Année politique Suisse 2012 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Tierversuche und -schutz
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Schutz von Grossraubtieren
Die Diskussion, ob Grossraubtiere in der Schweiz zu schützen seien oder ob man sie vielmehr erlegen sollte, weil sie eine Gefahr für den Menschen und dessen Nutztiere darstellten, wurde auch im Berichtsjahr engagiert geführt. Mitte Mai wurde eine Volksinitiative „Für den Schutz der Grossraubtiere (Bär, Wolf und Luchs)“ von einer Genfer Gruppierung um den Politaktivisten Jean Barth lanciert: Die Initianten wollen den Abschuss mit Geldstrafen oder Freiheitsentzug ahnden und den Bund zu verstärkten Schutzmassnahmen verpflichten. Die Initiative überstand die Vorprüfung der Staatskanzlei und befand sich Ende Berichtsjahr im Sammelstadium. Die ähnliche, im vorigen Jahr aufgegleiste Initiative „Wolf, Bär und Luchs“ kam hingegen im September nicht zustande: Sie hatte weniger als die Hälfte des Unterschriftenquorums erreicht [47].
Im November erhielt die Schweiz aus Strassburg einen negativen Bescheid von der Berner Konvention: Die von einer 2010 verabschiedeten Motion geforderte Auflockerung des Artenschutzes bezüglich des Wolfes in der Schweiz und die damit einhergehende Möglichkeit zum Abschuss werde nicht gewährt. Der Motionär Fournier (cvp, VS) verlangte daraufhin den temporären Austritt der Schweiz aus dem Abkommen, wie es auch der Motionstext festgelegt hatte: Bei einem Neueintritt sollte dem Bundesrat die Möglichkeit zu einer Neuaushandlung bezüglich der Schutzstellung des Wolfes gegeben werden. Der definitive Entscheid über einen Austritt stand Ende Berichtsjahr noch aus [48].
Die im vorigen Jahr in die Vernehmlassung geschickte revidierte Jagdverordnung sorgte auch 2012 für Diskussionen. Der Schweizer Tierschutz (STS) reichte im Januar eine Petition mit 10 000 Unterschriften ein, in welcher er die Verordnung als zu wenig tierfreundlich kritisierte: So sei etwa die Baujagd eine unzeitgemässe Praktik, die sowohl bei Jagdhund als auch bei gejagtem Tier grosse Ängste auslöse. Ansonsten drehte sich die Auseinandersetzung vor allem um die grossen Raubtiere: Von Seiten der Tierschützer wurde die Bestimmung verurteilt, dass Tiere wie Wolf oder Luchs in Zukunft nicht nur bei Vieh- oder Kulturland-Schaden, sondern auch bei Schaden am Wildtier zum Abschuss freigegeben werden dürften. Dies sei eine Massnahme, die einzig dem Schutz der Jäger diene. Entgegen dieser Einwände wurde die Jagdverordnung Ende Juni vom Bundesrat wie vorgesehen in Kraft gesetzt. Neu ist darin auch die Passage, dass Kantone sog. Ruhezonen für Wildtiere einrichten können, damit diese nicht durch Freizeit- und Tourismusaktivitäten gestört werden: Gerade im Winter und Frühjahr verlören Tiere durch die Flucht vor Menschen lebenswichtige Energie, was mit den neu eingeführten Ruhezonen verhindert werden soll [49].
Eine Arbeitsgruppe, zusammengesetzt aus Vertretern des Bundesamts für Umwelt (Bafu), Pro Natura, des Jagdverbands Schweiz, WWF und Schafzüchtern hat im Mai nach zwei Jahre dauernden Gesprächen ein Positionspapier zum Umgang mit Grossraubtieren veröffentlicht. Darin bekennen sich die Teilnehmer zur friedlichen Koexistenz zwischen Mensch und frei lebenden Tieren wie Wolf, Luchs und Bär. Zugleich bekräftigen sie aber auch, dass der Abschuss von schadenstiftenden Einzeltieren möglich sein müsse, solange das Überleben des Bestandes gesichert sei. Die Medien kritisierten, dass das Papier nicht viel mehr sei als eine Absichtserklärung, künftig vermehrt das Gespräch zu suchen statt durch Polemik zu polarisieren [50].
 
[47] BBl, 2012, S. 5829 ff. und S. 8027; NZZ, 19.6.12; vgl. SPJ 2011, S. 216.
[48] NZZ, 28.11.12; BaZ, 11.12.12; vgl. SPJ 2010, S. 142.
[49] TG, 20.1.12; 24H, 26.1.12; NZZ, 28.6.12; vgl. SPJ 2011, S. 215 f.
[50] Presse vom 9.5.12.