Année politique Suisse 2010 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Wohnungsbau und -eigentum
Im Januar präsentierte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrates die Vernehmlassungsergebnisse zum Gesetzesvorentwurf zur parlamentarischen Initiative von alt Nationalrat Hegetschweiler (fdp, ZH), welche einen Steueraufschub bei Ersatzbeschaffung von selbstbewohnten Liegenschaften verlangt. Die Gesetzesrevision will den erneuten Wechsel von der absoluten zur relativen Methode des Grundstückgewinns, was bedingt, dass auch Steueraufschub gewährt werden kann, wenn der Grundstückspreis des Ersatzobjekts geringer ist als derjenige der ursprünglichen Liegenschaft. Die Ergebnisse der Vernehmlassung waren überwiegend negativ. Während zwar die FDP, CVP und SVP sowie der Kanton Neuenburg den Entwurf mit Argumenten der Förderung von Wohneigentum und beruflicher Mobilität unterstützten, sahen die restlichen Kantone und die SP im vorgeschlagenen Systemwechsel überwiegend steuerrechtliche Nachteile. Mit einem Mehr von 14 zu 8 Stimmen bei zwei Enthaltungen beschloss die Kommission jedoch, dem Rat den ursprünglichen Vernehmlassungsentwurf zu unterbreiten. In seiner darauffolgenden Stellungnahme sprach sich der Bundesrat wie die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer ebenfalls für den Erhalt der absoluten Methode aus, da sich diese als sachgerecht und praktikabel erwiesen habe und der beruflichen Mobilität nicht entgegenstehe. Da bei der relativen Methode Steueraufschub ebenfalls für den nicht reinvestierten Gewinn möglich wäre, befürchtete er eine Privilegierung der Liegenschaftsbesitzer und damit verbundene steuerliche Mindereinnahmen bei den Kantonen. Weiter bemängelte er, dass ein solches System steuerrechtlichen Grundprinzipien, namentlich dem Realisationsprinzip und dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, widerspreche. Zustimmung erhielten jedoch die im Entwurf festgehaltenen Regelungen zu Besteuerungskompetenz und Meldepflicht im Falle von interkantonaler Ersatzbeschaffung. Im Nationalrat stellte die Kommissionsminderheit einen Antrag auf Nichteintreten, welcher jedoch dank bürgerlicher Opposition deutlich abgelehnt wurde. Der Nationalrat folgte in allen Punkten seiner Kommission und beantragte in der Gesamtabstimmung mit 104 bürgerlichen zu 58 Stimmen aus dem linken Lager die Annahme des Entwurfes. Ein anderes Bild zeigte sich in der Wintersession im Ständerat. Auf Anraten seiner Kommission, welche klar den Argumenten des Bundesrats und der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer folgte, beschloss die Kleine Kammer diskussionslos, nicht auf die Vorlage einzutreten, worauf das Geschäft zurück an den Nationalrat ging [13].
Im März präsentierte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) die Vernehmlassungsergebnisse zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative „Sicheres Wohnen im Alter“. Im Vorjahr sprach sich der Bundesrat bereits aus mehreren Gründen gegen die Initiative des Hauseigentümerverbands (HEV) aus, welche Wohneigentumsförderung für Rentnerinnen und Rentner durch eine fakultative Befreiung von der Eigenmietwertbesteuerung fordert. Bei Inanspruchnahme sollten im Gegenzug die mit dem Wohneigentum verbundenen Schuldzinsen nicht mehr als Abzug geltend gemacht werden können. Der Gegenvorschlag des Bundesrates wurde in der Vernehmlassung insbesondere von den Kantonen grossmehrheitlich abgelehnt. Die vorgeschlagene generelle Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung stiess auf Kritik und wurde nicht als geeignetes Förderinstrument für Neuerwerber und junge Familien anerkannt. Ebenfalls nicht honoriert wurden die vorgesehenen Ausnahmen zur Berechtigung von Schuldzinsabzug; diese verstiessen gegen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Mit Ausnahme der Zweitliegenschaftssteuer hielt der Bundesrat jedoch an all seinen Eckwerten fest [14]. So blieb er bei der generellen Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung für alle Wohneigentümer, wobei im Gegenzug keine Abzüge für Hypothekarzinse und Unterhaltskosten mehr zulässig wären. Eine Ausnahme schaffte er für Ersterwerber und für Vermieter. Letztere könnten Schuldzinsen weiterhin bis zu 80 Prozent abziehen, sofern sie einen steuerbaren Vermögensertrag generieren. Diesen Zusatz fügte der Bundesrat nachträglich ein, da ein generelles Verbot für Schuldzinsabzüge, wie er es in einem Zwischenentscheid im Sinne hatte, zu einer Ungleichbehandlung von privaten und institutionellen Vermietern führen würde, da nur Erstere vom Verbot betroffen wären. Des Weiteren soll es möglich sein, Auslagen für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen abzuziehen. Laut dem Bundesrat würde dies im betreffenden Bereich eine erhebliche Vereinfachung des Steuersystems nach sich ziehen [15].
Im Berichtsjahr beriet das Parlament über zwei Volksinitiativen zur Einführung von steuerlich privilegiertem Bausparen für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Die 2008 von der Schweizerischen Gesellschaft zur Förderung des Bausparens (SGFB) eingereichte Bauspar-Initiative, welche über den erstmaligen Erwerb hinaus zusätzlich Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen am Eigentumsobjekt steuerlich privilegieren lassen will, sieht eine fakultative Einführung in den Kantonen vor. Die Initiative des HEV verzichtet auf diesen Zusatz, will Kantone und Bund jedoch zur Übernahme der Regelung zwingend verpflichten. In seinem vorjährigen Bericht legte der Bundesrat ausführlich dar, dass er das Instrument des steuerlich privilegierten Bausparens weder als effektives noch als effizientes Mittel zur Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum ansehe und darüber hinaus der Ansicht sei, dass bestehende Vorbezugsmöglichkeiten wirksame und bereits ausreichende Instrumente zur Wohneigentumsförderung darstellten. Anderer Ansicht war der Nationalrat, welcher die Vorlage als Erstrat in der Frühjahrssession behandelte und auf Anraten einer deutlichen Kommissionsmehrheit gleich beide Initiativen mit deutlichem Mehr zur Annahme empfahl. Für Ablehnung beider Initiativen machte sich die SP stark, welche insbesondere bei der Bauspar-Initiative der SGFB volle Unterstützung von den Grünen erhielt. Federführend bei den Beratungen war Nationalrat Hans Rudolf Gysin (fdp, BL), welcher seit Jahren und aktuell mit zwei eingereichten parlamentarischen Initiativen für das Bausparanliegen kämpft. Wird das Volk die Bauspar-Initiativen ablehnen, wird es auch mit dem Bausparen im Kanton Basel-Land zu Ende sein. Das Baselbieter Modell ist in diesem Sinne schweizweit einzigartig und an sich rechtswidrig, seit der Bund das Bausparen vor fünf Jahren verboten hat. Halten konnte sich die Regelung im Halbkanton bisher nur, weil die Diskussion um eine eidgenössische Einführung seither immer auf der politischen Agenda stand. Anhand des Baselbieter Modells konnten die Befürworter dann auch aufzeigen, dass das Bausparen insbesondere vom Mittelstand genutzt werde und somit nicht speziell nur diejenigen Personen begünstige, welche sich auch ohne Fördermassnahmen ein Eigenheim leisten könnten. Eine Studie der Hochschule Luzern zeigte hingegen auf, dass die Wohneigentumsquote in vielen Kantonen höher liegt als im Baselland und in den drei weiteren Kantonen, die Bausparen in einer anderen Form kennen, was die Effektivität des Instrumentes zumindest teilweise wieder in Frage stellte [16].
Für eine alternative Lösung sprach sich der Ständerat in der Sommersession aus. Eine Ratsmehrheit anerkannte einen Handlungsbedarf im Bereich der Wohneigentumsförderung, erachtete die vorgesehenen Bausparmodelle der Initiative jedoch als problematisch, da diese insbesondere zu einer zusätzlichen und unnötigen Verkomplizierung des Steuersystems führen würden. Mit 25 zu 16 Stimmen beschloss die Kleine Kammer, die Initiative des SGFB zur Ablehnung zu empfehlen. Freundlicher stand der Rat der durch den HEV initiierten Volksinitiative gegenüber und markierte damit auch einen Richtungswechsel in seiner bisherigen, ablehnenden Haltung gegenüber Bauspar-Anliegen. Auf Antrag Niederberger (cvp, NW) einigte sich der Ständerat einstimmig, das Anliegen mit dem Auftrag zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesstufe an die Kommission zurückzuweisen. Um eine speditive Behandlung des Rückweisungsantrags zu fördern, reichte dessen Urheber kurz zuvor bereits eine parlamentarische Initiative mit betreffendem Anliegen ein. Zwei Wochen später verabschiedete die WAK-S eine parlamentarische Initiative zur Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags zu den beiden Volksinitiativen. Nachdem die nationalrätliche Schwesterkommission dem Anliegen Folge gegeben hatte, erarbeitete die WAK-S einen Vorentwurf für die Gesetzesänderung, welcher auf Beschluss der Kommission anfangs November in die Vernehmlassung ging. Der Vorentwurf orientiert sich am Modell des HEV und verlangt eine identische Limite der Steuerabzüge, namentlich 10 000 Franken pro Person und Jahr, respektive 20 000 pro Ehepaar, und das während einer maximalen Dauer von 10 Jahren. Zusätzlich zu den Volksanliegen konkretisiert der Vorentwurf, dass das Bausparguthaben nicht von der kantonalen Vermögenssteuer und die aus dem Bausparkapital erwachsenen Zinsen nicht ebenfalls von der Einkommenssteuer befreit werden. Bei nicht-zweckkonformer Verwendung der Bauspareinlagen soll zudem eine nachträgliche Erhebung der Einkommenssteuer erfolgen. Diese Zusätze sollen insbesondere eine missbräuchliche Verwendung der Bauspareinlagen verhindern [17].
Im Herbst nahm der Nationalrat gegen Antrag des Bundesrates die beiden gleichlautenden Motionen Müller (fdp, AG) und Leutenegger Oberholzer (sp, BL) an, welche beabsichtigen, mit einer Harmonisierung der kantonalen Bauvorschriften die Baukosten zu reduzieren, was nach Ansicht der Initianten eine Senkung der Wohnkosten nach sich ziehen würde. Der Nationalrat sprach sich in diesem Sinne beinahe oppositionslos für eine zusätzliche Kompetenzübertragung an den Bund aus [18].
In der Wintersession entschied der Nationalrat über einen vom Bundesrat beantragten Rahmenkredit für Eventualverpflichtungen in der Wohnraumförderung in der Höhe von 1,4 Mia Fr. Dies soll dem Bund ermöglichen, zwischen 2011 und 2015 jährlich drei Emissionen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW) zu verbürgen und so indirekt zum preisgünstigen Wohnungsbau beizutragen. Aufgrund der positiven Erfahrungen, die mit der EGW gemacht wurden, nahm der Nationalrat das Geschäft mit 105 zu 69 Stimmen an. Der Antrag auf Ausgabenbremse, welche von einer geschlossenen SVP und von Teilen der FDP unterstützt wurde, unterlag mit ähnlichem Stimmverhältnis [19].
 
[13] BBl, 2010, S. 2585 ff., 2615 ff. und 2619 ff.; AB NR, 2010, S. 916 ff.; AB SR, 2010, S. 1164. Vgl. SPJ 2009, S. 182.
[14] Zur Streichung der Zweitliegenschaftssteuer aus dem Entwurf siehe oben (Bodenrecht).
[15] BBl, 2010, S. 5303 ff.; NZZ, 18.5., 28.5. und 24.6.10. Der Rat wird das Geschäft zusammen mit den Motionen Schweiger (Mo 09.3215) und Sommaruga (Mo 09.3213) behandeln. Vgl. SPJ 2009, S. 182.
[16] AB NR, 2010, S. 490 ff.; NZZ, 16.3.10; TA und BaZ, 19.5.10. Vgl. SPJ 2009, S. 181.
[17] AB SR, 2010, S. 522 ff.; pa.Iv. 10.447 (Niederberger); pa.Iv. 10.459 (WAK-S); BBl, 2010, S. 7759. www.admin.ch (Vernehmlassungsentwurf).
[18] AB NR, 2010, S. 1440 ff.
[19] BBl, 2010, S. 5557 ff.; AB NR, 2010, S. 1982 ff.