Année politique Suisse 2012 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau / Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Auch im Berichtjahr gab es eine Reihe von
Gemeindefusionen. Im Jahr 2012 nahm die Anzahl der Gemeinden in der Schweiz durch Eingemeindungen und Fusionen von 2495 auf 2408 erneut ab (2011 gab es ein Minus von 56 Gemeinden). In ihrem Kantonsmonitoring bezeichnete Avenir Suisse Gemeindefusionen als ideale Lösung um kommunale Aufgaben und Strukturen wieder deckungsgleich zu machen ohne die Grundpfeiler Milizprinzip und Bürgerbeteiligung aufzugeben. Weil der Gewinn an kommunalem Handlungsspielraum aber mit einer grösseren Distanz zwischen Bürgerschaft und Behörden einhergehe, müsse Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Studie zeigte auf, dass 19 der 26 Kantone Instrumente der Fusionsförderung kennen. In Bern wurde etwa in einer Volksabstimmung ein Fusionszwang für jene Gemeinden eingeführt, die ihre Aufgaben nicht mehr selbständig erfüllen können, aber nicht von sich aus Fusionsdiskussionen aufnehmen wollen. Allerdings gab es auch Kritik an Gemeindezusammenschlüssen. So scheiterte etwa Ende März eine Grossfusion im Kanton Jura an der Urne. Mindestens neun der 13 Gemeinden hätten zustimmen müssen, aber elf Gemeinden erteilten dem Vorhaben eine teilweise massive Abfuhr. Angst vor Identitätsverlust, mangelnde Kommunikation und zu hohes Tempo wurden als Gründe für die Ablehnung vermutet. Im Nationalrat wurde ein Postulat Lehmann (cvp, BS) eingereicht, das von der Regierung einen Bericht über mögliche Abläufe von Gemeindefusionen über Kantonsgrenzen hinweg verlangt. Der Vorstoss wurde 2012 noch nicht behandelt. Lehmann gilt als grosser Befürworteter eines vereinigten Kantons Basel
[6].
In der Sommersession nahm auch der Nationalrat die Motion Maissen (cvp, GR) an. Der im Vorjahr bereits vom Ständerat gutgeheissene Vorstoss, verlangt von der Regierung eine
kohärente Strategie für Berggebiete und ländliche Räume. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, weil er einer scharfen Abgrenzung zwischen Stadt und Land das Denken und Planen in funktionalen Raumeinheiten vorgezogen hätte. Vor dem Hintergrund der angenommenen Zweitwohnungsinitiative stimmte der Nationalrat der Motion aber einstimmig zu. Er erhofft sich – gestützt auf die Ausführungen seiner Kommission – dass damit auch Zukunftschancen für die Berggebiete aufgezeigt werden können. Die Zweitwohnungsinitiative evozierte auch Diskussionen um einen besseren Schutz der kleinen Kantone. Gerhard Pfister (cvp, ZG) dachte laut über seine Idee einer fallweisen Ausserkraftsetzung des Ständemehrs nach, zum Beispiel wenn sechs Kantone eine Vorlage mit mehr als 66% der Stimmen ablehnen. Die Idee stiess jedoch auch in der Presse auf Skepsis
[7].
Häufig werden die
urbanen Zentren als eigentliche Opfer des Föderalismus bezeichnet. Zwar erbrächten sie mit etwa 80% aller Erwerbstätigen rund 85% der Wirtschaftsleistungen, ihre Interessen würden aber in der nationalen Politik zu wenig berücksichtigt. Die Zahlen wurden Ende August am Tag der Städte in Bern präsentiert. Die Städte hätten keinen institutionalisierte Form der Mitsprache und keinen direkten Ansprechpartner beim Bund, monierte der Präsident des Schweizerischen Städteverbandes, Marcel Guignard. Der Verband forderte vom Bund einen stärkeren Einbezug der urbanen Zentren und eine gesetzliche Verankerung der Agglomerationspolitik. Der Bund müsse sich zudem auch finanziell stärker für die Städte einsetzen. Ein Problem stelle darüber hinaus auch die schwache Städte-Lobby im Parlament dar. Die Städte hätten zu wenig Vertreter im Parlament und die Vertreter der ländlichen Gebiete seien besser vernetzt
[8].
[6] Po 12.3203;
BZ, 8.2.12;
BaZ und
AZ, 26.3.12;
NZZ, 31.3.12;
SGT, 2.4.12;
Lit. Rühli.
[7] Mo. 11.3927:
AB NR, 2012, S. 1024 ff.; Pfister:
NLZ, 19.3.12; vgl.
SPJ 2011, S. 65.
[8]
CdT, 7.8.12;
24h und
NLZ, 31.8.12.
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