Année politique Suisse 2012 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
Natur- und Heimatschutz
Zur Behandlung der parlamentarischen Initiative zur
Flexibilisierung der Waldflächenpolitik, siehe oben, Teil I, 4c (Forstwirtschaft)
[24].
Im Berichtsjahr beschloss das Parlament eine Änderung des Übereinkommens von Espoo (Finnland) über die
Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen. Nebst redaktionellen Anpassungen standen im Parlament zwei materielle Änderungen zur Debatte. Mit der ersten Änderung soll dem zu konsultierenden Nachbarstaat das Recht eingeräumt werden, beim Inhalt des Umweltverträglichkeitsberichts mitzuwirken. Während diese erste Neuerung unumstritten war, gingen die Meinungen bei der zweiten Anpassung, welche eine Erweiterung der Liste über die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegenden Projekte forderte, auseinander. Im Nationalrat stellte eine äusserst starke bürgerlich-dominierte Kommissionsminderheit den Antrag auf Nichteintreten und deren Kommissionssprecher Knecht (svp, AG) sowie ein Sprecher der liberalen Fraktion äusserten ihr Missfallen zu der geplanten Ausweitung der Liste. Ihr Widerstand gegen mögliche zusätzliche Einmischungen aus dem Ausland, wie beispielsweise beim Ausbau des Hochspannungsleitungsnetzes oder bei Projekten an den grenznahen Flugplätzen, gründete in Bedenken zu unnötigen Verzögerungen oder gar Sistierung der Projektvorhaben. Die Befürworterseite und Bundesrätin Leuthard zeigten sich erstaunt über den entgegengebrachten Widerstand, da sie der Ansicht waren, es handle sich bei der vorgelegten Anpassung um eine Lappalie. Für die eidgenössische Gesetzgebung habe die Änderung des Übereinkommens keine weitreichenden Konsequenzen: Der Anhang der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) müsse lediglich um zwei Punkte erweitert werden, die meisten der erwähnten Projekte seien bereits UVP-pflichtig. Namentlich müssten bei einer Annahme Massnahmen zur Grundwasserentnahme respektive der künstlichen Grundwasserauffüllung sowie Anlagen zur Herstellung von Papier und Pappe neu in den Katalog der UVP-pflichtigen Projekte aufgenommen werden. Im Nationalrat sprach sich schliesslich eine Mehrheit der Stimmenden für die Ablehnung des Nichteintretensantrags aus. Während die Fraktionen der FDP und SVP geschlossen gegen Eintreten waren, äusserten sich alle anderen Fraktionen ebenso geschlossen dafür. So wurde die Änderung in den Ständerat geschickt, wo dem Änderungsantrag einstimmig zugestimmt wurde. In der Herbstsession wurden die Änderungen von beiden Räten in der Schlussabstimmung angenommen
[25].
In seiner im Vorjahr publizierten Botschaft empfahl der Bundesrat dem Parlament die
Ratifizierung der Europäischen Landschaftskonvention, dem ersten völkerrechtlichen Instrument seiner Art. Ziel der Konvention ist die Förderung des Bewusstseins zum nachhaltigen Umgang mit der Ressource Landschaft. Dabei will die Konvention die überstaatliche Kooperation bei grenzüberschreitenden Landschaften verstärken sowie jüngere europäische Staaten in ihren Bestrebungen unterstützen, der Umweltpolitik mehr Gewicht beizumessen. Während der Ständerat Eintreten ohne Gegenstimme beschloss und der Entwurf in der Gesamtabstimmung mit Dreiviertelmehrheit angenommen wurde, formierte sich im Nationalrat Widerstand. Eine bürgerliche Kommissionsmehrheit empfahl der grossen Kammer, nicht auf die Vorlage einzutreten. Kommissionssprecher Rösti (svp, BE) argumentierte, die Schweiz verfüge bereits über ausreichend Instrumente zum Landschaftsschutz. Darüber hinaus bestünden bereits internationale Abkommen zum Schutz der Landschaft, womit es keiner zusätzlichen Regelung bedürfe. Des Weiteren befürchtete die Mehrheit der UREK-NR, dass die Landschaftskonven-tion im Falle der Ratifizierung als Rechtfertigung für eine zusätzliche Verschärfung der bestehenden Vorschriften herbeigezogen werden könnte. Die Befürworter der Vorlage stützten sich auf die Argumentation des Bundesrates, wonach die Ratifikation der Konvention für die Schweiz weder rechtliche, noch finanzielle oder personelle Konsequenzen nach sich ziehen würde und betonten die Wichtigkeit der Bewusstseinsförderung im Hinblick auf ein nachhaltiges Verständnis des Landschaftsbegriffs. Eintreten auf die Vorlage wurde mit 89 zu 86 ohne Enthaltungen äusserst knapp und hauptsächlich bedingt durch Absenzen in den SVP-Reihen beschlossen. Für die Ratifizierung der Konvention sprachen sich sodann die geschlossenen Fraktionen der Grünen, der Grünliberalen und der SP aus. Dabei erhielten sie Unterstützung von der halben BDP und der halben CVP/EVP-Fraktion. In der Herbstsession gelangte das Geschäft zur Gesamtabstimmung zurück an den Nationalrat, wo nun von einer knappen Kommissionsmehrheit aus Mitte-Links ein Antrag auf Annahme der Vorlage vorlag. Dieser wurde begleitet von einem starken, ablehnenden Minderheitsantrag aus dem bürgerlichen Lager der Kommission. Letzterer vermochte jedoch nicht zu überzeugen und der Nationalrat sprach sich mit 100 zu 85 Voten in der Gesamtabstimmung deutlicher für die Konvention aus, als dies aufgrund des knappen Ergebnisses zum Eintretensbeschluss zu erwarten gewesen wäre. Ausschlaggebend dafür war ein Umschwenken einzelner Mitglieder der BDP- und CVP/EVP-Fraktion. Unter diesen Vorbedingungen passierte die Landschaftskonvention auch die Schlussabstimmung in beiden Räten problemlos, wonach der Bundesrat bei unbenutztem Verstreichen der Referendumsfrist ermächtigt wird, das Abkommen zu ratifizieren
[26].
Im September präsentierte das BAFU den
Vernehmlassungsbericht zur Strategie Biodiversität Schweiz. Die zehn in der Strategie definierten Ziele werden insgesamt von der grossen Mehrheit der 147 Stellungnehmenden positiv beurteilt. Von den grossen Parteien unterstützen SP und CVP das Vorhaben. Sowohl Grüne wie auch FDP kritisierten die mangelhafte Konkretisierung der Zielvorgaben, stimmten dem Anliegen einer Biodiversitätsstrategie jedoch grundsätzlich zu. Letzteres im Gegensatz zur SVP, welche die Strategie als Ausgangspunkt für weiterreichende Regulierungen und finanzielle Folgekosten interpretierte. Die überwiegende Mehrheit der Kantone äusserte ihre grundsätzliche Unterstützung zur Strategie, oftmals jedoch mit dem Vorbehalt, dass sich deren Umsetzung auf bereits bestehende Rechtsgrundlagen stützen und die Kantone bei der Erarbeitung der Aktionspläne stärker einbezogen werden müssen. Das Ziel der Schaffung einer ökologischen Infrastruktur und eines entsprechenden Sachplans führte unter den Vernehmlassungsteilnehmern zu den grössten Diskussionen. Obwohl die Erstellung eines Sachplans grundsätzlich begrüsst wurde, liess die vage Zielformulierung noch viele Fragen offen. Insbesondere Bauernverbände und Waldwirtschaftler äusserten Bedenken, dass neue Schutzgebiete auf Kosten bestehender Landwirtschafts- und Waldflächen geschaffen werden könnten. Im April wurde die Strategie zu Erhalt und Förderung der Biodiversität vom Bundesrat verabschiedet
[27].
Einstimmig verabschiedeten National- und Ständerat eine Änderung zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten. Damit wurden Bestimmungen zum Übereinkommen über den
internationalen Handel mit gefährdeten Wildtieren und -pflanzen zum ersten Mal auf Gesetzesstufe verankert
[28].
Zur Behandlung von Vorstössen betreffend Erdbebenversicherung, siehe oben, Teil I, 4b (Banken, Börsen und Versicherungen).
[24] Pa.Iv. 09.474: vgl. SPJ 2011, S. 285.
[25] BRG 12.025: BBl, 2012, S. 1777 ff., 1789, 1791 ff. und 8257, AB NR, 2012, S. 1041 ff., 1818, AB SR, 2012, S. 648 f. und 935.
[26] BRG 11.068: AB SR, 2012, S. 253 ff. und 935, AB NR, 2012, S. 781 ff., 1385 ff. und 1818, NZZ, 1.6.12, vgl. SPJ 2011, S. 287.
[27] BBl, 2012, S. 7239 ff; Medienmitteilung BAFU vom 25.4.12, vgl. SPJ 2011, S. 287 f.
[28] BRG 11.058: AB SR, 2012, S. 107 ff. und 273, AB NR, 2012, S. 556, BBl, 2012, S. 3465 ff.
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