Année politique Suisse 2012 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Wettbewerb
Im Februar des Berichtsjahres unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zur Revision des Kartellgesetzes. Das Ziel bestand darin, im Interesse einer liberalen Marktordnung den Wettbewerb in der Schweiz zu intensivieren. Die beantragte Revision setzte sich aus sechs Hauptpunkten zusammen. Erstens wurde eine institutionelle Reform ins Auge gefasst, die auf die Schaffung einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde sowie eines unabhängigen erstinstanzlichen Wettbewerbsgerichts abzielte. Zweitens beantragte der Bundesrat ein grundsätzliches Verbot von horizontalen Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie vertikalen Preisbindungen und Gebietsabschottungen. Im Rahmen dieses Paradigmenwechsels sollten jedoch abweichende Rechtfertigungsmöglichkeiten zugelassen werden. Der dritte Revisionspunkt betraf die Ausweitung der Klagelegitimation auf die Endkunden. Bis dato waren nur jene Wirtschaftsteilnehmer zur Klage berechtigt, die in der Aufnahme und Ausübung des Wettbewerbs behindert wurden. Viertens bezweckte die Revision eine Stärkung und Vereinfachung der Zusammenschlusskontrolle, wobei eine Orientierung an den in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen im Vordergrund stand. Fünftens schlug der Bundesrat als Antwort auf einer im Jahre 2010 überwiesenen Motion Schweiger (fdp, ZG) vor, dass wirksame und adäquate Massnahmen zur Einhaltung von kartellrechtlichen Bestimmungen (sogenannte Compliance-Programme) als sanktionsmildender Faktor für Unternehmen berücksichtigt werden konnten. Sechstens beinhaltete die Botschaft eine Verbesserung des Widerspruchsverfahrens, das den betroffenen Unternehmen bei drohenden Sanktionen frühzeitig Rechtssicherheit verschaffen sollte [25].
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Importe
Für Aufsehen sorgte im Mai die Bekanntgabe der Eidgenössische Wettbewerbskommission (WEKO) eine rekordhohe Busse von 156 Millionen Franken gegen den deutschen Automobilhersteller BMW auszusprechen. Die Untersuchung der WEKO wies nach, dass die Vertriebsverträge von BMW mit den zugelassenen Händlern im EWR-Raum eine Exportverbotsklausel enthielten, welche den Verkauf von Fahrzeugen und Originalteilen an Abnehmer in der Schweiz untersagten. Diese Beschränkung von Direkt- und Parallelimporten wurde als unzulässige vertikale Abrede im Sinne des Kartellgesetzes beurteilt [26].
Im September veröffentlichte der Preisüberwacher einen Bericht Frankenstärke und Preise“, in dem untersucht wurde, ob und in welchem Umfang die Händler die Wechselkursvorteile im Vorjahr an die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben hatten. Der Bericht kam zum Schluss, dass die Preise der importierten Güter mit einer gewissen Verzögerung im einstelligen Prozentbereich gefallen waren. Dabei wurden allerdings grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Produktkategorien festgestellt. Zudem betonte der Bericht, dass die Problematik der chronisch hohen Preisen in der Schweiz bestehen geblieben war [27].
Die Frankenstärke zementierte die sogenannte „Hochpreisinsel Schweiz“ und führte zu einem beträchtlichen Einkaufstourismus im grenznahen Ausland. Gemäss einer durch die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IGDHS) in Auftrag gegebene Studie kauften Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten jährlich Waren im Wert von rund 8,9 Milliarden Franken im Ausland ein. Darunter fielen insbesondere Kleider, Schuhe, Lebensmittel, Körperpflege- und Hygieneartikel. Dies bewog den Schweizerischen Gewerbeverband im April eine Inserate- und Plakat-Kampagne gegen den Einkaufstourismus ins Leben zu rufen. Unter dem Motto „Ja zur Schweiz – hier kaufe ich ein“ wurde darauf hingewiesen, dass dem Schweizer Gewerbe, das gut bezahlte Arbeitsplätze und ein erfolgreiches Berufsbildungssystem zur Verfügung stelle, Sorge zu tragen sei. Die vier wichtigsten Konsumentenschutzorganisationen (Stiftung für Konsumentenschutz, Konsumentenforum, Fédération Romande des Consommateurs und Associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana) lancierten ihrerseits Ende Oktober den Internetdienst „preisbarometer.ch“. Auf diesem Portal liessen sich die Preise von über 700 Produkten in der Schweiz mit jenen im benachbarten Ausland vergleichen. Der Schweizerische Gewerbeverband störte sich daran, dass der Internetdienst mit Unterstützung des Eidgenössischen Büros für Konsumentenfragen (BFK) erstellt wurde. Im Rahmen der Massnahmen zur Abfederung der Folgen der Frankenstärke hatte der Bund für den Aufbau der Website 500 000 Franken ausgegeben [28].
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Öffentliche Beschaffungen
Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) veröffentlichte für das Jahr 2011 Zahlen zur geographischen Verteilung von Bundesaufträgen. Dabei kamen erhebliche sprachregionale Unterschiede ans Licht. Demnach wurden 80% der Zuschläge in die Deutschschweiz, je 9% in die Romandie und ins Tessin und 2% ins Ausland vergeben. Vor diesem Hintergrund sprach sich der Nationalrat in der Wintersession für eine Motion Hodgers (gp, GE) aus, die Massnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit zwischen den verschiedenen Sprachregionen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch den Bund verlangte, ohne dabei die Qualität der Dienstleistungen in Frage zu stellen. Der Entscheid des Ständerats zu diesem Geschäft erfolgte nicht mehr im Berichtsjahr [29].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Darbellay (cvp, VS), das den Bundesrat damit beauftragte, die Vergabekriterien für öffentliche Aufträge des Bundes im Rahmen des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen zu überprüfen und dem Parlament gegebenenfalls eine Teilrevision zu unterbreiten [30].
Der Ständerat lehnte in der Herbstsession eine Motion Flückiger-Bäni (svp, AG) ab, welche gleich lange Spiesse für kleine und mittlere Unternehmungen (KMU) im öffentlichen Beschaffungswesen forderte. Dieser Vorstoss hatte im Jahre 2011 eine Mehrheit im Nationalrat gefunden [31].
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Konsumentenschutz
Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession mit der Differenzebereinigung zu einer Gesetzesrevision, welche die minimale Garantiedauer im Kauf- und Werkvertragsrecht auf zwei Jahre verdoppeln wollte. Die gewichtigste Differenz betraf die Frage, ob die Gewährleistung auch weiterhin wegbedungen werden konnte (bspw. bei Occasionsfahrzeugen). Ein Antrag Stamm (svp, AG), der sich für diese Möglichkeit aussprach, setzte sich knapp mit 87 zu 86 Stimmen durch. Neben der SVP unterstützten die FDP und die BDP diesen Antrag, welcher inhaltlich der ursprünglichen Version des Nationalrats entsprach. Diese erlaubte, im Gegensatz zur Lösung, die vom Ständerat bevorzugt worden war, die Gewährleistungspflicht gegenüber den Konsumentinnen und Komsumenten einzuschränken. Eine Mehrheit des Ständerates wollte ursprünglich auch beruflich und gewerblich handelnde Personen von den verlängerten Gewährleistungsfristen profitieren lassen. Im März schloss sich die kleine Kammer dem Nationalrat an. Mit 27 zu 13 Stimmen wurde auf eine Ausdehnung auf das Gewerbe verzichtet. In der Schlussabstimmung wurde die Gesetzesrevision, die auf eine parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) aus dem Jahre 2006 zurückging, vom Nationalrat mit 130 zu 60 und vom Ständerat mit 28 zu 5 Stimmen angenommen [32].
Im März gab der Nationalrat mit 87 zu 61 Stimmen einer parlamentarischen Initiative Maire (sp, NE) Folge, die strengere Vorschriften zur Bekämpfung der Kreditkarten-Verschuldung von jungen Erwachsenen forderte. Der Vorstoss, der in der nationalrätlichen Kommission keine Mehrheit auf sich vereinigen konnte, sah drei Veränderungen im Rahmen des Bundesgesetzes über den Konsumkredit (KKG) vor. Erstens sollten die Kreditkartenkonti von Personen unter 25 Jahren direkt nach einer Zahlung belastet werden. Zweitens sollten Käufe verunmöglicht werden, sofern der Kontostand im Minus lag oder Null betrug. Schliesslich verlangte die parlamentarische Initiative die Anzeige des Kontostands in Echtzeit. Der Entscheid der kleinen Kammer stand im Berichtjahr noch aus [33].
Der Ständerat überwies ein Postulat Comte (fdp, NE), das auf die Rahmenbedingungen der Praktiken von Inkassounternehmen abzielte. Der Bundesrat sollte untersuchen, ob in Bezug auf die Methoden, mit denen die Inkassounternehmen die Rückzahlung von Schulden anforderten, Regulierungsbedarf bestehe. Ausserdem wurde die Regierung damit beauftragt, ein Verbot der Weiterbelastung von Verwaltungsgebühren an die SchuldnerInnen zu prüfen [34].
 
[25] BRG 12.028: BBl, 2012, S. 3905ff.; NZZ, 23.2.12.
[26] NZZ, 25.5.12.
[27] Lit. Preisüberwachung; NZZ, 21.9.12.
[28] Medienmitteilung GfK, 5.4.13; NZZ, 14.4.12; TA, 10.11.12.
[29] Mo. 12.3739: AB NR, 2012, S. 2250.
[30] Po. 10.3382: AB NR, 2012, S. 2253.
[31] Mo. 10.3382: AB SR, 2012, S. 723f.; vgl. SPJ 2011, S. 187.
[32] Pa.Iv. 06.490: AB NR, 2012, S. 40ff.; AB SR 2012, S. 66ff.; NZZ, 29.2. und 6.3.12; AZ, 22.12.12.
[33] Pa.Iv. 11.459: AB NR, 2012, S. 523ff.
[34] Po. 12.3641: AB SR, 2012, S. 925.