Année politique Suisse 2011 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Arbeitnehmer
Die
Euro-Untergrenze und die Lohnrunde 2012 beschäftigten im Berichtjahr die Gewerkschaften. Der Verband Angestellte Schweiz, die grösste Arbeitnehmerorganisation in den MEM-Branchen (Maschinen, Elektronik, Metall) und Chemie und Pharmaka, forderte 1,5% bis 2% mehr Lohn, wobei er sich auf ein prognostiziertes Wachstum in diesen Branchen von 2,2% berief. Swissmem kommunizierte keine Lohnforderungen. Travailsuisse forderte für alle Arbeitnehmer eine Lohnsteigerung von 1% bis 3%. Transfair, der Personalverband des Service public, forderte 1,5% bis 2,5% und der Gastgewerbe-Verband Hotel und Gastro Union hatte bereits im August 4% bis 7% Lohnerhöhungen ausgehandelt. Ausserdem forderten die Gewerkschaften im Herbst eine Euro-Untergrenze von 1.40 Fr. Die Festlegung einer Wechselkursuntergrenze von 1.20 Fr. sei ungenügend
[6]
Der
Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) präsentierte im Mai 2011 einen Katalog mit Forderungen zur Personenfreizügigkeit. Anhand des Berichtes des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) besteht bei den flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping im Rahmen der Personenfreizügigkeit ein Vollzugsnotstand. Die SGB forderte deshalb, dass künftig 50% sämtlicher Neuanstellungen in der Schweiz auf Lohndumping überprüft werden, dass der Bund und die Kantone verbindliche Mindestlöhne durchsetzen und dass Lücken im Gesetz, wie zum Beispiel die Solidarhaftung von Generalunternehmen, geschlossen werden
[7].
Travailsuisse machte in einer Studie darauf aufmerksam, dass ein Arbeitskräftenotstand bestehe. Bis 2030 könnten bis zu 400 000 Stellen, vor allem in den Bereichen Pflege, Schule und Polizei nicht besetzt werden. Der Verband forderte zudem eine Öffnung für Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern, aufgrund des bisher nicht anerkannten Mangels an weniger gut qualifizierten Arbeitskräften für die Pflege und Haushaltshilfe
[8].
Die bereits 2010 angekündigte
Mindestlohninitiative wurde am 25. Januar 2011 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund lanciert. Die Initiative will einen untersten Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde vorschreiben und somit die Löhne schützen. Dieser gesetzliche Mindestlohn würde an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst und die Kantone könnten regional höhere Mindestlöhne festlegen. Die Sammelfrist läuft noch bis zum 25. Juli 2012
[9].
Die
Unia machte auf sich aufmerksam, weil ein interner Streit in Folge Neubesetzung in der Berner Sektion nicht ohne Medienaufheben bereinigt werden konnte. Den Auseinandersetzungen soll laut den Medien ein Problem mit einem Kulturwandel zu Grunde liegen, mit dem auch andere Gewerkschaften zu kämpfen hätten. Gewerkschaften befänden sich in einem Prozess weg von partizipativ organisierten Betrieben hin zu solchen mit hierarchischen Strukturen und straffen Abläufen. Ausserdem mache die gezielte Frauenförderung der ehemaligen Männergesellschaft zu schaffen
[10].
Im November 2011 entfachte ein Streit zwischen den Gewerkschaften Unia und Syna und dem Baumeisterverband bei den Verhandlungen um einen neuen
Gesamtarbeitsvertrag. Während die Baumeister den Gewerkschaften vorwarfen nie an ernsthaften Verhandlungen interessiert gewesen zu sein, redeten die Gewerkschaften davon, dass die Baumeister bei wichtigen Verhandlungspositionen ihre ursprünglichen Angebote wieder zurückgezogen hätten. Um einen vertragslosen Zustand zu verhindern, waren die Gewerkschaften im Dezember bereit, den bestehenden Vertrag um zwei Monate zu verlängern. Trotz der ursprünglich geforderten Lohnerhöhung von 1,8% im Baugewerbe gaben sich die Gewerkschaften mit den von den Arbeitgebern angebotenen 1,5% zufrieden
[11].
Das Bundesamt für Statistik gab bekannt, dass die
Mitgliederzahlen der Gewerkschaften im 2010 erneut gesunken seien. Nachdem 2009 noch 753 727 Personen Mitglied einer Gewerkschaften oder Arbeitnehmerorganisationen waren, reduzierte sich diese Zahl 2010 auf 748 127
[12].
[6]
NZZ, 23.7.11;
BZ, 4.8. und 6.9.11;
SZ, 2.10.11
[8]
BZ, 25.5 und 26.10.11.
[9] Eidgenössische Volksinitiative «Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)»:
BBI, 2011, S. 907.
[10]
TA, 22.3.11;
BZ, 29.3.11;
NZZ, 16.4.11.
[11]
TA, 22.11.11;
TA, 14.12.11.
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