Année politique Suisse 2011 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Eisenbahnverkehr
Zur geplanten Reorganisation des Finanzierungsmodus für den Betrieb, Unterhalt und Ausbau des öffentlichen Verkehrs, insbesondere der Bahninfrastruktur, siehe oben, Abschnitt Finanzierung.
Nachdem das Parlament im Bundesgesetz über die
Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr den Entscheid über die in den Räten äusserst umstrittene Bewaffnung der Sicherheitsorgane (Transportpolizei und Sicherheitsdienst) in Art. 2 an den Bundesrat delegiert hatte, regelte dieser deren Ausrüstung in einer Verordnung, die am 1. Oktober 2011 in Kraft trat. Demnach kann der Sicherheitsdienst, der auch von entsprechend ausgebildetem privatem Sicherheitspersonal ausgeübt werden darf, mit Fesselungsmitteln, Pfeffersprays, Diensthunden und Schlagstöcken, die Transportpolizei zusätzlich mit Feuerwaffen ausgerüstet werden. Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) die kantonale Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KJPD), der Verband Schweizer Polizei-Beamter und die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) begrüssten die Verordnung. Nachdem sie die Ausrüstung der Bahnpolizei mit
Handfeuerwaffen in der Anhörung noch abgelehnt hatten, entschieden sich die SBB im Herbst des Berichtsjahrs für eine entsprechende Bewaffnung ihrer Sicherheitsorgane ab Sommer 2012. Die BLS hingegen blieb bei ihrer ablehnenden Haltung
[34].
Ende August gaben Besteller (BAV), Ersteller (Alp Transit Gotthard AG) und Betreiberin (SBB) bekannt, ihre Zeitpläne auf eine vorzeitige Eröffnung des
Gotthard-Basistunnels per Dezember 2016 eingerichtet und aufeinander abgestimmt zu haben. Anfang September meldeten sie den Beginn der letzten Bauphase, den Einbau der Bahntechnik
[35].
Das Sanierungsvorhaben am Gotthardstrassentunnel (siehe oben, Abschnitt Alptransit), das grundsätzliche Verfehlen des Verlagerungsziels im Transitgüterverkehr, aber auch die generellen Kapazitätsengpässe auf Schiene und Strasse vor Augen, befassten sich die Räte mit diversen Vorstössen zur Optimierung der Bahninfrastruktur und ihrer geeigneten Verzahnung mit dem Gütertransport auf der Strasse. Um die NEAT nach der Inbetriebnahme des Gotthardbasistunnels wirkungsvoll und entsprechend dem Verlagerungsziel betreiben zu können, wurde der Bau von
Verladeterminals und die Einrichtung eines 4-Meter-Korridors zum durchgehenden Transport der schweren Sattelaufleger auf der gesamten Transitstrecke verlangt. Im Juni bzw. September überwiesen National- und Ständerat eine Motion Hutter (fdp, ZH), die den Aufbau von Terminalkapazitäten zur Bewältigung des kombinierten Verkehrs durch die und in der Schweiz forderte. Auf die Lötschberg–Simplon-Achse eingegrenzt, äusserte sich ein Postulat Imoberdorf (cvp, VS), das der Ständerat im September gegen den Willen des Bundesrats mit 17 zu 11 Stimmen annahm. Darin verlangte die Kleine Kammer die Prüfung des Baus von Verladeterminals für den Schwerverkehr in den Räumen Brig/Visp/Raron und Thun/Bern
[36].
Im April nahm der Nationalrat diskussionslos ein Postulat seiner KVF an, das neben einer konsistenten Terminalplanung und der Beschleunigung der bereits beschlossenen ZEB-Projekte (siehe oben, Abschnitt Finanzierung) auch den
4-Meter-Korridor auf der Gotthardachse ab Eröffnung des Gotthardbasistunnels forderte. Letzteres streben auch die Motionen Büttiker (fdp, SO) und Hochreutener (cvp, BE) an, die beide im Verlauf des Berichtsjahrs überwiesen wurden. Um den kostenintensiven Ausbau der Tunnels auf den Zufahrtsstrecken zur NEAT auf eine Scheitelhöhe von vier Metern zu umgehen, brachte ein Postulat Savary (sp, VD) das sogenannte Modalohr-Konzept ins Spiel. Dieses sieht den Transport der Sattelanhänger auf speziell konstruierten Niederflur-Doppelwagen vor. Die Kleine Kammer überwies auch das Postulat – diskussionslos und einstimmig
[37].
Im März des Berichtsjahrs erfolgte die bereits 2010 angekündigte Gründung des
Lötschberg-Komitees, das vom ehemaligen BLS-Direktor und bernischen BDP-Grossrat Mathias Tromp geführt wird. Die Interessenorganisation, der sich u.a. die Kantone Bern, Wallis, Aargau, Solothurn, Neuenburg und beide Basel angeschlossen haben, fordert zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe auf dem Schweizer Schienennetz den durchgehend zweigleisigen Ausbau des Lötschberg-Basistunnels und damit eine Stärkung der Achse Basel–Bern–Domodossola im Alptransit
[38].
In seinem Standbericht per Mitte 2011 vermeldete das BAV die Betriebsaufnahme von drei Bahnstrecken, welche die Anbindung der schweizerischen Bahninfrastruktur an das
europäische Bahn-Hochleistungsnetz (HGV) optimieren. Im Korridor St.-Gallen–St.-Margrethen wurden Ende 2010 die Anlagen Ostkopf und auf der Strecke St.-Gallen–St.-Finden–Engwil 2011 die Doppelspur dem Verkehr übergeben. Im Korridor St.-Gallen–Konstanz wurde die SOB-Spange in Betrieb genommen. Im Korridor Zürich-Flughafen–Winterthur wurde mit den Bauarbeiten für die Überwerfung Hürlistein und für den Südkopf bei Winterthur begonnen. Im Sektor West- und Nordwestschweiz wurden die Massnahmen zur Leistungssteigerung des Knoten Genfs (Genf–Châtelain) angegangen und im Korridor Bern–Pontarlier war Baubeginn am zweispurigen Rosshäuserntunnel
[39].
In Anwesenheit von Verkehrsministerin Doris Leuthard eröffnete der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine wichtige Teilstrecke an der
TGV-Verbindung Rhin–Rhône zwischen Auxonne und Belfort, an deren Bau sich die Schweiz zu 3% finanziell beteiligt hatte. Mit der Inbetriebnahme des neuen Teilabschnitts wurde die Anbindung der Nordwestschweiz (via Basel, Mülhausen) ans TGV-Netz verbessert. Die Fahrzeit der TGV-Verbindung Basel–Paris verkürzte sich mit dem Fahrplanwechsel im Dezember um 30 Minuten. Zur durchgehenden Anbindung Mülhausens an die Linie Rhin–Rhône verbleibt noch der Bau von zwei kleineren Teilstrecken bei Mülhausen und Dijon
[40].
Beide Räte setzten sich im Verlauf des Berichtsjahrs mit dem letzten Teil der 2005 in Angriff genommenen Bahnreform 2 auseinander, die neben dem schienen- auch Aspekte des strassen- und wassergebundenen öffentlichen Verkehrs neu regelt. Der Bundesrat hatte die
Botschaft zum Bundesgesetz über den zweiten Schritt der Bahnreform 2 im Vorjahr (2010) verabschiedet. Politisch umstritten war das über verschiedene Gesetze verteilte Massnahmenpaket hauptsächlich in zwei Punkten: In der Frage des diskriminierungsfreien Netzzugangs für alle potenziellen Bahnbetreiber (Wettbewerb bei der Trassenvergabe und damit beim Betrieb) sowie beim Ausschreibeverfahren im regionalen Personenverkehr (vorerst auf der Strasse). Weniger umstritten war die Stärkung der Schiedskommission im Eisenbahnverkehr. Bis anhin Schlichtungsstelle für Streitigkeiten über Netzzugänge oder Trassenpreise, soll sie neu auch Marktüberprüfungen auf diskriminierendes Verhalten durch einzelne Marktteilnehmer vornehmen und Sanktionen aussprechen können. Keine Diskussionen provozierten jene Bereiche der Botschaft, die formale Anpassungen des Behindertengleichstellungs- und des Bundesgerichtsgesetzes, die Schaffung von Grundlagen zur Gewährleistung der technischen Verträglichkeit, sprich Interoperabilität, des schweizerischen mit dem europäischen Schienennetz, einen Beitrag der Konzessionäre des öffentlichen Verkehrs an die Vorhaltekosten der (kantonal organisierten und finanzierten) Wehrdienste sowie die Einführung eines Alkoholgrenzwerts für die private Binnenschifffahrt forderten
[41].
Die Grosse Kammer beschloss die Botschaft zum Bundesgesetz über den zweiten Schritt der Bahnreform 2 als Erstrat mit 162 zu 1 Stimme Eintreten ohne Gegenantrag. Die Anpassungen des Behindertengleichstellungs- und des Bundesgerichtsgesetzes wurden stillschweigend angenommen. Auch unbestritten waren die Bestimmungen zur Interoperabilität sowie zur Kompetenzausweitung der Schiedskommission. Zur konkreten Ausgestaltung des Personenbeförderungsgesetzes präsentierte eine Mehrheit der KVF-NR eine Präzisierung der Bundesratsvorlage. Im Grundsatz unterstützte sie die gesetzliche Verankerung des Wettbewerbs im regionalen Personenverkehr, schrieb aber die vom Bundesrat vorgesehene Ausnahmeklausel in eine zweite, vollwertige Vergabevariante in der Form einer Leistungsvereinbarung ohne vorangehende Ausschreibung um. Damit suchte sie, für bestehende Leistungsträger die Planungssicherheit zu erhöhen und bei kleineren, weniger lukrativen und marktfähigen Angeboten aufwendige Ausschreibungsverfahren zu verhindern. Die Grosse Kammer folgte mit 108 zu 55 Stimmen der Kommissionsmehrheit. Stillschweigend nahm der Nationalrat auch eine Präzisierung der Bussenbestimmungen zum Schwarzfahren im Nahverkehr an. Dies nachdem das Bundesgericht in den Strafbestimmungen des Personenbeförderungsgesetztes eine eigentliche Gesetzeslücke moniert hatte. In seinem Entscheid hielt das Gericht fest, dass die in Art. 57 des Personenbeförderungsgesetzes enthaltene Strafandrohung nur im Fall eines nicht entwerteten Fahrausweises zutreffen würde, nicht aber auf den Sachverhalt eines nicht gelösten Einzelbilletts anzuwenden sei und damit der Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ zutreffe. Zum Personenbeförderungsgesetz wurden sechs Minderheitsanträge eingereicht, die mit Ausnahme des Vorstosses von Rotz (svp, OW) alle von der Ratslinken stammten. Letzterer versuchte vergeblich eine Darlehensbestimmung zu kippen, die über die Zusatzbotschaft zur Bahnreform 2 per 1.1.2010 in Kraft getreten war. Demnach können Darlehen an Unternehmen des regionalen Personenverkehrs umgewandelt oder sistiert werden, um den betroffenen Unternehmungen, die aufgrund des Abgeltungsmechanismus kaum Reserven bilden können, Modernisierungen und Sanierungen zu ermöglichen. Die fünf Minderheitsanträge der Ratslinken fokussierten auf die Angebotsplanung und die prinzipielle Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens im regionalen Personenverkehr. Ein Vorstoss Teuscher (gps, BE) verlangte, dass bei der Bestimmung des Verkehrsangebots und der entsprechenden Abgeltung, auch der Aspekt der Grunderschliessung zu berücksichtigen sei. Das Ansinnen wurde mit 77 zu 79 Stimmen knapp abgelehnt. Auch chancenlos waren zwei Anträge Hämmerle (sp, GR), die den Bahntransport aufgrund seiner hohen ökonomischen Komplexität gänzlich aus der Ausschreibungsplanung ausnehmen wollten. Die Minderheitsanträge Levrat (sp, FR) und Lachenmeier (sp, BS), die im Kontext von Grundversorgung und Wettbewerbsverzerrung auf eine Einschränkung der Ausschreibung abzielten, fanden nur im eigenen Lager Unterstützung. In der Gesamtabstimmung passierte die Vorlage mit 162 zu 1 Stimme.
Auch der Ständerat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag auf den zweiten Teil der Bahnreform 2. In der Frage des freien Netzzugangs hatte sich eine Kommissionsmehrheit für eine Beschränkung auf den internationalen Güterverkehrskorridor und die Bedingung der Reziprozität für internationale Abkommen ausgesprochen. Eine Minderheit Büttiker (fdp, SO) plädierte für die diskriminierungsfreie Variante, ohne dabei aber das von der Kommissionsmehrheit portierte Reziprozitätsprinzip in Frage zu stellen. Knapp, mit 18 zu 16 Stimmen entschied sich der Ständerat für diesen Minderheitsantrag und folgte damit dem Bundes- und Nationalrat. Im Gegensatz zur Grossen Kammer sprach er sich damit aber für die prinzipielle Verankerung des gegenseitigen Netzzugangs bei internationalen Verträgen aus. Die Präzisierung des Ausschreibungsverfahrens war auch im zweiten Rat unbestritten. Desgleichen unterlagen auch hier jene Stimmen, die eine grundsätzliche Beschränkung der Ausschreibung auf den konzessionierten Busverkehr erreichen wollten. Die Kleine Kammer band die Besteller zusätzlich an die Auflage, bei der Ausschreibungsplanung die Grundversorgung zu berücksichtigen – ein Anliegen, das der Erstrat noch knapp abgelehnt hatte. Vor dem Hintergrund der schwierigen Finanzierung des öffentlichen Verkehrs (siehe oben, Abschnitt Finanzierung) folgte der Ständerat einem Kommissionsvorschlag, der die Rechtsgrundlagen für die Tarifgestaltung flexibilisieren will. Die Kleine Kammer passte damit die Tarifbestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes dahingehend an, dass die Transportunternehmungen die Kosten, die mit dem vom Bundesrat bestellten Angebot zusammenhängen, angemessen auf die Tarife und damit auf die Nutzer übertragen können. Zusätzlich unterstützte die Ratsmehrheit eine von der Kommission vorgeschlagene Anpassung des Bundesgesetzes vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen. Dabei wurde die Tarifgestaltung bzw. Preissetzung im Personenfernverkehr verbindlich von den Gewinnvorgaben abhängig gemacht, wie sie in der Leistungsvereinbarung zwischen dem Bund und der SBB festgehalten werden. Mit dem Ersatz des Äquivalenzprinzips durch ein betriebswirtschaftliches Primat bei der Preisgestaltung wurde die bisherige Rolle des Preisüberwachers in der Tarifgestaltung für den öffentlichen Verkehr gegen dessen Willen in Frage gestellt. In seinem Jahresbericht monierte dieser denn auch ein Aushebeln des Preisüberwachungsgesetzes. In einem Kompromissvorschlag schlug das BAV Ende Jahr vor, das Interventionsrecht, ein eigentliches Vetorecht des Preisüberwachers bei den Bahntarifen, in ein Anhörungsrecht anlässlich der Bestimmung der finanziellen Eignerziele umzuwandeln. Die modifizierte Vorlage passierte die Abstimmung im Ständerat einstimmig.
Der Nationalrat ging die Differenzbereinigung noch Ende Jahr an. Mit den Stimmen der Grünen, Grünliberalen und der SP sowie 26 von insgesamt 28 CVP-Stimmen schwenkte er in der Frage der Reziprozität auf die Linie des Ständerats um und beschloss deren gesetzliche Verankerung. Die vom Ständerat im Personenbeförderungsgesetz ergänzten Tarifbestimmungen wurden angenommen, wobei der Passus ergänzt wurde, dass ordentliche Fahrkarten keinen Gültigkeitseinschränkungen bezüglich Zeit, Strecke und Transportmittelkategorie unterstellt werden dürfen. Desgleichen wurde die vom Ständerat festgehaltene Pflicht zur Berücksichtigung lokaler und regionaler Strukturen in der Ausschreibungsplanung übernommen. Hingegen strich der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission den vom Ständerat im SBB-Gesetz eingefügten Passus zur Tarifgestaltung. Die Diskussion der Differenzen im Ständerat ist für die Frühjahrsession 2012 traktandiert
[42].
Nach dem GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima sahen sich die SBB, die Anteile an französischen Kernkraftwerken und am Meiler Leibstadt halten, zu einer öffentlichen
Stellungnahme in der Energiefrage gedrängt. CEO Andreas Meyer wies darauf hin, dass eine allfällige Verpflichtung der Bundesbahnen, auf den Bezug von Atomstrom zu verzichten, eine Verteuerung der Fahrpreise nach sich ziehen würde. Angesichts der Tatsache, dass die SBB ein Viertel ihres Energiebedarfs aus Atomstrom decken, wäre ein solcher Verzicht nicht einfach zu bewerkstelligen
[43].
Im März des Berichtsjahrs wurden die Pläne der SBB bekannt, im Fernverkehr den Billettverkauf durch Zugbegleiter einstellen zu wollen. Man könne so dem potenziellen Schwarz- bzw. dem Graufahren (mit Fahrkarten zweiter in der ersten Klasse), durch das den Bundesbahnen Einkünfte in zweistelliger Millionenhöhe entgingen, besser entgegentreten. Die
Billettpflicht im Fernverkehr wurde zusammen mit dem neuen Tarifsystem 2012 mit dem Fahrplanwechsel per 11.12.2011 umgesetzt
[44].
Im Oktober blockierte die
Gewerkschaft Unia die Baustelle der Durchmesserlinie im Zürcher Hauptbahnhof. Die Gewerkschaft warf den SBB vor, die Arbeitenden der Arbeitsgemeinschaft Bahnhof Löwenstrasse nicht genügend vor den Fäkalienabwässern zu schützen, die aus den Zügen mit offenen Toiletten in den Baustellenbereich unter den Gleisen des Hauptbahnhofs sickerten. Nachdem die Gewerkschaft, die Arbeitsgemeinschaft Löwenstrasse und die SBB sich in einer schriftlichen Vereinbarung auf Abhilfemassnahmen geeinigt hatten, wurden die Arbeiten nach einem Unterbruch von drei Tagen wieder aufgenommen
[45].
Seit Anfang Dezember 2011 operiert eine vertrauliche
Meldestelle für Lokführer, an die sie sich im Anschluss an Beinaheunfälle oder bei anderen Unsicherheiten wenden können, ohne den Vorgesetzten informieren zu müssen
[46].
Nachdem der Ständerat die bundesrätliche Vorlage zur
Sanierung der SBB-Pensionskasse im Vorjahr einstimmig angenommen hatte, beschäftigte sich im März der Nationalrat mit der Vorlage. Der Nichteintretensantrag einer Kommissionsminderheit aus SVP-Vertretern und einem CVP-Mitglied, die argumentierte, dass der Bund mit der Ausfinanzierung der Pensionskasse 1999 seiner Pflicht abschliessend nachgekommen sei, wurde deutlich abgelehnt. Mit einer parteipolitisch ähnlichen Verteilung (132 zu 42 Stimmen bei 7 Enthaltungen) entschied der Rat auch die Gesamtabstimmung. Die Schlussabstimmung passierte die Vorlage im Ständerat mit 42 Stimmen bei 2 Enthaltungen, jene im Nationalrat mit 137 zu 46 Stimmen der SVP bei 8 Enthaltungen
[47].
Im Zusammenhang mit den Beratungen über die Sanierungsvorlage für die SBB-Pensionskasse reichte die nationalrätliche Finanzkommission (FK-NR) eine Motion ein. Darin verlangte sie die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen, die ähnlich gelagerte
Sanierungsfälle bundesnaher Betriebe künftig verhindern sollen. Der Bundesrat lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass bei allfälligen neuen Anträgen auf Bundeshilfen an Pensionskassen anderer bundesnaher Betriebe in jedem Fall eine formell-gesetzliche Grundlage nötig und die Mitsprache des Parlaments dadurch gesichert sei. Der Nationalrat überwies die Motion allerdings gegen die geschlossen stimmenden Grünen und Sozialdemokraten mit 115 zu 63 Stimmen. Die Kleine Kammer folgte jedoch im Herbst ihrer FK, welche die Motion einstimmig bei einer Enthaltung zur Ablehnung empfohlen hatte
[48].
Im April des Berichtsjahrs verabschiedete der Bundesrat eine Zusatzvereinbarung mit den SBB, nach der nur 62 Mio. CHF des erweiterten
Infrastrukturkredits von insgesamt 140 Mio. CHF (bis 2012), den das Parlament zusätzlich gesprochen hatte, in Infrastrukturerweiterungen investiert werden dürfen und der Restbetrag in den unterfinanzierten Unterhalt fliessen muss
[49].
Anfang 2011 nahm die aus den
SBB Cargo ausgelagerte SBB Cargo International den Betrieb im internationalen Kombi-Güterverkehr auf der Nord–Süd-Achse auf. Mitte des Berichtsjahres wies sie bereits einen Mehrverkehr von 17% aus. Da SBB Cargo noch immer stark defizitär war, kündigten die SBB im Oktober an, bis 2013 mit Umstrukturierungen in der Administration und der IT gegen 200 Stellen (statt der 157 bisher angekündigten) abbauen zu wollen. Damit soll SBB Cargo mittelfristig die Eigenwirtschaftlichkeit erreichen
[50].
Der Bundesrat wählte neu den Finanzexperten Hans-Jürg Spillmann und den Gewerkschaftssekretär Daniel Trolliet in den Verwaltungsrat der SBB. Im April übernahm Jeannine Pilloud die operative Leitung der Division Personenverkehr. Diese war nach dem Rücktritt von Jürg Schmid im Mai 2010 interimistisch geleitet worden. Mit Pilloud wurde erstmals eine Frau in die Konzernleitung der SBB gewählt
[51].
Ende März 2012 legten die SBB die
Betriebszahlen für 2011 vor. Insgesamt beförderten sie im Berichtsjahr 356,6 Mio. Passagiere (2010: 347,1 Mio.), durchschnittlich 977 000 pro Tag. Die Anzahl Personenkilometer konnte ebenfalls leicht gesteigert werden (2010: 17,513 Mia. km, 2011: 17,749 Mia.), die zurückgelegten Nettotonnenkilometer sanken um beinahe 6% von 13,111 Mia. auf 12,346 Mia. Ihren Gewinn vermochten die Bundesbahnen erneut zu steigern. Der Konzernreingewinn betrug 338,7 Mio. CHF, das sind 13,5% mehr als im Vorjahr (298,3 Mio. CHF). Beim Personenverkehr ging der Gewinn wegen der ansteigenden Trassenpreise (siehe oben, Abschnitt Finanzierung) und einer Abflachung der Nachfrage nach Transportleistungen trotz steigender Billettpreise um mehr als ein Viertel zurück. Er betrug noch 213,9 Mio. CHF (2010: 292.6 Mio. CHF). Im Immobiliensegment wurde das Ergebnis vor Abzug der Ausgleichszahlungen gesteigert (182,5 Mio. CHF, 2010: 173,5 Mio. CHF). Von diesem Betrag flossen 150 Mio. CHF. in die Infrastruktur und rund 30 Mio. CHF als Zins- und Amortisationsleistungen an die Sanierung der SBB-Pensionskasse. Daraus resultierte ein Segmentgewinn von 2,4 Mio. CHF. Das Defizit im Güterverkehr konnte trotz des starken Frankens und rückläufiger Nachfrage im Binnengütermarkt um ein gutes Viertel (2010: -64,0 Mio. CHF) gedrückt werden, blieb mit 45,9 Mio. CHF allerdings beträchtlich. Der markante Gewinnsprung im Infrastruktursegment von 4,8 Mio. CHF 2010 auf 72,4 Mio. CHF 2011 ist auf den 2010 gesprochenen ausserordentlichen Infrastrukturkredit für dringende Unterhaltsarbeiten zurückzuführen (siehe oben). Während die Schuldenlast inklusive die zinslosen Darlehen der öffentlichen Hand um 2,7% auf 18,682 Mia. CHF zunahm (bei einem Eigenkapital von 10,344 Mia. CHF), bewegte sich die verzinsliche Verschuldung mit 7,965 Mia. CHF im Rahmen des Vorjahrs (8,052 Mia. CHF). In Anbetracht der hohen Investitionskosten, die mit den nötigen Kapazitätserweiterungen und dem Infrastrukturausbau auf die SBB zukommen, sowie der wachsenden Zinslast für den Schuldendienst und der steigenden Trassenpreise wird der Produktivitäts- und Effizienzdruck auf die Bundesbahnen in den nächsten Jahren beträchtlich sein
[52].
[34]
AS, 2011, S. 3961 f., 3967 ff.;
NZZ, 17.8. und 29.9.11; Presse vom 18.8.11;
WoZ, 15.9.11;
SPJ 2010, S. 183; vgl. auch oben Teil I, 1b (Strafrecht).
[35]
NZZ, 23.8.11; Presse vom 3.9.11.
[36] Mo. 10.3284:
AB NR, 2011, S. 1265;
AB SR, 2011, S. 901; Po. 11.3177:
AB SR, 2010, S.898 f.;
NZZ, 25.1.11,
CdT, 25.2.11.
[37] Po. 10.3893 (KVF-NR):
AB NR, 2011, S. 581; Mo. 10.3921 (Büttiker):
AB SR, 2011, S. 280 f.;
AB NR, 2011, S. 1247 (stillschweigend);
NLZ, 25.2.2011; Mo. 10.3914 (Hochreutener): AB NR, 2011, S. 529 (stillschweigend);
AB SR, 2011, S. 900; Po. 11.3940 (Savary):
AB SR, 2011, S. 901;
NLZ, 25.2.11;
CdT, 17.3.11 ;
LT, 12.5.11;
SGT, 5.11.11;
Lit. Verlagerungsbericht 2011;
SPJ 2010, S. 187.
[38]
BZ, 9.3.11,
SGT, 22.6.11;
SPJ 2007, S. 175;
SPJ 2010, S. 185.
[40]
NZZ und
BaZ, 9.9.11;
LT, 11.10.11.
[41] BRG 05.028:
BBl, 2011, S. 911 ff.;
NZZ, 10.2.11 (Grundsatzartikel zur Plausibilität einer Trennung von Bahninfrastruktur und -betrieb zur Wettbewerbsförderung),
BaZ, 14.3.11 (Wettbewerbsregeln);
NZZ, 29.12.11 (Interoperabilität);
SPJ 2008, S. 161 f.;
SPJ 2009, S. 187; zum ersten, 1999 umgesetzten Teil der Bahnreform vgl.
SPJ 1998, S. 194 ff. und
SPJ 1999, S. 198.
[42] BRG 05.028:
AB NR, 2011, S. 370 ff. und 1898 ff. (Differenzbereinigung);
AB SR, 2010, S. 418 ff.; BGE-Entscheid 6B_844/2010 vom 25.1.11; Presse vom 21.2. und 22.2.11 (BGE zum Schwarzfahren); Presse vom 15.3.11 (Detailberatungen NR zweiter Teil Bahnreform 2);
NZZ, 3.6.11 (Detailberatung Zweitrat);
NZZ, 26.5. und 12.12.11 (Anbindung der Tarife an die Eignerziele des Bundes); Presse vom 24.8. und 25.8.11 (Preisüberwacher);
Lit. Jahresbericht Preisüberwacher, S. 694, 715 f.
[43]
SGT 22.3. und 24.3.11; über Fukushima und die Auswirkungen auf die Schweiz berichten wir ausführlich unter Teil I, 6a (Kernenergie).
[44]
NF und
Lib., 24.3.11; Presse vom 17.6.und 13.9.11.
[45] Medienmitteilung SBB vom 17.10.11;
TA 20.10.11;
NZZ, 21.10.11.
[47] BRG 10.036:
AB NR, 2011, S. 183 ff., 557;
AB SR, 2011, S. 339;
BBl, 2011, S. 2741; NZZ, 7.3. und 8.3.11;
SPJ 2010, S. 189 f.
[48] Mo. 11.3002:
AB NR 2011, S. 183 ff., 194;
AB SR, 2011, S. 933.
[49]
NZZ und
TA, 7.4.11;
SPJ 2010, S. 186.
[50] Medienmitteilung SBB vom 12.10.11;
TA, 6.7.11;
NZZ, 12.10.11;
SPJ 2010, S. 188.
[51]
NZZ, 19.5.11;
AZ, 22.8.11;
BaZ, 29.11.11;
SPJ 2010, S. 189.
[52] Medienmitteilung SBB vom 29.3.12.; Presse vom 30.3.12.
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