Année politique Suisse 2010 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Banken, Börsen und Versicherungen
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Volkswirtschaftliches Systemrisiko durch die Grossbanken („Too-big-to-fail“)
Mit der Absicht, den dritten finanzpolitischen Strategieansatz nach dem Zwischenbericht der Expertenkommission im April zu konkretisieren und angesichts der Drohungen der Linken und der CVP, den Staatsvertrag ohne eine verbindliche Regelung der Bonusfrage platzen zu lassen, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai die Botschaft zu einem „Bundesbeschluss über die Planung von Massnahmen zur Begrenzung volkswirtschaftlicher Risiken durch Grossunternehmen“. Über die Form eines Planungsbeschlusses sollte die über den Zwischenbericht der Expertenkommission auf die beiden Grossbanken eingegrenzte „Too-big-to-fail“-Thematik politisch gezielt über regulatorische Vorgaben zu Eigenmitteln, Liquidität, Risikoverteilung und Organisation (Vergütungs- bzw. Bonusfrage) im Rahmen des Bankengesetzes mit einem engen Zeitrahmen versehen und mit Bezug zum GPK-Bericht angegangen werden. Der Logik der ursprünglichen Zielsetzung folgend, die Zustimmung der SP zum Staatsvertrag über eine verbindliche Zusage zur Lösung der Bonifrage zu erhalten, gelangte der Planungsbeschluss parallel zu dem als Staatsvertrag verankerten Amtshilfeabkommen der USA betreffend UBS AG im Juni in die Räte [12].
Im Ständerat anerkannte die Mehrheit der Ratsmitglieder eine inhaltliche Verbindung der beiden Geschäfte. Die Notwendigkeit ihrer formalen Koordination (Zustimmung zum Planungsbeschluss als Grundvoraussetzung für eine Zustimmung zum Amtshilfegesuch) war jedoch nur für die Ratslinke gegeben. Obschon ihr die Vorschläge des Bundesrats zur Regelung der Vergütungsfrage zu wenig weit gingen, sah sie im Planungsbeschluss die Chance, der politischen Debatte zu „too-big-to-fail“ eine inhaltlich und formal verbindliche Ausrichtung zu geben und befürwortete deshalb ein Eintreten, während sich v.a. die Ratsmitte und die Rechte dagegen stellten. Mit 24 zu 18 Stimmen folgte die kleine Kammer dem Antrag der Kommissionsminderheit, auf den Planungsbeschluss nicht einzutreten [13].
Die nationalrätliche WAK hatte in ihren Vorberatungen den Planungsbeschluss abgelehnt und diesem eine Kommissionsmotion zur Regelung der Eigenmittel, Liquidität, Eigenhandel, Risikoverteilung, Risikomanagement und von falschen Lohnanreizen gegenübergestellt. Damit suchte sie insbesondere zu verhindern, dass der Bundesrat auf Basis des Planungsbeschlusses die umstrittene Bonusregulierung über eine geplante Vernehmlassung in Richtung Bonusbeschränkung (variable Vergütungen) bei staatlich unterstützten Finanzunternehmen und Bonussteuer (Boni als Teil der Gewinnausschüttung) lenkte. Insbesondere Letztere wurde von bürgerlicher Seite vehement bekämpft. Der Nationalrat folgte seiner Kommissionsmehrheit und beschloss gegen die geschlossen stimmenden Grünen und SP sowie fünf CVP- und einer BDP-Stimme bei zwei Enthaltungen Nichteintreten zum Planungsbeschluss. Mit 176 zu 1 Stimme bei 16 Enthaltungen, v.a. aus der SVP, nahm er aber gegen den Willen des Bundesrats die Motion der WAK an und überwies die Behandlung des Geschäfts an den Ständerat, der dieses bis Ende des Berichtsjahrs nicht behandelt hat  AB NR 2010, S. 814 ff.; Presse vom 8.6.10. Nach Bekanntwerden der Lohn- und Vergütungssumme von 68,7 Mio Fr. (UBS) bzw. 149 Mio Fr. (CS) wurde die Bonusfrage in der Öffentlichkeit erneut heftig diskutiert: Presse vom 16.3., 19.3., 24.3., 26.3.10. .
Nach dem Scheitern des Planungsbeschlusses knüpfte der Bundesrat die geplanten „Too-big-to-fail“-Massnahmen an den Schlussbericht der Expertenkommission, den diese Ende September veröffentlichte, nachdem sie das Erscheinen um einen Monat verschoben hatte. Auf öffentliches Interesse stiessen insbesondere die Forderungen der Expertenkommission nach wesentlich strengeren Eigenkapitalvorschriften für systemrelevante Banken als dies die internationalen Bestimmungen von Basel III vorsehen (siehe oben). Nach Kenntnisnahme des Schlussberichts beauftragte der Bundesrat das EFD mit der Ausarbeitung eines Vernehmlassungsentwurfs zur Revision des Bankengesetzes, der sich an den Empfehlungen der Expertenkommission zu orientieren hat. Im Dezember schickte er den Entwurf in die Vernehmlassung. Der Entwurf sieht neben strengeren Anforderungen zu Liquidität und Eigenmitteln eine bessere Verteilung der Risiken innerhalb der Finanzinstitute sowie die Möglichkeit ihrer Aufteilung bei drohender Insolvenz vor [15].
 
[12] BBl, 2010, 3367 ff.; Presse vom 23.4., 29.4., 14.5.10. SP und CVP und Verknüpfung mit der Bonusfrage: Presse vom 20.4., 23.4., 26.4., 18.4., 29.4., 14.5., 26.5. und 28.5.10 sowie SGT 17.5.10.
[13] AB SR 2010, S. 458 ff.; Presse vom 4.6.10.
[15] EFD, Medienmitteilung, 22.12.2010. Lösungsvorschläge verschiedener Akteure: Presse vom 24.3., 9.7. und 18.6.10 sowie NZZ, 16.4.10. Abschlussarbeiten und Schlussbericht der Expertengruppe: SoZ, 4.7.10; NZZ, 10.7., 27.8. und 21.9.10; TA, 23.8. und 18.910; SHZ, 25.8.10, AZ, 4.10.10. sowie Presse vom 5.10. und 7.10.10; NZZ, 14.10. und 21.10.10; AZ, 6.10. –15.10. Vernehmlassung: Presse vom 23.12.12.