26.10., 28.10. und 1.11.10; WoZ, 4.11.10; zur Diskussion, ob auch kantonalen Steuerbehörden Akteneinsicht gewährt werden soll: TA 13.2., 17.2., und 18.2.; BZ 16.2.10; NZZ, 17.2.10; Presse vom 22.2.10; SGT, 24.2.10; Zum Zickzackkurs der FDP: Presse vom 9.3., 10.3., 12.3., 24.3., 3.4., 7.4., 17.4., 26.4. und 14.7.10 sowie TA 16.9.10. Zur Weissgeldstrategie der SP: Presse vom 21.12.10.
[33] BBl 2010, S. 6639; Presse vom 24.7. und 25.9.10.