Année politique Suisse 2011 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
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Da die Informationspolitik des Bundesrats gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen in verschiedenen Fällen teilweise sehr restriktiv gewesen sei, legte die GPK-SR 2010 in Form einer parlamentarischen Initiative einen Gesetzesentwurf vor, der für die GPK einen erleichterten Zugang zu Regierungsdokumenten sichern soll. Beide GPK begründeten den Vorstoss damit, dass ihre Tätigkeit nicht adäquat ausgeführt werden könne, wenn die Regierung zunehmend Akten entweder gar nicht oder nur nach zähen Verhandlungen zur Verfügung stelle. Der Bundesrat wehrte sich gegen dieses Anliegen und stützte sich dabei auf Artikel 153 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes, der regelt, dass Unterlagen, die der bundesrätlichen Entscheidungsfindung dienen, geheim bleiben (ausgenommen für eine PUK). Zwar könne Einsicht in die Anträge gegeben werden, Einsicht in die Mitberichtsverfahren oder gar in die Sitzungsprotokolle, wie dies die GPK-Vorlage forderte, solle zugunsten des Kollegialitätsprinzips jedoch verwehrt werden können und einer PUK oder der GPDel vorbehalten bleiben. Die neue Gesetzesvorlage sieht jedoch nicht nur die Möglichkeit auf Einsicht sondern auf Herausgabe der Dokumente an die Aufsichtskommissionen vor, sondern verlangt, dass auch jene Personen auskunfts- und zeugnispflichtig sind, die früher im Dienst des Bundes gestanden haben. Den Bedenken der Exekutive schenkte die Legislative kein Gehör. Der Ständerat nahm die vom Nationalrat geschaffenen Differenzen, die lediglich Details betrafen, diskussionslos an. In der Schlussabstimmung herrschte in beiden Kammern Einstimmigkeit (42 zu 0 Stimmen bzw. 187 zu 0 Stimmen) [34].
Eine Verschärfung der Kontrollinstrumente forderte auch eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion, die verlangte, dass über einen bis zum Ende der ersten Sessionswoche eingereichten Vorstoss zur Einsetzung einer PUK zwingend in der gleichen Session entschieden werden müsse. Die staatspolitische Kommission des Nationalrats hatte der Initiative zuerst zugestimmt, nach dem wuchtigen Nein der Schwesterkommission aus der kleinen Kammer dann aber umgeschwenkt. Die ständerätliche Kommission hatte begründet, dass eine PUK keine Eile verlange, sondern geduldige Analyse und dass die kurze Frist das bikamerale System vor zeitliche Probleme stellen würde. Der Nationalrat folgte diesen Argumenten und gab der Initiative mit 52 zu 110 Stimmen keine Folge [35].
Im Vergleich mit der 47. Legislatur (2003 bis 2007) hat die Zahl der eingereichten Vorstösse in der 48. Legislatur stark zugenommen. Im Nationalrat wurden zwischen 2007 und 2011 insgesamt 1741 Motionen (47. Legislatur: 1177), 589 Postulate (499), 1651 Interpellationen (1393), 555 Anfragen (713), und 436 parlamentarische Initiativen (319) eingereicht. Auch im Ständerat war eine Zunahme zu verzeichnen: In der 48. Legislatur wurden in der kleinen Kammer 211 Motionen (47. Legislatur: 113), 94 Postulate (75), 231 Interpellationen (179), 20 Anfragen (25) und 45 parlamentarische Initiativen (44) eingereicht. Gleichzeitig wurde auch die Standesinitiative häufiger genutzt. Wurden in der 47. Legislatur insgesamt 46 Standesinitiativen eingereicht, waren es zwischen 2007 und 2011 mit 124 fast drei Mal so viele. Gleichzeitig mit der Zunahme der Vorstösse nahm allerdings auch deren Bearbeitung zu. Die Effizienzsteigerung des Parlaments lässt sich etwa an der Zahl von 2127 erledigten Motionen erkennen: Das entspricht einer Zunahme um rund 121 Prozent im Vergleich zur vorhergehenden Legislatur (961). Mit ein Faktor für die speditivere Erledigung ist der Umstand, dass mehr als zwei Jahre alte, noch nicht behandelte Vorstösse automatisch abgeschrieben werden [36].
Um die zunehmende Zahl an Vorstössen einzudämmen, gab es auch im Berichtsjahr verschiedene Projekte. Nachdem 2010 der Nationalrat eine parlamentarische Initiative der FDP angenommen hatte, die den Bundesrat verpflichtet hätte, die Kosten anzugeben, die für die Beantwortung eines Vorstosses anfallen, gab der Ständerat im Berichtsjahr der Initiative keine Folge. Die kleine Kammer folgte damit ihrer Kommission, die das gleiche Gegenargument vorbrachte wie ihre im Vorjahr erfolglose Schwesterkommission im Nationalrat: Die Initiative eigne sich nicht, das eigentliche Ziel eines Rückgangs der Zahl der Vorstösse zu erreichen. Ebenfalls vom Ständerat abgelehnt, wurde eine Motion Jenny (svp, GL), mit der die Zahl der Vorstösse pro Ratsmitglied auf zwei pro Session und die Redezeit auf fünf Minuten beschränkt werden sollte. Allerdings wurde auf die in der staatspolitischen Kommission behandelte parlamentarische Initiative zu Verbesserungen der Organisation und des Verfahrens des Parlamentes verwiesen (nachfolgend) [37].
Im Berichtsjahr legte die staatspolitische Kommission des Ständerates ihre parlamentarische Initiative zu Verbesserungen der Organisation und des Verfahrens des Parlamentes vor, die auf eine Motion Stadler (cvp, UR) aus dem Jahre 2009 zurückgeht. Mit der Vorlage sollten vor allem kleinere Gesetzeslücken im Parlamentsgesetz und im Geschäftsreglement geschlossen werden. Der Vorschlag enthielt aber auch drei substantielle Änderungen: Parlamentarische Initiativen und Standesinitiativen sollen neu nicht mehr als allgemeine Anregung sondern als ausgearbeiteter Vorentwurf eingereicht werden müssen. Ausserordentliche Sessionen sollen nur noch verlangt werden können, wenn beide Räte (dazu) hängige Geschäfte haben, damit beide Räte übereinstimmende Beschlüsse fassen und in der gleichen Woche tagen können. Zudem soll das Recht auf Wortmeldung bei umstrittenen Motionen im Gesetz verankert werden, um die Zahl diskussionslos überwiesener Motionen einzuschränken. Die Annahme von umstrittenen Motionen ohne vorgängige Diskussion im Rat würde es den zuständigen Kommissionen des anderen Rates sehr schwierig machen, die Vorstösse zu beurteilen. Verwiesen wurde etwa auf die Sondersession 2010 zur Migration, bei der die grosse Kammer 132 Vorstösse innert 90 Minuten behandelt und dabei nicht weniger als 22 Motionen stillschweigend überwiesen hatte. Zu reden gab der Vorschlag, Standesinitiativen der parlamentarischen Initiative gleichzusetzen und auch bei diesem Instrument – das in letzter Zeit ebenfalls immer häufiger eingesetzt wurde – einen ausformulierten Vorschlag zu verlangen. Die Kantone hatten sich in der Vernehmlassung in der Mehrheit gegen diese Neuerung ausgesprochen. Der Ständerat folgte jedoch, wie in allen anderen Punkten auch, seiner Kommission und entschied sich für Folge geben [38].
 
[34] Pa.Iv. 10.404: AB SR, 2011, S. 231 ff., S. 636 f. und S. 714; AB NR, 2011, S. 1131 ff. und S. 1295; Bericht der GPK: BBl., 2011, S. 1817 ff.; Stellungnahme BR: BBl. 2011, S. 1839 ff.; für die Kritik des Ständerates vgl. die Debatte zum Jahresbericht der GPK-SR: AB SR, 2011, S. 15 ff. (11.004); NZZ, 23.2., 16.3. und 16.6.11.
[35] Pa.Iv. 10.424: AB NR, 2011, S. 1369 f.; SN 14.9.11.
[36] Parlamentsdienste, Fakten und Zahlen; NZZ, 9.11. und 22.11.11; Medienmitteilung DokD vom 21.11.11.
[37] Pa.Iv. FDP 09.502: AB SR, 2011, S. 18 f., siehe SPJ 2010, S. 44; SGT, 1.3.11. Mo. Jenny 10.3465: AB SR, 2011, S. 454 f.
[38] Mo. 10.440: AB SR, 2011, S. 908 ff.; Bericht der Kommission: BBl. 2011, S. 6793 ff.; NZZ, 23.7., 31.7. und 27.9.11.