Année politique Suisse 2011 : Allgemeine Chronik / Schweizerische Aussenpolitik / Leitlinien
print
Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik
In der Aprilsession beriet der Nationalrat die Volksinitiative „Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)“. Dieses von der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) eingereichte Volksbegehren fordert eine Ausweitung des obligatorischen Referendums auf völkerrechtliche Verträge, die wichtige Bereiche zum Inhalt haben, oder die Schweiz verpflichten, Bestimmungen mit rechtssetzendem Charakter zu übernehmen oder aber rechtssetzende Kompetenzen an internationale Institutionen abzugeben. Ebenfalls müssten Verträge dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden, wenn sie einen finanziellen Mehraufwand von einmalig mehr als CHF 1 Mia. oder mehrere Beträgen an über CHF 100 Mio. mit sich bringen würden. Der Nationalrat diskutierte zudem über den vom Bundesrat vorgelegten direkten Gegenentwurf, welcher die Mitwirkung des Volkes auf völkerrechtliche Verträge mit Verfassungsrang beschränken möchte. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates empfahl seinem Rat die Ablehnung der Initiative bei gleichzeitiger Annahme des Gegenentwurfs. Als Hauptkritikpunkt der Initiative wurde ihre unklare Formulierung genannt, es sei nicht eindeutig nachzuvollziehen, welche Bereiche „wichtig“ seien. Als Befürworter machte sich Nationalrat Fehr (svp, ZH) für die Initiative stark, er sprach sich vor allem aufgrund der vermehrten Übernahme von internationalem Recht für eine Stärkung der Volksrechte im aussenpolitischen Bereich aus. Ungeachtet dieser Argumentation folgte die Mehrheit des Nationalrates der Kommission und schätzte den Initiativtext als zu unpräzise ein. Der Minderheitsantrag Fehr (svp, ZH), welcher Nichteintreten zum Gegenentwurf forderte, wurde nur von der SVP und der BDP unterstützt und war folglich ohne Chance. Ebenfalls abgelehnt wurden vier unterschiedliche Anträge von Mitgliedern der SVP-Fraktion zur Anpassung des bundesrätlichen Gegenentwurfs. Der Ständerat folgte der grossen Kammer im Dezember und empfahl die Volksinitiative mit grosser Mehrheit zur Ablehnung. Kritisiert wurden nicht nur die unklare Formulierung des Volksbegehrens, sondern auch die mangelnde Verhältnismässigkeit. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit würde die Anzahl der Volksabstimmungen pro Jahr um geschätzte dreissig bis vierzig Prozent steigen. Im Gegensatz zum Nationalrat entschied die kleine Kammer mit 32 zu 2 Stimmen deutlich, nicht auf den Gegenentwurf der Regierung einzutreten. Als Kritikpunkte wurde von Ständerat Schwaller (cvp, FR) nicht nur die unklare Formulierung des Gegenentwurfs angebracht, sondern er lehnte diesen auch aus taktischen Gründen ab. Die Opposition gegen die Volksinitiative würde dadurch zersplittert, wie man bereits beim Abstimmungskampf um die Ausschaffungsinitiative gesehen hätte. Dieser Argumentation schloss sich der Nationalrat im Dezember an und lehnte den Kompromissvorschlag des Bundesrates schliesslich ebenfalls ab. Nach der Schlussabstimmung in beiden Kammern wird die Initiative im Juni 2012 zur Volksabstimmung kommen [12].
 
[12] BRG 10.090: AB NR, 2011, S. 669 ff., 2084 ff. und 2281; AB SR, 2011, S. 844 ff. und 1307; BaZ, 14.4.11; NZZ, 15.12. und 16.12.11; vgl. SPJ 2010, S. 48 und 74 f.