Année politique Suisse 2011 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau
 
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Im Berichtsjahr war der Trend zur immer häufigeren Nutzung der Standesinitiativen rückläufig. 2011 wurden 24 Standesinitiativen eingereicht, während es im 2010 noch 39 gewesen waren [1].
Da sich der Kanton Tessin in verschiedenen Fragen unzulänglich behandelt fühlte, schickte der Regierungsrat des Südkantons 2010 einen Gesandten nach Bern um damit die Stellung nördlich des Gotthards zu stärken. Anfang März 2011 trat der erste Gesandte, Jörg De Bernardi sein vorerst auf zwei Jahre befristetes Amt an.[2]
Im November 2010 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) und zur Festlegung des Ressourcen- und Lastenausgleichs zwischen Bund und Kantonen für 2012 bis 2015 vor. Die Vorlagen sollten eine Gesetzeslücke schliessen, die Voraussetzungen für eine rückwirkende Berichtigung fehlerhafter Ausgleichszahlungen schaffen, Vorschläge für die neuen Grundbeiträge des horizontalen und vertikalen Ressourcenausgleichs unterbreiten und die Anträge des Bundesrats zu den geplanten Grundbeiträgen des geografisch-topografischen und des soziodemografischen Lastenausgleichs zusammenfassen. Entwurf 1, die Änderung des Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG), wurde im Juni des Berichtsjahres von beiden Räten angenommen. Auch Entwurf 2 und 3, über die Festlegung der Grundbeiträge des Ressourcenausgleichs für die Beitragsperiode 2012-2015 und die Festlegung der Grundbeiträge für den Lastenausgleich, wurden vom National- und Ständerat im Juni angenommen. Zuvor hatte sie der Nationalrat im März vom Entwurf des Bundesrates abweichend an den Ständerat überwiesen. Dieser gab ihn allerdings noch einmal verändert an den Nationalrat zurück, welcher dann seine Zustimmung gab. Der Nationalrat wollte gegen den Willen seiner Finanzkommission zusätzliches Bundesgeld umfänglich Kantonen mit grossen Städten zusprechen. Im Ständerat fand sich dafür jedoch keine Mehrheit [3].
Der geplanten „Verfassungsgerichtsbarkeit“, welcher der Nationalrat im Februar des Berichtsjahres zugestimmt hatte und eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung schickte, stehen die Kantone positiv gegenüber. Im Rahmen der europapolitischen Standortbestimmung hatten sie sich bereits 2010 dafür eingesetzt, dass Bundesgesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüfte werden können. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) verpasste es allerdings, innerhalb der Vernehmlassungsfrist eine Stellungnahme einzureichen [4].
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Städte, Regionen, Gemeinden
Gemeindefusionen und Eingemeindungen im urbanen Raum lagen im Berichtsjahr weiterhin im Trend. Ende 2011 gab es laut Bundesamt für Statistik 2495 Gemeinden. Ende 2010 waren es noch 2551. Per 1. Januar 2011 schlossen sich die bisher 25 Gemeinden des Kantons Glarus zu nur noch drei Gemeinden zusammen. Im Kanton Bern haben sich ebenfalls Gemeinden per Anfang Berichtsjahr vereinigt. Besonders viele Gemeindezusammenschlüsse gab es im Kanton Waadt per 1. Juni 2011. Gemeindefusionen werden von einigen Kantonen unterstützt und gelten als wichtiges Instrument im Standortwettbewerb. Jede sechste Gemeinde soll in Fusionsverhandlungen stehen und vor allem Kleinstgemeinden wollen sich mit anderen zusammenschliessen, weil sie Mühe haben, politische Ämter zu besetzen. Die Gemeinden versprechen sich davon effizientere Verwaltungsstrukturen und die Nutzung von Synergien. Auch grössere Städte, wie beispielsweise Bern, wären gegenüber einer Fusion mit den Agglomerationsgemeinden positiv eingestellt. Eine Expertise der Universität Bern zu Gemeindefusionen rechnet damit, dass in den nächsten Jahren jede fünfte Gemeinde verschwinden werde [5].
Eine Motion Maissen (cvp, GR) vom September des Berichtsjahres forderte den Bundesrat auf, eine kohärente Strategie des Bundes für Berggebiete und ländliche Räume zu entwickeln. Dabei seien die Bevölkerung, die wirtschaftliche Entwicklung, die natürlichen Ressourcen, die dezentrale Besiedelung sowie die vertikale Zusammenarbeit der betroffenen Akteure aller Staatsebenen besonders wichtig. Im Dezember nahm der Ständerat die Motion an und überwies sie an den Nationalrat [6].
Ein im Juni 2011 von Erich von Siebenthal (svp, BE) eingereichtes Postulat ersuchte den Bundesrat, die Umsetzung und Wirksamkeit der neuen Regionalpolitik (NRP), welche 2008 in Kraft getreten war und damit das bis dahin geltende Investitionshilfegesetz für das Berggebiet (IHG) abgelöst hatte, gründlich zu evaluieren und dem Parlament einen entsprechenden Bericht zukommen zu lassen. Dies sollte unter Beizug von verwaltungsexternen Experten und Vertretern der Berggebiete geschehen. Der Nationalrat überwies das Postulat im September des Berichtsjahres[7].
 
[1] Vergleich AB, 2010 und AB, 2011.
[2] Vgl. SPJ 2010, S.53
[3] BRG 10.100: BBI, 2011, S.4913 f., S.4931 f. und S. 4933 f.; vgl. SPJ 2010, S. 53 f.
[4] Parlamentarische Initiative 05.445: AB NR, 2011, S. 1918; zur KdK: Ergebnisse zur Vernehmlassung von 14.6.11.
[5] NZZ, 7.6.11; AZ, 10.11 und 12.11.11.
[6] Mo. 11.3927: AB SR, 2011, S.1254.
[7] Po. 11.3697: AB NR, 2011, S. 1845.