Année politique Suisse 2011 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
Neue Medien
Gemäss den Studien von Netmetrix, einem Unternehmen, das für die schweizerische Kommunikationsbranche die Internetnutzung misst, verfügten im Jahr 2011 86,8% der Schweizer Haushalte über einen Internetzugang, 90% davon waren Breitbandanschlüsse (vgl. auch Teil I, 6b, Post und Telekommunikation).
Zehn Jahre zuvor waren es noch 53,1%. gewesen. Dieser Wert liegt deutlich über dem Europäischen Durchschnitt von 73%, womit die Schweiz europaweit an sechster Stelle liegt. Die stärkste Entwicklung hat, mit einem Zuwachs von 4,5% Internetanschlüssen in den letzten zwei Jahren, die Westschweiz erfahren. Gemäss einer neuen Umfrage des Bundesamts für Statistik (BFS) ist das gesamtschweizerische Ausbaupotenzial jedoch bald erschöpft, da fast 20% der Befragten zu Hause keinen Internetzugang wünschen. 55,7% der Bevölkerung verfügt an ihrem Arbeitsplatz über einen solchen. Bei der Nutzung des Internets zeigt sich nach Netmetrix eine enorme Zunahme. Hatten 2001 noch 13% der Bevölkerung das Internet täglich oder fast täglich genutzt (so genannte
Heavy user), waren es 2011 bereits 66,8%. Der typische
Heavy user ist nach Netmetrix zwischen 20 und 30 Jahre alt, gut gebildet, männlich, urban und gehört der oberen Einkommensklasse an. Der Studie zufolge könnte sich das bald ändern, weil die
Heavy user eine immer breitere gesellschaftliche Gruppe abbilden. Vor allem die weit verbreitete Nutzung mobiler Empfangsgeräte (Mobiltelefone, Tablet-PCs) trage zu dieser Entwicklung entscheidend bei. Die sogenannten
Offliner, Personen ohne Internetzugang, werden immer weniger (2001 62.3%, 2011 15.7%). Nach den Erhebungen des BFS, sind sich die Internetnutzer des grundsätzlichen Sicherheitsproblems bewusst. 80% setzen eine Sicherheitssoftware ein. Weniger verbreitet sind spezifische Kinderschutzprogramme.
[33]
Wie eine weitere Studie von Netmetrix aufzeigte, wuchs die Nachfrage nach
Online-News weiterhin an. Entsprechend nahmen die Tagesreichweiten der grossen Schweizer Online-Medien zu. Vor 2011 waren nur Monatsreichweiten gemessen worden. Anfang Mai des Berichtsjahres erschien die erste Auswertung zu den Tagesreichweiten. Bis zur zweiten Messung im November konnten die Anbieter ihr Publikum stark erweitern. So wuchs die Zahl der täglichen Besucher bei 20-Min-Online um 26%, bei Blick um 18% und bei der NZZ um 14%. Es fällt auf, dass die Angebote unter der Woche viel stärker genutzt werden als an den Wochenenden. Websites ausländischer Fernsehsender spielten beim Schweizer Publikum bis anhin eine marginale Rolle. So verzeichnete Sat1 12 000 Besucher im Tag während 20 Minuten an einem Werktag um die 262 000 Besucher für eine ungefähre Nutzungsdauer von 15 bis 20 Minuten gewinnen konnte. Weiter liess sich eine starke Zunahme des Nutzerkreises beobachten, der mit seinem Mobiltelefon auf Online-Informationen zugreift. Insgesamt war die Reichweite der gedruckten Zeitungen jedoch immer noch grösser als diejenige der Online-Ausgaben
[34]
Die
Internetstudie des Bakom kam zum Ergebnis, dass der steigende Produktivitätsdruck die publizistische Vielfalt beeinträchtigt. Das Internet ermögliche eine solche nur bedingt, da der Effizienzdruck dazu führe, dass bei der Recherche gespart werde und die einzelnen Medien zunehmend andere Medien zitierten. Weiter würden den Journalisten häufig die Kompetenzen fehlen, um den Anforderungen, der Medienkonvergenz gerecht zu werden
[35].
Das
Internet wird nicht mehr als einheitliches Medium, sondern vielmehr als eine technische Plattform angesehen, auf der verschiedenste Anwendungen möglich sind. Von der Individualkommunikation bis hin zur Massenkommunikation betrifft es zunehmend alle Lebensbereiche. Problemstellungen und Fragen im Zusammenhang mit dem Internet können immer weniger umfassend beantwortet werden. Die Einflüsse der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gilt es stärker in die verschiedensten Problemstellungen einzubeziehen. So besteht im Rahmen der medienpolitischen Debatten die Frage, wie sich die Medienlandschaft unter dem Einfluss der neuen Möglichkeiten verändert und wo allenfalls politischer Handlungsbedarf besteht
[36].
Der mit der Missbrauchsgefahr des Internets einhergehende Regulierungsbedarf hatte im Berichtsjahr weiterhin einen hohen Stellenwert auf der politischen Agenda. Zwei von Hans-Jürg Fehr (sp, SH) 2009 eingereichte politische Vorstösse, welche die
Überwachung des Internets thematisierten, wurden im Berichtsjahr vom Nationalrat abgelehnt. In einem Postulat hatte Fehr vom Bundesrat einen Bericht über Gegenwart und Zukunft des Internets in der Schweiz und in der Folge in einer ebenso gescheiterten Motion ein Internetobservatorium gefordert. Dieses hätte die Entwicklung des Internets in der Schweiz und im Ausland in all seinen Facetten beobachten sollen, um dann dem Bundesrat und den eidgenössischen Räten regelmässig den politischen Handlungsbedarf aufzuzeigen. Der Bundesrat sah aufgrund der bereits lancierten Massnahmen wie etwa der „Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz“ keinen zusätzlichen Handlungsbedarf. Zudem wies er darauf hin, dass das Internet kein einheitliches Phänomen sei, das durch einen Bericht oder ein Observatorium genügend thematisiert und überwacht werden könne
[37].
Eine in der Herbstsession 2010 vom Ständerat angenommene Motion Schweiger (fdp, ZG) zum Thema Jugendmedienschutz, welche die Entwicklung eines
Medienführerscheins für Jugendliche samt Verankerung im Lehrplan 21 forderte, wurde im März des Berichtsjahrs vom Nationalrat abgelehnt. Der Bundesrat und eine Mehrzahl der Nationalräte beriefen sich auf die Souveränität der Kantone im Bereich der Volksschule. In seiner Stellungnahme wies der Bundesrat auf bereits bestehende Programme hin, wie etwa das nationale Medienkompetenz-Programm, das vom Bundesamt für Sozialversicherungen lanciert worden ist
[38].
Eine Kampagne vom Rat für Persönlichkeitsschutz, dessen Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft stammen, will Kindern
den Umgang mit persönlichen Daten im Internet lehren und damit ihr Bewusstsein für ihre Privatsphäre stärken. Die Kampagne wurde auf drei Jahre ausgelegt und grösstenteils mit Geldern aus der Wirtschaft finanziert. Mitinvolviert ist der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer, der dafür sorgen will, dass im neuen Lehrplan 21 der Umgang und die Schulung in den neuen Medien thematisiert und umgesetzt wird. Grundsätzlich fehlt es nicht an politischen und wirtschaftlichen Initiativen, die sich der Risiken des Internets annehmen. Staatliche wie nichtstaatliche Akteure wollen die Medienkompetenz fördern. Allerdings brauche es gemäss verschiedenen Experten eine bessere Vernetzung der Angebote. Im Oktober fand ein erster Tag der Medienkompetenz statt, der sich den Herausforderungen widmete, die Internet und Smartphone an Jugendliche stellen
[39].
Soziale Medien wie Facebook, Youtube und Twitter wurden 2011 primär von einer jüngeren Generation genutzt. Jedoch liess sich eine Verschiebung der Zielgruppen beobachten.
Facebook zum Beispiel wurde zunehmend von Politikern verwendet, um mit ihren Wählerinnen und Wählern in Kontakt zu treten. Auf einfachem und schnellem Weg können Kandidierende ihre Ansichten verbreiten und Anhänger für ihre Sache gewinnen. Andererseits stehen Politiker in den sozialen Netzwerken ständig unter Beobachtung, was im konkreten Fall des Aargauer FDP-Grossrats Daniel Heller zu einem kleinen Medienspektakel geführt hat. Der Lokalpolitiker hatte auf seinem Profil öffentlich Bundesrätin Doris Leuthard diffamiert. Anlass war der Entscheid des Bundesrats zum Ausstieg aus der Atomenergie. Zuerst stritt Heller ab, Autor des umstrittenen Eintrags zu sein, um sich dann schlussendlich doch noch dazu zu bekennen. Der Vorfall zeigte exemplarisch, dass die neuen sozialen Medien für Politiker neben Vorteilen auch Gefahren bergen
[40].
Das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ hat im Berichtjahr ein erstes
Social Media Ranking durchgeführt und dabei ermittelt, wie gut sich Schweizer Firmen in sozialen Netzwerken im Internet verkaufen. Platz 1 belegte dabei die Swisscom, die es versteht, schnell zu reagieren und sich dialogstark zu verhalten. Ebenfalls gut positioniert waren Uhrenmarken sowie die Migros. Schlecht schnitten die Post (Rang 31), Coop (Rang 37) oder die BKW (Rang 45) ab
[41].
Das Thema Cyberkriminalität, deren rechtlichen Bewandtnis und die staatlichen Schutz- und Abwehrmassnahmen im Cyberwar werden in Teil 1, 1b, (Datenschutz) behandelt.
[33] Medienmitteilung Netmetrix vom 20.1., 3.3., 8.4., 5.5., 14.7., 28.9. und 4.11.11
; NZZ, 5.2.11.
[34]
NZZ, 5.11.11; Medienmitteilungen Netmetrix vom 20.1., 3.3., 8.4., 5.5., 14.7., 28.9 und 4.11.11.
[36] Po.09.3628:
AB NR, 2011, S. 594.
[37] Mo. 09.3642:
AB NR, 2011, S. 594; Po. 09.3628:
AB NR, 2011, S. 594.; vgl.
SPJ 2010, S. 304
[38] Mo. 10.3055:
AB NR, 2011, S.151 f.
[39] Presse vom 29.1.11;
NZZ, 28.10.11.
[40] Zur Nutzung von social media:
Lit. BFS
; www.bfs.admin.ch
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