Année politique Suisse 2011 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Direkte Steuern
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Unternehmensbesteuerung
Für grosses Aufsehen sorgten im Berichtsjahr die unerwartet hohen Steuerausfälle im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform II. Im Februar 2008 hatte das Stimmvolk diese Vorlage mit einem Ja-Anteil von 50,5% angenommen. 2011 trat das Kapitaleinlageprinzip in Kraft. Demnach durften Aktiengesellschaften Dividenden steuerfrei ausschütten, sofern diese formell als Kapitalrückzahlungen galten. Von besonderer Bedeutung waren Aufgelder, welche die Aktionäre über den Aktiennennwert hinaus in eine Firma einbezahlt hatten. Die Unternehmenssteuerreform sah vor, dass solche Agios rückwirkend bis 1997 geltend gemacht und in Form von Kapitalrückzahlungen erstattet werden konnten. Zum öffentlichen Thema wurde das Kapitaleinlageprinzip anfangs Jahr, als verschiedene börsenkotierte Unternehmen ankündigten, steuerfreie Dividenden auf Basis der neuen Regelung auszurichten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gab anfangs März bekannt, dass Kapitaleinlagen von gegen 200 Milliarden Franken erfasst worden waren. Bis Dezember stieg dieser Betrag auf 545 Milliarden Franken. Die Unternehmungen hatten bis Mitte 2012 Zeit, ihre Reserven aus Kapitaleinlagen anzumelden. Die lange Rückwirkungszeit des Kapitaleinlageprinzips liess hohe Steuerausfälle erwarten, deren Tragweite allerdings schwierig zu beziffern war. In der Fragestunde des Nationalrates vom 14. März teilte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf mit, dass für die kommenden zehn Jahre mit Mindereinnahmen von 4 bis 6 Milliarden Franken zu rechnen war, wobei jeweils die Hälfte auf das Konto der Einkommens- und der Verrechnungssteuer ging. Darüber hinaus räumte der Bundesrat Fehler in seiner Kommunikation ein. So sei das Abstimmungsbüchlein nicht vollständig gewesen. Dennoch verzichtete die Landesregierung darauf, unmittelbare Korrekturen vorzunehmen.
Die Gegner der Unternehmenssteuerreform äusserten ihren Unmut über die Steuerausfälle. Angesichts des knappen Ergebnisses an der Urne fühlten sie sich um einen Abstimmungssieg geprellt. In einer durch die Ratslinke einberufenen Sondersession scheiterten jedoch sämtliche Vorstösse, welche die Rückwirkung des Kapitaleinlageprinzips entweder aufheben oder korrigieren wollten, am Widerstand der SVP, der FDP und einer Mehrheit der CVP. Vertreter der SP unternahmen zudem den Versuch, auf juristischem Weg eine Wiederholung der Abstimmung durchzusetzen. Das Bundesgericht wies entsprechende Klagen der Nationalräte Margret Kiener-Nellen (sp, BE) und Daniel Jositsch (sp, ZH) zurück, rügte in seinem Urteil allerdings auch die unvollständige Informationspolitik des Bundesrats [17].
Dagegen fand im Nationalrat in der Wintersession eine Motion der freisinnigen Fraktion eine Mehrheit, die eine rasche Umsetzung einer Unternehmenssteuerreform III forderte. Demnach sollte der Bundesrat dem Parlament bis am 31. März 2012 eine entsprechende Botschaft vorlegen. Dieser Vorstoss wurde im Zusammenhang mit möglichen Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke eingereicht. Allerdings erfolgte der Entscheid des Ständerats nicht mehr im Berichtsjahr [18].
 
[17] Ausserordentliche Session 11.9006: AB NR, 2011, S. 601 ff.; AB SR, 2011, S. 511ff; Medienmitteilung ESTV vom 2.3.11; NZZ 8.3., 15.3., 13.4. und 13.12.11.
[18] Mo. 11.3789: AB NR, 2011, S. 2219.