Année politique Suisse 2010 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Direkte Steuern
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Steuerwettbewerb
Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hatte im Jahr 2008 eine Volksinitiative mit dem Titel „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb (Steuergerechtigkeitsinitiative)“ eingereicht. Diese Initiative will den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und Gemeinden einschränken. Die vorgeschlagene Regelung umfasst die folgenden Punkte: Der Grenzsteuersatz soll bei einem steuerbaren Einkommen ab 250 000 Fr. in allen Kantonen mindestens 22% betragen, der Satz für Vermögen ab 2 Mio Fr. mindestens 5 Promille. Zudem soll ein Verbot von degressiven Steuermodellen in der Verfassung festgeschrieben werden. Der Bundesrat beantragte, diese Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Der Ständerat war im Vorjahr gleicher Meinung und stimmte gegen die Vorlage. Im Berichtsjahr befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative. Die vorberatende Kommission hatte sich dafür ausgesprochen, dem Ständerat zu folgen und die Initiative ohne Gegenentwurf dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Begründet wurde der Entscheid mit den negativen Folgen der Einschränkungen des Steuerwettbewerbs für die ganze Schweiz sowie des Eingriffes der Initiative in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden. Eine Minderheit der Kommission, speziell Mitglieder der grünen Fraktion, wollte das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, einen direkten Gegenvorschlag auszuarbeiten, der sich am Modell Zehnder orientieren sollte. Dieses Modell sah vor, das die unteren Einkommen von der Gemeinde, die mittleren vom Kanton und die hohen durch den Bund besteuert würden. In der Plenardebatte wurden von bürgerlicher Seite die Argumente der Kommissionsmehrheit aufgenommen während sich die Ratslinke gegen den kantonalen Steuerwettbewerb und die ihrer Meinung nach schädlichen Auswirkungen wehrte. Mit 128 zu 64 Stimmen folgte der Nationalrat in der Abstimmung seiner Kommission und empfahl die Initiative zur Ablehnung. Die Linke hatte geschlossen für das Volksbegehren, die Bürgerliche Seite geschlossen dagegen votiert .
Am 28. November stimmte das Volk über die Steuergerechtigkeitsinitiative ab. Sie wurde mit 58,5% Nein Stimmenanteil verworfen. Einzig in den Kantonen Genf, Neuenburg, Jura und Basel-Stadt fand das Volksbegehren eine Mehrheit. Damit verfehlte die Volkinitiative auch das Ständemehr. Für das Begehren eingesetzt hatten sich im Vorfeld neben den Sozialdemokraten auch die Grünen und die Gewerkschaften. Sie sahen in der Initiative ein wirkungsvolles Instrument zur Eindämmung des als schädlich empfundenen Steuerwettbewerbs und ein moderates und zielgerichtetes Mittel um die immer weiter fortschreitende steuerliche Entlastung der hohen Einkommen zu bekämpfen. Da die Initiative nur Mindestsätze vorschreibe, würde auch die Kantonsautonomie in Steuerfragen nicht zu sehr eingeschränkt. Gerade der letzte Punkt, nämlich die Einschnitte in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden war jedoch ein wichtiger Grund, warum die Bürgerlichen und auch die Kantone das Begehren bekämpften. Mit ihnen hatten auch Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband die Nein-Parole beschlossen. Zu reden gaben auch die Auswirkungen der Initiative auf die Steuerlast des Mittelstandes. Die Gegner behaupteten, dass bei einer Annahme der Initiative der gesamte Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste, da die gesamte Steuerstruktur angepasst werden müsste  [8].
VI „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb“
Abstimmung vom 28. November 2010

Beteiligung: 50,9%
Ja: 1 072 668 (41,5%) / Stände: 3 1/2
Nein: 1 510 945 (58,5%) / Stände: 17 5/2

Parolen:
Ja: SP, EVP, CSP, GP, SGV, SGB, TravS.
Nein: FDP, CVP,SVP, EDU, Lega, BDP, GLP (1)* ; economiesuisse, SGV.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass das Abstimmungsverhalten stark vom Links-Rechts Gegensatz geprägt war. Während SP-Sympathisanten zu fast 80% ein Ja in die Urne legten, lehnten bürgerliche Wählerschaften die Initiative zu sehr hohen Prozentsätzen ab. Gründe für ein Ja waren unter anderem, dass man degressive Steuermodelle verbieten wollte, soziale Aspekte und eine generelle Skepsis gegenüber dem Steuerwettbewerb. Das Kontra-Argument, das am meisten Zuspruch fand, war, dass mit der Annahme der Initiative der Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste  [9].
 
[8] BBl, 2010, S. 4245 ff.; Presse 15.10.-28.11.10.
[9] Lit. Milic/Vatter.