Année politique Suisse 2011 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Verwaltung
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Organisation
Seit Januar 2011 sind die Angestellten des Bundes verpflichtet, Missstände am Arbeitsplatz anzuzeigen. Whistleblower, also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Informationen über solche Missstände weitergeben, sind verpflichtet, ihre Beobachtungen entweder ihren Vorgesetzten oder aber der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die als Anlaufstelle fungiert, zu melden. Mit dem Hinweis, dass diese Möglichkeit noch zu wenig niederschwellig sei, dass nun aber vorerst das Funktionieren der EFD als Meldestelle abzuwarten sei, zog Moser (glp, ZH) ihre 2009 eingereichte Motion zurück [23].
Die 2007 verabschiedete E-Government-Strategie Schweiz, die zum Ziel hat, dass Wirtschaft und Bevölkerung Geschäfte mit Behörden elektronisch abwickeln können, war Gegenstand verschiedener, die Bundesverwaltung betreffender Vorstösse im Berichtsjahr. Thema war dabei die Idee der Open Government Data, also die Öffnung der Datenbestände des Bundes. Verschiedene Interpellationen fragten etwa die Organisation des Zugangs zu solchen Daten, allfällige Kosten oder die Zusammenarbeit mit den Kantonen nach. In der Wintersession nahm der Nationalrat zudem ein Postulat Wasserfallen (fdp, BE) an, das den Bundesrat beauftragt, die Chancen und Risiken der Zugänglichkeit zu Daten und Dokumenten des Bundes abzuschätzen. Eingereicht aber noch nicht behandelt wurde zudem das Postulat Riklin (cvp, ZH), das einen Masterplan zu Open Government Data verlangt. Der Bundesrat beurteilte das Thema als neu und deshalb wichtig, wollte aber zuerst Grundlagen schaffen. Er beantragte deshalb die Annahme des Postulats Wasserfallen, aber die Ablehnung des Vorstosses von Kathy Riklin [24].
Ebenfalls im Rahmen der Strategie E-Government überwiesen beide Räte eine Motion Noser (fdp, ZH), die zum Ziel hat, E-Billing einzuführen, also den Rechnungsverkehr der Bundesverwaltung künftig nur noch elektronisch zu organisieren. Der Bundesrat wird beauftragt, Vorkehrungen zu treffen, die es erlauben, dass die Bundesverwaltung von Lieferanten nur noch elektronische Rechnungen entgegennimmt und somit ein Signal für die Wirtschaft setzt. Der Bundesrat selber beantragte die Annahme der Motion, bedingte sich aber eine längere Übergangsfrist aus. Der Motionär hatte die Frist auf 2012 angesetzt. Der Nationalrat nahm die Motion mit dieser relativ kurzen Frist, die auch von Seiten der Vertreter der KMU bemängelt wurde, an. Der Ständerat änderte sodann die Frist und nahm die modifizierte Motion knapp mit Stichentscheid des Präsidenten an. Die Beratung des Nationalrats über die modifizierte Fassung stand im Berichtjahr noch aus [25].
Das seit 1999 laufende Programm zum systematischen Ressourcen- und Umweltmanagement in der Bundesverwaltung (RUMBA) schien Wirkung zu entfalten. Darauf wies der im Berichtjahr unterbreitete Umweltbericht 2011 der Bundesverwaltung hin. Seit 2006 sei Dank vermindertem Papier- und Stromverbrauch und einer Abnahme von Dienstreisen die Umweltbelastung pro Mitarbeiter um rund 7% zurückgegangen. Damit sei man auf gutem Weg, das gesetzte Reduktionsziel (minus 10% von 2006 bis 2016) zu erreichen [26].
Im November hat der Bundesrat die Gesamterneuerungswahlen der ausserparlamentarischen Kommissionen (so genannte Expertenkommissionen) vorgenommen. Seit 2009 obliegt die Wahl der Mitglieder dieser Gremien dem Bundesratskollegium. Die Amtsperiode der meisten Kommissionen endete am 31. Dezember 2011 und die Regierung hatte so rund 1700 Mitglieder neu zu bestimmen. Gleichzeitig hat der Bundesrat, aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfung der Aufgaben und Zusammensetzung dieser Kommissionen, deren Zahl von 138 auf neu 119 verkleinert. Die parlamentarische Initiative Lustenberger (cvp, LU), die eine adäquate Vertretung von Parteien in diesen Fachgremien verlangt hätte, wurde von der grossen Kammer mit 98 zu 73 Stimmen abgelehnt. Insbesondere die SVP hatte die Initiative unterstützt, da sie befürchtete, dass Kommissionen, die politisch brisante Themen zu bearbeiten hatten – die SVP verwies auf die Rassismuskommission – nicht objektiv agierten [27].
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Personal
Der jährliche Bericht zur Umsetzung der Bundespersonalpolitik zeigte auf, dass der Frauenanteil in der Bundesverwaltung weiter angestiegen war (total 31.7%). Dies gilt auch für den Bereich der oberen Kader (+2%), wo aber nach wie vor lediglich ein Achtel der Beschäftigten (12%) weiblich war, was im Vergleich zur Privatwirtschaft allerdings als beachtlich betrachtet wurde. Die Sollwerte für die Anteile der Sprachregionen, die von der seit 2010 geltenden Sprachenverordnung festgelegt werden, wurden fast erreicht: Der Anteil an deutschsprachigen Mitarbeitenden betrug 2010 72.1% (Soll: 70%), an französischsprachigen Mitarbeitenden 21.0% (Soll: 22%), an italienischsprachigen Mitarbeitenden 6.6% (Soll: 7%) und an rätoromanischsprachigen Mitarbeitenden 0.3% (Soll: 1%). Der Sollwert für den Anteil Lernender (4%) wurde mit 4.5% übertroffen. Der durchschnittliche Bruttolohn in der Bundesverwaltung (ohne EDA-Lokalpersonal) belief sich 2010 auf 116 285 CHF. Für 2012 wurde zwischen Bund und Gewerkschaften eine Lohnerhöhung um 1.2% ausgehandelt [28].
Im Juni legte der Bundesrat neue Ziele für die Personalpolitik in der Bundesverwaltung fest. Die Sollwerte, die bis 2015 erreicht werden sollen, zielen auf eine adäquatere Vertretung der Geschlechter, eine bessere Integration von Mitarbeitenden mit Behinderungen und eine weiterhin gleichmässige Berücksichtigung der vier Landessprachen ab. Im Rahmen der Vorgaben zur Beschäftigung und Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in der Bundesverwaltung definierte der Bundesrat zudem das Ziel, dass bis 2015 ein bis zwei Prozent der Verwaltungsangestellten Personen mit Behinderungen sein sollen [29].
Im August legte der Bundesrat seine Botschaft zur Revision des Bundespersonalgesetzes (BPG) vor. Im April und im Mai hatte die Regierung Verhandlungen mit den Personalverbänden geführt, die weitgehend Einigungen gebracht hatten. Die Hauptpunkte der Revision umfassen die Modernisierung hinsichtlich Flexibilisierung in den Anstellungsbedingungen, eine Annäherung ans Obligationenrecht und Verbesserungen im Kündigungsschutz. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesverwaltung als Arbeitgeberin gesteigert werden [30].
Trotz der insgesamt positiven Signale – auch die Personalbefragung 2011 zeigte überwiegend zufriedene Angestellte – sah das Parlament noch Verbesserungspotenzial. So wurde eine Motion Teuscher (gp, BE) überwiesen, die den Bundesrat auffordert, am ‚Lohngleichheitsdialog‘ teilzunehmen und die Löhne des Bundespersonals auf Geschlechterdiskriminierungen zu überprüfen. Die Motion wurde vom Bundesrat unterstützt, obwohl bezüglich Lohngleichheit in der Verwaltung schon viel unternommen worden sei. In beiden Räten wurde der Vorstoss seitens der SVP mit dem Argument bekämpft, dass die Dialoge nur Kosten verursachten, eine Lohngleichheit aber nie möglich sei. Beide Räte überwiesen jedoch das Anliegen [31].
 
[23] Mo. 09.3286: AB NR, 2011, S. 214 f.; BaZ, 4.3.11.
[24] Po. Wasserfallen 11.3884: AB NR, 2011,S. 2266; Po. Riklin 11.3902; Interpellationen: z.B. Ip. Riklin (cvp, ZH) 11.3445; Ip. Graf-Litscher (sp, TG) 11.5039 und 11.5040; zur E-Government Strategie vgl. SPJ 2007, S. 35.
[25] Mo. 09.3396: AB NR, 2011, S. 216 f.; AB SR, 2011, S. 646 f.
[26] Medienmitteilung UVEK vom 16.9.11.
[27] Medienmitteilung Bundesrat vom 14.11.2011; vgl. SPJ 2008, S. 36; Pa.Iv. 10.432: AB NR, 2011, S. 2039 ff.; NZZ, 15.11.11.
[28] Medienmitteilung Bundesrat vom 23.3.11; SPJ 2010, S. 43; Presse vom 24.3.11; Löhne: BZ, 20.10.11; Presse vom 12.11.11.
[29] Medienmitteilung Bundesrat vom 22.6.11; BBl. 2011, S. 5875 f.; Presse vom 23.6. und 25.6.11.
[30] Medienmitteilung Bundesrat vom 5.5.11 und 31.8.11; Presse vom 6.5. und 1.9.11; vgl. SPJ 2010, S. 43.
[31] Mo. 09.3332: AB NR, 2011, S. 213 f.; AB SR, 2011, S. 656 f. Zur Personalbefragung: Medienmitteilung Bundesrat vom 10.6.11; TA, 11.6.11; vgl. auch unten, Teil I, Kapitel 7d (Frauen und Gleichstellungspolitik).