Année politique Suisse 2010 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Familienpolitik
Im Februar verabschiedete der Bundesrat die
Botschaft zur
Verlängerung der Bundesfinanzhilfen für Krippen. Dabei hatte er den Finanzrahmen gegenüber früheren Vorstellungen deutlich reduziert. Statt der ursprünglich vorgesehenen 140 Mio Fr. sollten nur noch 80 Mio Fr. fliessen. Er wollte das Programm ganz auf Projekte im Vorschulbereich ausrichten, also vor allem auf Kindertagesstätten. Schulergänzende Projekte sollten hingegen ganz den Kantonen überlassen werden. Schliesslich sah der Entwurf vor, die Finanzhilfen nur noch an neue Krippen zu gewähren und nicht mehr an solche, die ihr Angebot aufstocken
[49].
In den Kantonen regte sich
Widerstand gegen dieses Sparprogramm des Bundes. Die Erziehungsdirektorenkonferenz und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren protestierten gemeinsam gegen den geplanten Verzicht auf Finanzhilfen bei der schulergänzenden Kinderbetreuung
[50].
In der Sommersession stimmte der
Nationalrat der Verlängerung der Krippenförderung um weitere vier Jahre zu. Dabei sprach er sich mit 89 zu 88 Stimmen für einen Förderbeitrag von 120 Mio Fr. aus. Anders als der Bundesrat wollte der Nationalrat auch weiterhin schulergänzende Angebote unterstützen. Innenminister Burkhalter und bürgerliche Parlamentarier wandten vergeblich ein, dass die Kantone gemäss dem Schulkonkordat HarmoS für die Bereitstellung solcher Betreuungsplätze zuständig sind. Die Linken und Teile der CVP befürchteten eine Benachteiligung von Kantonen und Gemeinden, die bisher keine schulergänzenden Betreuungsstrukturen geschaffen haben
[51].
Der
Ständerat hiess das Impulsprogramm in der Herbstsession ebenfalls gut. Im Unterschied zur grossen Kammer wollte er die Finanzhilfen nicht auf neue Institutionen beschränken, sondern wie bisher auch bestehende Einrichtungen unterstützen, wenn diese ihr Angebot um mindestens zehn Plätze erhöhen. Ebenfalls in der Herbstsession bereinigte der Nationalrat diese letzte Differenz und willigte ein, Finanzhilfen auch an bestehende Betreuungseinrichtungen auszurichten. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage vom Ständerat mit 38 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen und vom Nationalrat mit 124 zu 65 Stimmen gegen den Widerstand der SVP sowie einzelner FDP- und CVP-Mitglieder gutgeheissen
[52].
Im September schickte der Bundesrat einen überarbeiteten
Entwurf der Kinderbetreuungs-Verordnung in die Vernehmlassung. Laut dem neuen Vorschlag sollen Verwandte und enge Freunde auch ohne Bewilligung Kinder hüten dürfen. Das Gleiche gilt für im Privathaushalt angestellte Kindermädchen und Au-Pairs. Andere Personen, welche Kinder mehr als zehn Stunden pro Woche gegen ein Entgelt betreuen, benötigen laut dem Entwurf künftig eine Bewilligung einer kantonalen Fachinstanz. Für die Bewilligungserteilung möchte der Bundesrat grundsätzlich den Besuch eines Einführungskurses voraussetzen. Bei Verletzung der Bewilligungsvorschrift ist eine Busse von bis zu 5000 Fr. vorgesehen
[53].
Auch in der überarbeiteten Form stiess der Entwurf auf
erheblichen Widerstand. Für die bürgerlichen Parteien stellte auch die neue Verordnung einen zu starken Eingriff in die elterliche Erziehungsarbeit dar. Sie sahen es als übertrieben an, dass die private, stundenweise Betreuung gegen Entgelt nur noch mit staatlicher Bewilligung erlaubt werden sollte. Kritik gab es auch von Fachorganisationen. Die Pflegekinderaktion Schweiz bemängelte, dass die Vorlage viel zu stark auf die Tagesbetreuung von Kindern aus „normalen Familien“ ausgerichtet sei und der speziellen Situation von Pflegekindern zu wenig Rechnung trage. Sie fand es bedenklich, dass Verwandte oder den Eltern nahe stehende Personen gemäss Entwurf nur noch dann eine Bewilligung für die Aufnahme eines Pflegekindes bräuchten, wenn es sich um eine behördliche Platzierung handelte. Opposition gab es schliesslich auch von der Rechtskommission des Nationalrats. Sie forderte den Bundesrat auf, die Betreuung von Pflegekindern in einer separaten Verordnung zu regeln und trat ausserdem mit 16 zu 2 Stimmen auf eine parlamentarische Initiative Leutenegger (fdp, ZH) ein, die im Zivilgesetzbuch selbst explizit festhalten will, dass die private Kinderbetreuung keine Bewilligung erfordert
[54].
[49]
BBl, 2010, S. 1627 ff.;
Exp,
NZZ und
TA, 18.2.10. Siehe auch
SPJ 2009, S. 236.
[50]
AZ, 20.3.10;
BaZ, 20.3. und 1.4.10.
[51]
AB NR, 2010, S. 952 ff.;
NF und
NZZ, 15.6.10.
[52]
AB SR, 2010, S. 819 ff. und 1110;
AB NR, 2010, S. 1421 f. und 1675;
BBl, 2010, S. 6571 ff.
[53]
BBl, 2010, S. 6021;
NZZ und
TG, 18.9.10;
NLZ, 21.9.10. Siehe auch
SPJ 2009, S. 235 f.
[54]
NZZ, 18.11. und 21.12.10;
TA, 21.12.10.
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