Année politique Suisse 2010 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Eine Motion Kaufmann (svp, ZH) forderte, dass die Alters- und Hinterbliebenenrente der AHV steuerlich vollständig befreit werden sollte. Einerseits würde diese, dem Willen der Motion entsprechend, aus der Liste der steuerbaren Einkünfte im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer gestrichen. Andererseits sollte es den Gemeinden und Kantonen freigestellt bleiben, diese
Steuerbefreiung ebenfalls einzuführen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, da eine solche Steuerfreiheit mit sehr hohen Mindereinnahmen verbunden wäre, die Solidarität unter den Generationen strapaziert würde und die Besteuerungsgrundsätze der Allgemeinheit und der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verletzt würden. Der Nationalrat folgte dieser Argumentation und lehnte die Motion mit 112 zu 48 Stimmen ab
[2].
Die leistungsseitigen Massnahmen der 11. AHV-Revision gingen im Berichtsjahr in die
Differenzbereingung. Der
Nationalrat beschäftigte sich insbesondere mit zwei Differenzen, die zum Ständerat entstanden waren. Die erste Differenz bezog sich auf die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Frage, ob die dadurch eingesparten 800 Mio Fr. teilweise oder ganz für eine sozial abgefederte Frühpension eingesetzt werden sollen. Die SVP und Teile der FDP-Liberalen Fraktion vertraten die Meinung, dass die Einsparungen für die langfristige Sicherung der AHV aufzuwenden seien. Der entsprechende Antrag Kleiner (fdp, AR) wurde mit 91 zu 90 Stimmen jedoch knapp zugunsten eines Kompromissvorschlages der CVP abgelehnt. Dieser sah vor, die Hälfte des eingesparten Geldes für die soziale Abfederung einzusetzen. Durch einen taktisch geführten Abstimmungskampf gelang es der SVP und FDP-Liberalen, dass sich der Rat weigerte, die Ausgabenbremse zu lösen und die Mittel für die zuvor angenommene Maximalvariante frei zu geben. Die zweite Differenz bezog sich auf die Bestimmungen zur Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung. Auch diese Differenz zum Ständerat wurde nicht ausgeräumt. Die grosse Kammer beschloss dem Antrag der Kommissionsmehrheit zu folgen und einen Teuerungsausgleich anzunehmen, der alle zwei Jahre erfolgen soll. Ausserdem stimmte sie einem Einzelantrag Baader (svp, BL) zu, der daran festhielt, dass Leistungen aus patronal finanzierten Personalfürsorgestiftungen nicht als Bestandteil des massgebenden Lohnes zu betrachten und deshalb nicht AHV-pflichtig sind. Die übrigen Differenzen mit dem Ständerat räumte der Nationalrat aus
[3].
Der
Ständerat hielt in der
Differenzbereinigung daran fest, dass die Erhöhung des Rentenalters der Frauen mit einer Subventionierung der vorzeitigen Pensionierung für tiefere Einkommen zu verknüpfen sei. Er stimmte aber einem Kompromissvorschlag von Bundesrat Didier Burkhalter zu, der den Kreis der Nutzniesser so einschränken wollte, dass eine verbilligte Frührente nur Personen mit einem Einkommen zwischen ca. 41 000 und 61 000 Fr. gewährt würde. Beim zweiten Diskussionspunkt über die Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung stimmte der Ständerat mit 25 zu 8 Stimmen der Kommissionsmehrheit zu, welche einen Kompromissvorschlag formuliert hatte. Schliesslich hielt der Rat ohne Gegenantrag daran fest, dass auch Leistungen aus patronal finanzierten Personalfürsorgestiftungen Bestandteil des massgeblichen Lohnes seien
[4].
In der
weiteren Differenzbereinigung stimmte die grosse Kammer weitgehend den Beschlüssen des Ständerates zu. Bei der Anpassung der AHV-Renten an die Teuerung folgte der Nationalrat mit 110 zu 63 Stimmen der Variante des Ständerates. Auch bezüglich der Kompensation der Anpassung des Rentenalters folgte der Nationalrat dem Ständerat gegen den Willen von zwei Minderheitsanträgen. In der verbliebenen Differenz bezüglich der patronalen Fürsorgestiftungen folgte hingegen die kleine Kammer dem Nationalrat
[5].
In der
Schlussabstimmung kam es im Nationalrat zu einer „unheiligen Allianz“ zwischen der Linken und der SVP, welche der Vorlage die Zustimmung verweigerte. Linke und Grüne argumentierten damit, dass die Sparmassnahmen bei der AHV auf Kosten der Frauen zu wenig sozial abgefedert seien. Die SVP hingegen lehnte die Vorlage ab, weil sie sachlich falsch sei und sozialpolitisch unnötige Elemente enthalte. Das Bundesgesetz über die leistungsseitigen Massnahmen wurde im Nationalrat schliesslich mit 118 zu 72 Stimmen
abgelehnt. Der Ständerat hingegen nahm das Gesetz mit 31 zu 9 Stimmen bei zwei Enthaltungen an
[6].
[2]
AB NR, 2010, S. 925 f.
[3]
AB NR, 2010, S. 28 ff. Siehe
SPJ 2009, S. 213.
[4]
AB SR, 2010, S. 492 ff.
[5]
AB NR, 2010, S. 1275 ff.;
AB SR, 2010, S. 829 f.
[6]
AB NR, 2010, S. 1670 f.;
AB SR, 2010, S. 1007.
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