Année politique Suisse 2010 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
 
Krankenversicherung
Eine Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates forderte, dass die Änderungen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung zur Umsetzung der Ziele des Berichtes „Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen“ rasch erfolgen sollen. Insbesondere soll darin die Frage der Finanzierung von einer nationalen Organisation zur Umsetzung der Qualitätsstrategie geregelt werden. Der Bundesrat lehnte die Motion mit der Begründung ab, dass er zunächst eine Abklärung und Prüfung in diesem Rahmen abwarten wolle. Der Nationalrat folgte hingegen der Empfehlung seiner Kommission, welche die Motion mit 18 zu 7 Stimmen zur Annahme empfohlen hatte [32].
Die grosse Kammer gab einer Standesinitiative des Kantons Genf mit 85 zu 66 Stimmen Folge. Die Initiative verlangt eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes, damit künftig die Reserven für jeden Kanton, in welchem die Versicherer die obligatorische Krankenversicherung betreiben, separat gebildet werden. Die Kommission des Nationalrates hatte mit 10 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen beantragt, der Initiative keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit betonte jedoch, dass die Ablehnung der Standesinitiative nicht bedeute, dass die Kommissionsmehrheit im Bereich der Reservebildung keinen Handlungsbedarf sehe. Eine Motion der Kommission des Nationalrates zielte in eine ähnliche Richtung wie die oben erwähnte Standesinitiative und wurde von der grossen Kammer ebenfalls angenommen. Sie beauftragte den Bundesrat bezüglich der Reservepolitik der Krankenversicherer zeitgerecht eine Gesetzesrevision vorzulegen, mit der Zielsetzung, dass überhöhte Reserven in einem Kanton abgebaut werden, dass ein Modus und Zeitplan für die Anpassung der kalkulatorischen kantonalen Reservequoten geschaffen wird, und dass verhindert wird, dass die Krankenversicherer willkürlich Reserven auf die Kantone verteilen und die Transparenz erhöht wird [33].
Auch die kleine Kammer nahm eine Motion Maury Pasquier (sp, GE) an, welche in die gleiche Richtung zielte wie die oben erwähnten Vorstösse und die Verringerung übermässiger Reserven in der obligatorischen Krankenversicherung forderte. Dies soll erreicht werden, indem das Krankenversicherungsgesetz so zu ergänzen sei, dass das BAG Mindest- und Höchstreservesätze festsetzen kann und zwar entsprechend den verschiedenen Arten von Risiken.
Hingegen lehnte der Ständerat mit 24 zu 10 Stimmen eine Motion Fetz (sp, BS) ab, welche eine automatisierte Äufnung von kantonalen, kalkulatorischen Krankenkassenreserven forderte, sofern diese in einem Kanton fehlen. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, da damit die Mindestreserven kantonalisiert würden, was zur Folge hätte, dass die Versicherer in kleinen Kantonen über höhere Reserven verfügen müssten als diejenigen in grossen Kantonen [35].
Mehr Erfolg hatte eine vom Ständerat im Vorjahr angenommene Motion Fetz (sp, BS), welche den Bundesrat beauftragen wollte, die kalkulatorischen kantonalen Krankenkassenreserven bis 2012 angleichen zu lassen. Der Bundesrat hatte die Motion zur Annahme empfohlen, was auch die vorberatende Kommission mit einer sehr knappen Mehrheit von 12 zu 11 Stimmen tat. Eine rechtsbürgerliche Minderheit fürchtete, dass die Motion kontraproduktiv sei, weil sie zusätzlich eine kantonale Ebene in die eigentlich landesweit zu gestaltende Reservepolitik einzubringen drohe. Ebenso knapp wie in der Kommission wurde die Motion im Nationalrat durch den Stichentscheid der Präsidentin angenommen [36].
Eine parlamentarische Initiative Bänziger (gp, ZH), welche die gesetzlichen Grundlagen schaffen wollte, um Krankenversicherer mit Kapitalanlagen an der Börse zusätzlich der Aufsicht der Finma zu unterstellen, lehnte die grosse Kammer mit 152 zu 24 Stimmen deutlich ab [37]. Hingegen nahm der Nationalrat ein Postulat Humbel (cvp, AG) an, welches den Bundesrat beauftragt, einen Bericht darüber vorzulegen, wie die Aufsicht über die Sozialversicherungen, insbesondere im Bereich der Krankenversicherung, verbessert werden kann. Dabei soll aufgezeigt werden, wie hoch die Reservebildung sein muss und welche Institution die Aufsicht am besten gewährleisten kann. Der Bundesrat hatte die Annahme empfohlen, da er bereits in seiner Stellungnahme zu einem Postulat der Kommission des Nationalrates bezüglich einer besseren Aufsicht und schärferen Kontrolle über die Krankenversicherer seine Bereitschaft für einen solchen Bericht erklärt hatte [38]. Ebenfalls angenommen wurde ein Postulat der Kommission des Nationalrates, welches einen Katalog von Massnahmen forderte, die zum Ziel hatten, die Aufsicht über die Krankenkassen zu stärken und die Transparenz zu erhöhen [39].
Diskussionslos nahm der Nationalrat eine Motion Giezendanner (svp, AG) an, welche forderte, dass die Krankenkassen jährlich in ihrem Geschäftsbericht die Entschädigungssumme für den gesamten Verwaltungsrat, den Vorstandspräsidenten und den CEO einzeln offenlegen müssen. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt, da eine Umsetzung im Rahmen des neuen Aufsichtsgesetzes, dessen Vorentwurf Ende 2010 in die Vernehmlassung gesendet wurde, erfolgen soll [40].
Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) mit 105 zu 45 Stimmen ab. Die Initiative forderte, dass das Bundesgesetz über die Krankenversicherung dahingehend geändert werde, dass den Kantonen die Möglichkeit gegeben wird, eine kantonale Einheitskasse für die Grundversicherung zu schaffen. Die Kommission des Nationalrates hatte die parlamentarische Initiative mit 15 zu 4 Stimmen bei 6 Enthaltungen zur Ablehnung empfohlen, weil diese eine Kantonalisierung des Gesundheitswesens verstärken würde, Einheitskassen nicht als Rezept gegen die steigenden Gesundheitskosten angesehen werden und es den Kantonen bereits heute freigestellt sei, öffentliche Krankenkassen zu gründen [41].
Ebenfalls keinen Erfolg hatte eine parlamentarische Initiative der SP, welche die Schaffung einer einzigen nationalen öffentlichen Krankenkasse forderte, die vom Bund mit der Umsetzung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beauftragt würde. Die Kommission des Nationalrates hatte die Initiative mit 16 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung zur Ablehnung empfohlen. Dies insbesondere mit der Begründung, dass die schon mehrfach diskutierte Idee einer nationalen Einheitskasse nicht als Lösung für die Probleme im Gesundheitswesen angesehen werden könne. Eine links-grüne Minderheit hingegen befürwortete die Initiative, da sich der Wettbewerb unter den Krankenversicherern nicht bewährt habe. Der Nationalrat folgte allerdings der Mehrheit seiner Kommission und lehnte die parlamentarische Initiative mit 104 zu 53 Stimmen ab [42].
Eine Motion Gutzwiller (fdp, ZH), welche die Zulassung von Versicherungsformen forderte, bei denen die Versicherten sich in stärkerem Ausmass an den Kosten beteiligen können als bisher, hatte auch keinen Erfolg. Durch die Motion sollten die Wahlfranchisen neu mit einer Obergrenze von 3000 Fr. und nicht wie bisher 2500 Fr. angeboten werden. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt, da er dadurch die Solidarität zwischen jüngeren und älteren sowie zwischen gesunden und kranken Versicherten geschwächt gesehen hätte. Der Ständerat folgte der Empfehlung des Bundesrates und lehnte die Motion mit 20 zu 11 Stimmen ab [43].
Eine von der kleinen Kammer angenommene Motion Frick (cvp, SZ), welche forderte, dass Krankenkassen unter einheitlicher Leistung für die obligatorische Grundversicherung in derselben Prämienregion dieselbe Prämie festlegen müssen und so den Aufbau von Billigkassen unterbinden wollte, wurde im Nationalrat mit 98 zu 84 Stimmen abgelehnt, nachdem die vorberatende Kommission des Nationalrates diese mit 13 zu 11 Stimmen bei 3 Enthaltungen zur Ablehnung empfohlen hatte [44].
Diskussionslos lehnte der Nationalrat eine Motion Robbiani (cvp, TI) ab, welche forderte, dass der Deckungszeitraum der Krankentaggeldversicherung und der Krankenpflegeversicherung vereinheitlicht werden. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, da für die Krankentaggeldversicherung kein Obligatorium bestehe [45].
Eine Motion der Fraktionen von CVP, EVP und GLP forderte dringliche Massnahmen gegen den Anstieg der Prämien in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Der Nationalrat hatte im Vorjahr bereits die ersten drei Ziffern der Motion angenommen. Dabei ging es erstens um den kontinuierlichen Anstieg der Tarife für ambulante Spitalbehandlungen, zweitens um die hohen Preise von Medikamenten und drittens um die hohen Preise von diagnostischen und therapeutischen Mitteln und Gegenständen. Ziffer 4 der Motion hatte der Nationalrat gemäss Empfehlung des Bundesrates abgelehnt. Diese bezog sich auf eine Höchstgrenze für die Sicherheitsreserven in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Der Ständerat folgte nun dem Nationalrat und den Empfehlungen von Kommission und Bundesrat und nahm ebenfalls Ziffer 1 bis 3 der Motion an und lehnte Ziffer 4 ab [46].
Mit dem Stichentscheid der Präsidentin lehnte der Ständerat eine Motion Kuprecht (svp, SZ) ab, welche die Sans-Papiers von der Grundversicherung in der Krankenpflege ausnehmen und deren Gesundheitsversorgung über andere gesetzliche Wege regeln wollte. Der Motionär begründete sein Anliegen insbesondere mit erheblichen praktischen Problemen bei der Krankenversicherung von Sans-Papiers. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, da er der Ansicht war, dass die vom Motionär aufgeworfene Problematik nicht durch den Ausschluss einer Bevölkerungsgruppe aus dem Krankenversicherungsgesetz gelöst werden könne. Vom Nationalrat angenommen wurde hingegen ein Postulat Heim (sp, SO), welches den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zur Problematik „Krankenversicherung und Zugang zur Gesundheitsversorgung von Sans-Papiers“ auszuarbeiten. Insbesondere geht es der Postulantin darum zu klären, ob und wie eine einheitliche, rechtliche und gesundheitspolitisch korrekte Handhabung der Versicherung von Sans-Papier geregelt werden kann [47].
Eine Motion Teuscher (gp, BE) forderte, dass die Gehälter der oberen Kader bzw. die Entschädigung der Leitungsorgane der Versicherer im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung nach oben begrenzt werden können. Der Bundesrat war der Ansicht, dass kein Anlass bestehe, die Löhne der leitenden Organe der Krankenversicherer zu begrenzen, solange die Versicherer ihre Verwaltungskosten auf das für eine wirtschaftliche Geschäftsführung erforderliche Mass beschränken und beantragte daher die Ablehnung der Motion. Diese Meinung teilte auch der Nationalrat, welcher den Vorstoss mit 112 gegen 58 Stimmen ablehnte [48].
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Revision des Krankenversicherungsgesetzes
Vor dem Hintergrund der Prämienerhöhungen hatte der Bundesrat im Vorjahr eine Botschaft für eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes mit Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung vorgelegt. Das Geschäft war in der Differenzbereinigung steckengeblieben. Im Berichtsjahr wurde die Vorlage nun zu Ende verhandelt. Bei der weiteren Beratung der Differenzen hielt der Ständerat, abgesehen vom Verbot der Finanzierung von Telefonwerbung, an seinen Beschlüssen fest. Demnach plädierte er nach wie vor dafür, dass in den Rechnungen die Diagnosen in verschlüsselter Form aufgeführt werden müssen. Ausserdem bestätigte er seinen Beschluss, wonach bei gleicher Eignung nur noch Präparate zu zahlen sind, die maximal 10% teurer sind als das jeweils günstigste Medikament. Auch bei der zweiten Vorlage, beim differenzierten Selbstbehalt, hielt er an seiner Linie fest und forderte, diese Frage in der Managed-Care-Vorlage zu lösen [49].
In der weiteren Differenzbereinigung schwenkte der Nationalrat in der Frage der Aufführung der Diagnosen in den Rechnungen auf die Linie der kleinen Kammer um, ergänzte die neue Vorschrift jedoch mit einem Auftrag an den Bundesrat, der dazu nähere Vorschriften erlassen sollte und dabei den Datenschutz und das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten habe. In der Frage der Kostenvergütung der Medikamente hielt der Nationalrat an seiner Fassung fest. Bei den übrigen Differenzen schloss er sich dem Ständerat an [50].
Der Ständerat schloss sich in der Folge bei der Frage der verschlüsselten Diagnosen der Formulierung der grossen Kammer an. Als letzte Differenz blieb damit die Abgabe von preisgünstigen Medikamenten. Eine Kommissionsmehrheit hatte beantragt, an der Fassung des Ständerates festzuhalten. Der Entscheid fiel knapp, mit 20 zu 20 Stimmen und dem Stichentscheid der Präsidentin, zugunsten des Festhaltens an der eigenen Position aus [51].
Die damit notwendig gewordene Einigungskonferenz entschied sich betreffend die Modalitäten bei der Abgabe von preisgünstigen Medikamenten für die Fassung des Nationalrates. Diesem Antrag schlossen sich die beiden Räte diskussionslos an [52].
In der Schlussabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage über die Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung mit 33 zu 0 Stimmen bei 9 Enthaltungen an. Im Nationalrat hingegen sprach sich die SP-Fraktion gegen die Vorlage aus, da diese einseitig und unsozial sei. Neben der SP stimmte auch die SVP-Fraktion zu einem grossen Teil gegen die Vorlage, während sich die Grünen mehrheitlich der Stimmen enthielten. So wurde das Geschäft in der grossen Kammer mit 97 zu 76 Stimmen bei 19 Enthaltungen abgelehnt [53].
Nachdem die erste Vorlage über die Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung somit gescheitert war, folgte der Ständerat in der Wintersession dem Nationalrat auch bezüglich des zweiten Teils der Vorlage, welcher sich mit dem differenzierten Selbstbehalt beschäftigte. Der Ständerat stimmte damit dem Nichteintretensentscheid des Nationalrates zu, da die Frage des differenzierten Selbstbehaltes im Rahmen der Managed-Care Vorlage, die im Folgenden beschrieben wird, behandelt werden sollte [54].
Nach dreieinhalb Jahren befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit der KVG-Revision zu Managed-Care. Zentrale Elemente der Vorlage sind die Verpflichtung der Krankenversicherer, Managed-Care-Modelle anzubieten, die Budgetverantwortung für die integrierten Versorgungsnetzwerke sowie der differenzierte Selbstbehalt für die Versicherten. Das Eintreten auf die Vorlage war in der grossen Kammer unbestritten, da alle Fraktionen die Bedeutung und den Wert von Managed Care betonten. Uneinig war sich der Rat über die Frage der Kostenbeteiligung der Versicherten. Eine links-grüne Minderheit bekämpfte erfolglos die Erhöhung des Selbstbehaltes. Ebenfalls gegen die Stimmen aus dem links-grünen Lager beschloss der Nationalrat, dass Versicherte in der Regel drei Jahre lang in einem Managed-Care Modell verbleiben, ausser sie bezahlen die Austrittsprämie. Eine Mehrheit von 99 zu 67 Stimmen unterstützte einen Angebotszwang von Managed-Care-Modellen für Krankenversicherer. Der Nationalrat nahm ausserdem einen Einzelantrag Füglistaller (svp, AG) an, welcher den Bundesrat verpflichtet, Anforderungen an die Qualität und den Umfang der Budgetverantwortung der Versorgungsnetzwerke festzulegen. Auf Antrag seiner Kommission beschloss der Rat ausserdem eine Verfeinerung des Risikoausgleichs zwischen den Kassen. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 101 zu 43 Stimmen an [55].
Der Ständerat wich in zwei wesentlichen Bereichen von den Vorschlägen des Nationalrates ab: einerseits bei der Angebotspflicht und andererseits beim differenzierten Selbstbehalt. Mit 21 zu 14 Stimmen folgte er der Mehrheit seiner Kommission und strich die Angebotspflicht für die Versicherer. Beim differenzierten Selbstbehalt beantragte die Kommission einen Satz von 5% für Managed-Care-Versicherte und für diejenigen, die weiterhin den Arzt frei wählen wollen, einen Kostenanteil von 15%. Der Ständerat sprach sich auch dafür aus, dass der maximale Selbstbehalt im Gesetz verankert werden soll. Bei der vorzeitigen Auflösung von Versicherungsverträgen strich die kleine Kammer als möglichen Grund die vom Nationalrat vorgesehene überdurchschnittliche Prämienerhöhung [56].
Die 2004 im Ständerat behandelte Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes über die Kostenbeteiligung wurde im Berichtsjahr nun auch vom Nationalrat behandelt. Da das Thema der Kostenbeteiligung und des differenzierten Selbstbehaltes bereits im Rahmen der Vorlage Managed-Care behandelt und entsprechende Beschlüsse gefasst worden waren, beschloss der Nationalrat diskussionslos auf die Vorlage nicht einzutreten. Der Ständerat schloss sich aus dem gleichen Grund ohne Diskussion dem Nichteintretensentscheid des Nationalrates an [57].
Die gleiche Argumentation wie bei der Teilrevision zur Kostenbeteiligung traf auch für diejenige zur Vertragsfreiheit zu. Diese Thematik war ebenfalls in der Managed-Care-Vorlage behandelt worden. Der Nationalrat folgte daher dem Entscheid des Ständerates aus dem Jahre 2008 und trat nicht auf diese Vorlage ein [58].
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Leistungen
Die im Vorjahr von National- und Ständerat behandelte parlamentarische Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates über die Nichtbezahlung von fälligen Prämien und Kostenbeteiligungen hatte zwei Punkte übrig gelassen, welche es in der Differenzbereinigung im Nationalrat zu diskutieren gab. Einerseits handelte es sich dabei um die Verteilung der nachträglich eingetriebenen Gelder. Die Mehrheit der Kommission empfahl hier dem Ständerat zu folgen, wonach die Kassen die eingetriebenen Gelder mit den Kantonen zu teilen haben. Während die SP, die Grünen sowie CVP, EVP und GLP dies unterstützten, sprach sich eine rechts-bürgerliche Kommissionsminderheit dafür aus, an der Version des Nationalrates festzuhalten, wonach die Kassen die nachträglich eingetriebenen Prämien für sich behalten können. Die grosse Kammer folgte mit 87 zu 82 Stimmen knapp der Kommissionsminderheit und damit dem Festhalten an der eigenen Position. Andererseits musste der Nationalrat die Frage der Liste von säumigen Zahlern und dem möglichen Leistungsaufschub diskutieren. Eine Kommissionsmehrheit verlangte, auf die generelle Einführung des sogenannten Thurgauer-Modells zu verzichten. Dieses Modell sieht vor, dass Kantone eine Liste von Personen erstellen können, die trotz Mahnung und Betreibung ihre Prämien nicht bezahlen. Eine Kommissionsminderheit schlug vor, der Fassung des Ständerates zu folgen. Gegen den Willen der Ratslinken und des Bundesrates folgte der Nationalrat in dieser Sache dem Ständerat mit 107 zu 68 Stimmen. Damit stimmte auch die grosse Kammer einer allgemeinen Einführung der Thurgauer Praxis zu, allerdings mit der vom Ständerat zuvor festgelegten Einschränkung, dass bei den Listen der säumigen Zahler die Kantone alleine bestimmen können, welche Schuldner sie auf diese Liste nehmen [59].
Bei der weiteren Differenzbereingung im Ständerat gaben nochmals das Mahnverfahren und die Verteilung der nachträglich eingetriebenen Gelder zu reden. Entgegen der Kommissionsmehrheit folgte der Ständerat in der Frage des Mahnverfahrens mit 17 zu 15 Stimmen dem Nationalrat, der zwar einen weiteren Mahnschritt vorsah, aber der aktuellen in einer Verordnung formulierten Praxis entsprach. Ohne Diskussion hielt die kleine Kammer an ihrem Beschluss fest, dass die nachträglich eingetriebenen Gelder zu 50% an die Kantone gehen sollen. Dem schloss sich schliesslich der Nationalrat ohne weitere Diskussion an [60].
In der Schlussabstimmung nahmen beide Räte die parlamentarische Initiative und damit die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung einstimmig an. Der Nationalrat tat dies mit 193 zu 0 Stimmen, der Ständerat mit 44 zu 0 Stimmen [61].
Durch einen Ordnungsantrag war im Vorjahr eine Motion Stähelin (cvp, TG) an die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit zurückgewiesen worden. Die Motion forderte, dass Personen, welche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation in der Lage sind, ihre Krankenkassenprämien zu bezahlen, dies aber trotzdem nicht tun, auf einer Liste erfasst werden, welche nur den Leistungserbringern, Gemeinden und Kantonen zugänglich ist. Die Kommission des Ständerates beantragte einstimmig, die Motion abzulehnen. Auch der Motionär selbst forderte den Ständerat zur Ablehnung auf, denn das Anliegen wurde inzwischen bereits durch die oben genannte parlamentarische Initiative aufgegleist. In diesem Sinne lehnte der Ständerat die Motion ab [62].
Eine im Vorjahr von der kleinen Kammer angenommene Motion Schwaller (cvp, FR), welche den Leistungskatalog der Grundversicherung als Positivkatalog formulieren und eine strenge Überprüfung nach den Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit vornehmen wollte, lehnte der Nationalrat ab [63].
Auch eine parlamentarische Initiative Steiert (sp, FR) lehnte die grosse Kammer mit 120 zu 62 Stimmen ab. Die Initiative hätte verlangt, dass Rechnungen von Versicherten, die ihre Grundversicherung und ihre Zusatzversicherungen bei zwei verschiedenen Versicherern abgeschlossen haben, über den Zusatzversicherer ausgeführt werden sollen. Der Initiant begründete seinen Vorstoss vor allem mit Abgrenzungsschwierigkeiten, welche entstünden, wenn Rechnungen über zwei Versicherer abgewickelt werden müssten. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates hatte mit 10 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen entschieden, der Initiative keine Folge zu geben. Eine links-grüne Minderheit hatte argumentiert, dass mit der Initiative die Abrechnungen für Versicherte und Leistungserbringer vereinfacht würden. Die Mehrheit der Kommission sprach sich jedoch dagegen aus, die Krankenpflegeversicherung mit den Zusatzversicherungen zu vermischen [64].
Der Ständerat nahm ein Postulat Berberat (sp, NE) an, welches eine Festlegung objektiver Kriterien für Behandlungen mit zulassungsüberschreitendem Einsatz von Medikamenten, insbesondere für die Behandlung seltener Krankheiten fordert [65].
 
[32] AB NR, 2010, S. 1536 ff.
[33] Standesinitiative: AB NR, 2010, S. 1330 ff.; Motion: AB NR, 2010, S. 2127 ff.
[35] AB SR, 2010, S. 76 ff.
[36] AB NR, 2010, S. 58 f. Siehe SPJ 2009, S. 220.
[37] AB NR, 2010, S. 1543 f.
[38] AB NR, 2010, S. 555.
[39] AB NR, 2010, S. 966.
[40] AB NR, 2010, S. 2159.
[41] AB NR, 2010, S. 1298 ff.
[42] AB NR, 2010, S. 1957 ff.
[43] AB SR, 2010, S. 75 f.
[44] AB NR, 2010, S. 55 ff.
[45] AB NR, 2010, S. 1649.
[46] AB SR, 2010, S. 833 f. Siehe SPJ 2009, S. 220.
[47] Motion: AB SR, 2010, S. 837 ff.; Postulat: AB NR, 2010, S. 86. Siehe unten, Teil I, 7d (Ausländerpolitik).
[48] AB NR, 2010, S. 968 f.
[49] AB SR, 2010, S. 66 ff. Siehe SPJ 2009, S. 220 f.
[50] AB NR, 2010, S. 1052 ff.
[51] AB SR, 2010, S. 830 ff.
[52] AB NR, 2010, S. 1498; AB SR, 2010, 967 f.
[53] AB SR, 2010, S. 1008; AB NR, 2010, S. 1673.
[54] AB SR, 2010, S. 1291.
[55] AB NR, 2010, S. 1003 ff., 1028 ff. und 1038 ff.
[56] AB SR, 2010, S. 1271 ff.
[57] AB NR, 2010, S. 1057; AB SR, 2010, S. 1291. Siehe SPJ 2004, S. 195 f.
[58] AB NR, 2010, S. 1056. Siehe SPJ 2008, S. 224.
[59] AB NR, 2010, S. 44 ff. Siehe SPJ 2009, S. 222 f.
[60] AB SR, 2010, S. 169 f.; AB NR, 2010, S. 382.
[61] AB NR, 2010, S. 579; AB SR, 2010, S. 363.
[62] AB SR, 2010, S. 75. Siehe SPJ 2009, S. 222.
[63] AB NR, 2010, S. 53 ff.
[64] AB NR, 2010, S. 668 ff.
[65] AB SR, 2010, S. 842.