Année politique Suisse 2011 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld- und Währungspolitik
Der Nationalrat behandelte im Berichtsjahr
drei Finanzierungsbeschlüsse zugunsten des Internationalen Währungsfonds (IWF), denen der Ständerat bereits in früheren Jahren zugestimmt hatte. Die SVP stellte bei allen drei Vorlagen einen Nichteintretensantrag. Sie argumentierte, dass die Mittelerhöhung des Internationalen Währungsfonds durch dessen zunehmendes „statutenwidriges“ Engagement in den Euroländern Griechenland und Irland nötig geworden sei und kein Konzept zur Lösung der Staatsschuldenkrise vorliege
[9]. Alle drei Nichteintretensanträge wurden abgelehnt. Die Ratslinke knüpfte ihre Zustimmung zu den IWF-Krediten an die von ihr gewünschte Erhöhung der Entwicklungshilfe. Die Taktik der Linken ging auf; den Unterstützungsbeiträgen wurde am Vortag der Abstimmungen zu den IWF-Vorlagen zugestimmt (siehe oben, Teil I, 2, Internationale Organisationen)
[10].
Der IWF hatte im Frühjahr 2009 entschieden, mittels zeitlich befristeter
bilateraler Kreditvereinbarungen seine Mittel zur Deckung eines möglichen unmittelbaren Kreditbedarfs aufgrund der sich verschärfenden Wirtschaftskrise um USD 250 Mia. aufzustocken. Die entsprechende Massnahme wurde auf maximal zwei Jahre oder bis zum Inkrafttreten der Neuen Kreditvereinbarung (NKV) beschränkt. Um zu signalisieren, dass die Schweiz einen Beitrag an die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu leisten bereit sei, wollte der Bundesrat einen Anteil von 4% (USD 10 Mia.) an der geplanten Aufstockung übernehmen. Diese bilaterale Kreditlinie, die im Ziehungsfall durch die SNB gesprochen würde, muss vom Bund mit einem Rahmenkredit von CHF 12.5 Mia. garantiert werden. Im Ständerat war eine entsprechende Garantie zugunsten der SNB bereits 2009, gegen den Widerstand einiger SVP-Abgeordneter, angenommen worden. Der Nationalrat behandelte das Geschäft in der Frühjahrssession 2011. Der Minderheitsantrag der Grünen Partei (gps), der die Rückweisung an den Bundesrat forderte, scheiterte – trotz Unterstützung durch die SVP, die dem Rückweisungsantrag aus taktischen Gründen ebenfalls zustimmte - klar (67 zu 111 Stimmen). Die GPS verlangte vom Bundesrat eine direkte Verknüpfung der Vorlage mit einer Mittelerhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf 0,5% des Bruttoinlandprodukts. Ebenso wurde der Antrag der SVP abgelehnt, wonach der IWF bei Beanspruchung den Kredit mit in der Schweiz domiziliertem Gold absichern soll. Als Pro-Argumente für die Beteiligung an der Mittelerhöhung wurde die Schweizer Verpflichtung gegenüber dem internationalen Finanzsystem und dessen Bedeutung für die Schweiz angeführt. Weiter wurde argumentiert, dass eine Annahme der Vorlage die Verhandlungsposition für die Verteidigung des Schweizer Sitzes im IWF-Exekutivrat stärken würde. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 93 zu 68 Stimmen angenommen
[11].
Zeitgleich mit der befristeten Mittelaufstockung via bilaterale Kreditvereinbarungen hatte der IWF im Frühjahr 2009 den Beschluss gefasst, seine finanziellen Mittel, die via
Neue Kreditvereinbarung (NKV) mobilisiert werden können, von SRZ 34 Mia. auf SRZ 367 Mia. zu erhöhen
[12]. Die Quote der Schweizerischen Nationalbank, welche die Kreditlinien für die Schweiz gewährt, hatte bis anhin 4,53% (SRZ 1.54 Mia.) betragen. Neu sollte diese Kreditlimite, die im Gegensatz zur bilateralen Kreditvereinbarung nicht durch den Bund garantieren werden muss, 2,97% (SZR 10.905 Mia.) betragen. Der Ständerat hatte dem Beitritt zur NKV bereits 2010 zugestimmt. Die grosse Kammer behandelte das Geschäft in der Frühjahrssession 2011. SVP-Vertreter setzten sich erneut erfolglos dafür ein, dass allfällige SNB-Kredite an den IWF im Ziehungsfall mittels in der Schweiz domizilierten Golds abgesichert werden müssen. Ein weiterer Antrag, der forderte, den Beitritt zur Neuen Kreditvereinbarung (NKV) erst zu vollziehen, wenn die schweizerische Quote an der NKV auf das Mass vergleichbarer Staaten reduziert sei, wurde mit Hinweis auf den dadurch sinkenden Stimmrechtsanteil der Schweiz ebenfalls abgelehnt. In der Gesamtabstimmung wurde der Bundesbeschluss mit 94 zu 68 Stimmen angenommen. Lediglich die SVP-Fraktion sowie einige Abgeordneten der GPS lehnten die Vorlage ab. Der Beschluss wurde nicht dem obligatorischen Referendum unterstellt, wie von der SVP beantragt
[13].
Im Zuge der
Mittelerhöhung des Treuhandfonds des Internationalen Währungsfonds für Armutsbekämpfung und Wachstum war auch die Schweiz für ein Darlehen angefragt worden. Dieses wird von der SNB gewährt und ist durch eine Bundesgarantie gesichert. In behandelter Vorlage wurde eine Bundesgarantie von CHF 950 Mio. diskutiert, die der SNB ein Darlehen von SZR 500 an den IWF-Treuhandfonds ermöglicht. Der Ständerat hatte den entsprechenden Bundesbeschluss bereits im September 2010 angenommen. Nach Ablehnung des Nichteintretensantrags der SVP im Nationalrat wurde der Bundesbeschluss ohne weitere Anträge und Diskussionen mit 99 zu 63 Stimmen angenommen
[14].
Mit der
Bereitstellung eines neuen Rahmenkredits für Entwicklungsbanken im Umfang von rund CHF 3.5 Mia. befasste sich der Nationalrat als Zweitrat. Er folgte dem Beschluss des Ständerats von 2010 mit 123 zu 58 Stimmen. Ausführlich berichten wir dazu oben, Teil I, 2, Entwicklungsländer
[15].
[9] Portugal wurde zum Zeitpunkt der Aussage noch nicht unterstützt.
[10]
AB NR, 2011,
S. 32 und 37.
[11] BRG 09.039:
AB NR 2010,
S. 1890 ff.;
AB NR, 2011,
S. 32 ff.;
BBl, 2011,
S. 2931; vgl.
SPJ 2009, S. 107; zum IWF Exekutivrat vgl. auch oben, Teil I, 2, Internationale Organisationen.
[12] Sonderziehungsrechte (SRZ) sind die Recheneinheit des Internationalen Währungsfonds.
[13] BRG 10.079:
BBl, 2010,
S. 6105 ff.;
AB SR, 2010,
S. 1218 ff.;
AB NR, 2010,
S. 1890 ff.;
AB NR, 2011,
S. 32 ff.;
AS, 2011,
S. 2305 f.; vgl.
SPJ 2010, S. 123 f.
[14] BRG 10.080:
AB NR, 2011,
S. 32 ff. und 48;
BBl, 2011,
S. 2929; vgl.
SPJ 2010, S. 124.
[15] BRG 10.081:
BBl, 2010,
S. 6749 f. und 6691 ff.;
AB SR, 2010,
S. 1196 ff. und 1211;
AB NR, 2011,
S. 2 ff.;
BBl, 2011,
S. 2925 f; vgl.
SPJ 2010, S. 124.
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