Année politique Suisse 2011 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Berufsbildung
Im Berichtsjahr überwies der Nationalrat insgesamt sieben Postulate, die auf die eine oder andere Weise die Berufsbildung ansprachen. In der Sommersession nahm er stillschweigend ein Postulat Müri (svp, LU) an, das den Einbezug der beruflichen Grundbildung im vom EVD und UVEK erarbeiteten Masterplan Cleantech (ressourcenschonendes Wirtschaften) verlangt. Dabei sollen die Bildungsgänge auf ihre ökologische, energierelevante, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit überprüft werden. Details siehe Teil I, 6a (Energiepolitik) [20].
In der Herbstsession wurde ein Postulat Ingold (evp, ZH) behandelt, das die Schaffung von zusätzlichen Attestausbildungsplätzen fordert. Mit Verweis auf die steigende Anzahl absolvierter Attestlehren, die Bemühungen von Bund, Kantonen und Sozialpartnern, das Angebot kontinuierlich zu erweitern, sowie auf die laufenden Evaluationen zur Arbeitsmarktfähigkeit der Personen mit Attestabschluss hatte der Bundesrat den Vorstoss abgelehnt. Das Postulat wurde jedoch, wenn auch äusserst knapp, mit 89 zu 88 Stimmen angenommen [21].
Ein Vorstoss Müri (svp, LU) wurde in der Dezembersession diskussionslos und mit Unterstützung des Bundesrats durchgewinkt. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeit gewisser Branchen (v.a. technische Berufe), Lehrstellen mit hohem Anforderungsprofil zu besetzen, verlangt das Postulat die Prüfung von Massnahmen zur Rekrutierung leistungsstarker Schulabgänger in diesen Bereich des Lehrstellenmarkts sowie zu ihrer spezifischen Förderung während der Lehre [22].
Deutlich und gegen den Willen des Bundesrats stimmte der Rat einem Postulat Pfister (cvp, ZG) zu, das die Berufsbildung als strategisches Instrument von Migrationspartnerschaften verankern möchte. Details dazu siehe Teil I, 7d (Ausländerpolitik) [23].
Eine arbeitsmarktpolitische Zielrichtung hatte das Postulat Aubert (sp, VD), das vom Bundesrat eine Prospektivstudie zum Fachkräftebedarf nach Branchen und Berufsprofilen verlangt. In der Begründung des Postulats verwies die Politikerin auf den bereits bestehenden oder aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwartenden Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, insbesondere im Gesundheitswesen und den MINT-Fächern. Mit 179 zu sechs Stimmen votierte die Grosse Kammer deutlich gegen den Bundesrat, der auf die Schwierigkeit hinwies, die Entwicklung von Weltwirtschaft und Technik sowie deren Einfluss auf den Arbeitsmarkt realistisch abzubilden. Vgl. auch Teil I, 7a, Bevölkerung und Arbeit (Arbeitsmarkt) [24].
Zwei Postulate aus der SP-Fraktion (Fässler, SG sowie Aubert, VD) kritisierten die Intransparenz der Finanzflüsse rund um die höhere Berufsbildung, speziell bei den Beiträgen an entsprechende Diplomvorbereitungskurse. Seit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes 2004 werden die Bundesbeiträge an den gesamten, von Bund, Kantonen, Gemeinden und Arbeitgebern getragenen Berufsbildungskosten als leistungsorientierte Pauschalen ausbezahlt. Dabei ist für die Bundesbeiträge eine Richtgrösse von 25% festgelegt, die mit den Finanzierungsbeschlüssen zur BFI-Botschaft 2012 erstmals erreicht worden ist. Mit Hinweis auf die laufende Diskussion über die Neuregelung der Finanzierung von Vorbereitungskursen verlangten die vom Bundesrat gestützten und stillschweigend akzeptierten Vorstösse einen Bericht über die Finanzflüsse zwischen allen an der Berufsbildung beteiligten Akteuren (inkl. Arbeitnehmer) [25].
top
 
print
Berufsordnung
Der Nationalrat trat in der Frühjahrssession als Zweitrat ohne Gegenantrag in die Detailberatung des Psychologieberufegesetzes (Titelschutz inkl. Weiterbildungstitel; Regelung der Berufsausübung) ein. Die Vorlage war nicht umstritten und der National- folgte dem Ständerat in der Annahme des unveränderten Bundesratsentwurfs. [26].
 
[20] Po. 11.3188: AB NR 2011, S. 1267, SPJ 2010, S. 157 f.
[21] Po. 10.3738: AB NR, 2011, S. 1498; SoS, 21.6.11 (Integration leistungsschwacher Schulabgänger in die Arbeitswelt); SPJ 2004, S. 224.
[22] Po. 11.4007: AB NR, 2011, S. 2223, Presse vom 21.6.11.
[23] Po. 11.3699: AB NR, 2011, S. 1736.
[24] Po. 11.3044: AB NR, 2011, S. 1732; NZZ, 9.5.11 (zum allgemeinen Zustand der Berufsbildung und der schwierigen Rekrutierung von Lehrlingen für technische Berufe); TG, 6.9.11.
[25] Po. 11.3687 (Fässler), Po. 11.3694 (Aubert): AB NR, 2011, S. 1844; NZZ, 29.4.11
[26] BRG 09.075: AB NR, 2011, S. 291 ff., 554; AB SR, 2011, S. 338; BBl, 2011, S. 2707 ff.; NZZ, 10.3.11; SPJ 2001, S. 224; SPJ 2010, S. 280 f.